Google wird zu Alphabet Google wird zu Alphabet: Der Internetriese sortiert sich neu

Berlin - Kommt die neue Struktur überraschend?
Ja und nein. Schon bei der Vorlage der aktuellen Geschäftszahlen Mitte Juli war zu erkennen, dass ein anderer Wind weht. Google hat die Ex-Bankerin Ruth Porat zur neuen Finanzchefin gemacht. Sie hat dafür gesorgt, dass der immense Anstieg der Kosten gebremst wurde – Google gibt für riskante Projekte viele Milliarden Dollar aus und stellt auch schon einmal hunderte von Leuten für neue Forschungsvorhaben ein. Die Gründung der Holding ist der nächste folgerichtige Schritt. Google-Mitgründer Larry Page wird Vorstandschef von Alphabet. Sergey Brin wird Präsident des Verwaltungsrates. Porat übernimmt den Posten der Finanzchefin der Holding.
Was bringt die Holding?
Alphabet fungiert wie eine Art Haube. Darunter wird der Konzern in viele Teile zerlegt. Der mit weitem Abstand größte Teil wird weiterhin Google heißen und besteht aus den lukrativen Geschäften mit den Suchmaschinen und den damit verbundenen Einnahmen aus der Internet-Werbung, die den allergrößten Anteil der Umsätze und Gewinne des Konzerns beisteuert.
Hinzu kommen die weltweit dominierende Videoplattform Youtube, der E-Maildienst G-Mail und das Smartphone-Betriebssystem Android. Letzteres hat bei den Handys einen globalen Marktanteil von etwa 80 Prozent. Sundar Pichai soll Chef dieses neuen Unternehmens mit dem bekannten Namen werden. Damit gelingt es Page und Brin auch, den Manager, der offenbar von anderen Hightech-Konzernen heftig umworben wird, im Konzern zu halten.
Was sind die übrigen Teile des Google-Puzzles?
Es handelt sich um eine ganze Reihe von Aktivitäten, die intern Moonshots genannt werden und häufig wie Science Fiction wirken. Da geht es beispielsweise um das Entwicklungslabor Google X, das an vielen spektakulären Projekten wie einem selbstfahrenden Auto oder der Datenbrille Google Glass arbeitet. Oder die Biotechsparte Calico, die Wege sucht, das Altern der Menschen und die damit verbundenen Krankheiten zu bekämpfen.
Das Projekt Loon ist ein weiterer Moonshot, der zum Ziel hat, hochfliegende Ballons als Relaisstationen für die Übertragung des Internets zu nutzen. Eine ähnliche Funktion sollen mit Solarenergie angetriebene Drohnen haben. Zum Konglomerat gehören zudem zwei Investmentgesellschaften, die sich bei vielen Start-up-Firmen aber auch in den erneuerbaren Energien engagieren. Die verschiedenen Sparten sollen alle eigene Chefs und eigene Budgets haben.
Was ist der Sinn der Aufteilung?
Es geht in erster Linie darum, den Konzern für Anleger und Analysten überschaubarer zu machen. Gegenwärtig ist kaum erkennbar, wofür wie viel Geld ausgegeben wird. Es kursiert unter Anlagern die Vermutung, dass Page und Brin ihrem ausgeprägten Spieltrieb nachgehen und viele Millionen in Projekten versenken, die auf absehbare Zeit keine Chance haben, lukrative Geschäfte zu werden. Zugleich wird vermutet, dass zu wenig Investitionen in die Weiterentwicklung des Hauptgeschäfts von Google fließen. Das soll künftig alles erheblich transparenter werden.
Bei den Investoren jedenfalls kommt die neue Struktur an, die in den nächsten Monaten sukzessive eingeführt werden soll. Die Google-Aktie legte am Dienstag im frühen Handel um zeitweise mehr als sechs Prozent zu. Die plausible Erklärung: Durch die Aufteilung werden geschäftliche Risiken wie hohe Abschreibungen aufgrund des Scheiterns von riskanten Vorhaben nicht auf die Kernfirma durchschlagen. Das lässt auf höhere Profitabilität hoffen.
Im nächsten Abschnitt erfahren Sie, wie es mit dem Kerngeschäft weitergeht.
Hat die Aufteilung auch juristische Implikationen?
Auch dies spielt eine Rolle. Bei den Moonshots könnte es zahlreiche Haftungsrisiken geben – wenn die selbstfahrenden Autos Unfälle verursachen droht Schadenersatz, das kann in den USA schnell hohe Millionenbeträge bedeuten. Auch von diesen Risiken bleibt das Unternehmen verschont, das künftig von Pichai geführt wird.
Wie wird es mit Kerngesellschaft überhaupt weiter gehen?
Hier ist ein weiterer zentraler Aspekt der Teilung zu erkennen. Künftig wird für Investoren deutlicher werden, in welche Bereiche zur Weiterentwicklung der etablierten Dienste investiert wird. Das soll Vertrauen schaffen und eine Vermutung entkräften, die Branchenkennern immer häufiger geäußert wird - dass Google nämlich früher oder später ein ähnliches Schicksal wie andere ehemals dominierende und scheinbar unangreifbare Hightechfirmen ereilen könnte: Sie wurden von Newcomern überholt, auch weil der Platzhirsch zu träge geworden war und neue Entwicklungen zu spät erkannte – aktuelle Beispiele sind der Niedergang des Handyherstellers Nokia und damit verbunden das Scheitern der Mutterfirma Microsoft im Mobilfunkgeschäft.
Gibt es denn Anzeichen für ein Schwächeln von Google?
Google hat im zweiten Quartal (April bis Juni) zwar den Umsatz um elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr und den Gewinn um 600 Millionen auf 3,9 Milliarden Dollar gesteigert. Doch Analysten weisen darauf hin, dass Google immer weniger Geld pro Klick bei Suchmaschinen-Anzeigen einsackt. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Werbung immer stärker auf mobile Geräte verlagert, denn dort sind die Annoncen billiger.
Zugleich wächst hier die Konkurrenz – vor allem durch Facebook. Das soziale Netzwerk versteht es viel besser als Google zielgerichtete Werbung für den jeweiligen Nutzer zu platzieren. Das hat dazu geführt, dass Facebook seine Marktanteile bei der Internetwerbung kontinuierlich ausbaut während Google Einbußen hinnehmen muss.
Wie sieht die Gegenstrategie aus?
Google will sich einerseits stärker mit künstlicher Intelligenz beschäftigen – das wird auch maschinelles Lernen genannt: Programme, die Nutzerdaten analysieren, verbessern sich selbst. Das soll es unter anderem möglich machen, die Bedürfnisse von Usern vorherzusagen. Damit verknüpft ist die Zukunft der Suchmaschine. Hier wetteifern viele Unternehmen um neue Lösungen für mobile Geräte – bei der Anzeige der Ergebnisse einer Anfrage sollen auch etwa Einträge beim Kurznachrichtendienst Twitter oder in sozialen Netzwerken sowie Inhalte aus Smartphone-Apps berücksichtigt werden. Auch die bessere Darstellung der Ergebnisse in grafischer Hinsicht oder als gesprochene Sprache dürfte künftig eine wichtige Rolle spielen.


