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Kommentar zu #Varoufake Video Kommentar zu #Varoufake Video: Böhmermann zeigt uns ganz elegant den Stinkefinger

Von Martin Klesmann 19.03.2015, 09:38
Echt oder manipuliert? Griechenlands Finanzminister zeigt den Stinkefinger.
Echt oder manipuliert? Griechenlands Finanzminister zeigt den Stinkefinger. dpa Lizenz

Jan Böhmermann ist sein Meisterstück gelungen. In einem neunminütigen Video „dokumentieren“ er und seine Redaktion, dass sie selbst die Stinkefinger-Szene in den umstrittenen Auftritt des griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis hineinmontiert haben. Über eine Kroatien-Connection. Gezeigt wurde das Video in dem Satire-Magazin „Neo Magazin Royal“, bei ZDF Neo.

Gebührenfinanziert wie auch Jauch. Längst diskutiert das Netz, und bald ganz Deutschland über Böhmermanns Video. Dass nicht wenige den Böhmermann-Fake zunächst für bare Münze nahmen, zeigt, wie tief in der Gesellschaft das Misstrauen gegenüber den etablierten Medien, einschließlich Jauch, sitzt.

Tatsächlich hebt Böhmermanns Beitrag die Debatte um Varoufakis auf eine völlig neue Ebene. Er lässt das Ganze gewissermaßen von vorne beginnen, weil er alles in Frage stellt. Und er hält damit der Gesellschaft den Spiegel vor, in dem er die bisherigen kollektiven Reaktionen auf den Stinkefinger-Einspieler in Jauchs "Volks-Talkshow" aufspießt.

Woher kommt diese Kollektivempörung?

O-Ton Böhmermann: "Damit sich Muddi und Vaddi abends nach dem 'Tatort' nochmal schön aufregen können. Der Ausländer! Raus aus Europa mit dem! Er ist arm und nimmt uns Deutschen das Geld weg."

Das ist alles sehr anregend gestaltet. Und nachdem man sich Böhmermanns Beitrag zwei- oder auch dreimal angesehen hat, tauchen immer mehr Fragen auf: Hätte die Jauch-Redaktion auch, sagen wir mal, ein auf Youtube publiziertes Stinkefinger-Video eines deutschen Bundesministers präsentiert, ohne vorher telefonisch mit dessen Büro die Echtheit des Mitschnitts abzuklären? Wieso wies Jauch in seiner Sendung nicht auf die genauen Umstände des Varoufakis-Auftritts beim Subversive Festival von 2013 in Zagreb hin? Wieso sehen wir uns heutzutage als Europäer, wenn in vielen von uns die Volksseele kocht, weil wir meinen, dass Varoufakis uns Deutschen den Stinkefinger zeigt? Woher kommt diese Kollektivempörung? Und wer befeuert sie mit welchem Interesse?

Aber auch: Wie verändert sich unsere Gesellschaft, wenn bald jeder seinen eigenen Youtube-Kanal betreibt und jeder mit digitaler Schnitttechnik seine eigenen Filmchen drehen, bearbeiten und manipulieren kann? All diese Fragen mit einem neunminütigen Video ausgelöst zu haben, zeigt, wie gut das Ding gemacht ist und wie kompliziert, postpostpostmodern und vielschichtig diese schöne Welt wenige Stunden vor der partiellen Sonnenfinsternis auf der Nordhalbkugel geworden ist.

Richtig surreal wurde es übrigens schon Stunden nach der Ausstrahlung, als ein gewisser Gianis Varoufakis sich gegen 2.30 Uhr auf Twitter zu Wort meldet und Jan Böhmermann dafür dankt - und dann noch eine Entschuldigung von Jauch fordert.

Das ist schon eine seltsame Welt, in der ein Politiker einen deutschen Satiriker als Kronzeugen bemüht. Nun hat der ZDF-Programmdirektor noch einen drauf gesetzt. Er sah sich genötigt, offiziell mitzuteilen, dass Böhmermann in einer Satire-Sendung tatsächlich satirische Inhalte verwendet hat.