Sparsam ängstlich unpünktlich Sparsam ängstlich unpünktlich: Eltern vererben Macken und Marotten

Oft sind es banale Sätze: „Über Geld spricht man nicht.“ Oder: „Ohne Fleiß kein Preis.“ Fast jeder kennt solche Glaubenssätze aus seiner Familie. Jahrelang hat man sie ignoriert. Und irgendwann ertappt man sich dabei, wie einem die innere Stimme genau diese Überzeugungen vorhält. Oder: Man sagt den Satz sogar selbst zu seinen Kindern. Auch in anderen Bereichen - Stresstoleranz, Streitkultur oder Musikalität - entdeckt man im Laufe der Zeit Ähnlichkeiten zu Mutter oder Vater. Manchmal mehr, als einem lieb sind.
Ordnungsfimmel von der Mutter
Das kennt auch Carmen Broicher. Die 46-Jährige ist davon überzeugt, dass sie viele Dinge so macht wie ihre Mutter. „Ja, ich bin pingelig“, sagt sie. „Das habe ich zum Beispiel von meiner Mutter. Was hat sie mich damals genervt mit ihrem ewigen Ordnungsfimmel.“
Penibel war ihre Mutter aber nicht nur mit Haus und Garten. Sie hat auch das Geld zusammengehalten. „Geizig wäre das falsche Wort“, sagt Broicher. Sie habe ihr Geld gezielt eingesetzt und nicht wahllos unter die Leute gebracht. „Ich stünde heute nicht hier mit meinem eigenen Betrieb, wenn ich das nicht von ihr übernommen hätte.“
Broicher hat sich in Köln ihren Traum vom eigenen Reitstall erfüllt. Mehrere Pferde und Ponys gehören ihr, zusätzlich vermietet sie Boxen an Pferdebesitzer. Sie ist überzeugt, dass die von der Mutter vorgelebte Struktur ihr ein Vorbild war.
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Dass Kinder Dinge bewusst oder unbewusst von ihren Eltern übernehmen, ist unvermeidlich. Schließlich verbringt man jede Menge Zeit mit ihnen. „Schon im Freundeskreis übernimmt man ja kleine Marotten. Welchen Einfluss haben dann wohl die ersten 18 Lebensjahre?“, sagt Alexandra Miethner, Diplom-Psychologin in Bonn. Eltern prägen stark, mit welchen Werten, Vorstellungen und Rollenbildern man durchs Leben geht.
Ein klassischer Moment, an dem man sich bei vielerlei ertappt, ist das Elternwerden. „Da geht der Blick oft auf die eigene Familie zurück“, erklärt Miethner. Das kann sogar positiv sein: Man wiederholt die Sachen, die man selbst als Kind genossen hat: Rituale wie ins Bett bringen, am Wochenende lange frühstücken oder an der Nordsee Urlaub machen.
Kinder übernehmen auch schlechte Eigenschaften
Manchmal sind es aber problematische Dinge, die man sich angeeignet hat. Nach einem Streit drei Tage beleidigt zu sein, Sachen immer hundertprozentig machen zu wollen oder besonders ängstlich zu sein. Die wenigsten sind so reflektiert, dass sie selbst solche Analogien erkennen. „Man überprüft es oft erst, wenn man durch sein Umfeld immer wieder die Rückmeldung auf sein Verhalten bekommt: „So nicht““, sagt Miethner.
Vor Veränderungen müsse ein gewisser Leidensdruck herrschen, erklärt Holger Simonszent. Er ist Diplom-Psychologe in Gauting bei München. Wer sich beispielsweise über sein eigenes Streitverhalten ärgert, kann sich eine Strategie überlegen. „Wenn ich weiß, eine Auseinandersetzung eskaliert schnell, nehme ich mir beim nächsten Mal vor, vorher rauszugehen.“ Das spricht man am besten mit dem Partner ab.
Verinnerlichte Werte hinterfragen
Komplizierter wird es bei Dingen, die wir ganz tief verinnerlicht haben - den Glaubenssätzen. Wer immer mit dem Spruch „Ohne Fleiß kein Preis“ getriezt wurde, sollte ihn hinterfragen. „Wie fühle ich mich damit? Stresst mich das?“, sagt Miethner. Wichtig sei auch, Antworten auf Fragen finden, wie: „Was ist Fleiß für mich? Und welchen Preis bekomme ich dafür?“. Um solche tief verwurzelten Dinge zu ändern, hilft es, sie aufzuschreiben. Beispielsweise auf einen Zettel, den man dann zerreißt.
Am besten ersetzt man den alten Glaubenssatz durch einen neuen. Man könne etwa aufschreiben „Ich bin ein sehr engagierter Mensch und arbeite gerne für diese oder jene Sache.“ „Den Zettel steckt man sich ins Portemonnaie“, rät Miethner. Das verdeutlicht die eigenen Prioritäten und erinnert daran, dass man nicht alles im Alltag mit der gleichen Kraft angehen möchte. Über Nacht klappen solche Umprogrammierungen aber nicht. „Das dauert und ist Übungssache.“
Was sagen Psychologen zum Versuch, auf keinen Fall so zu werden wie die Eltern? Weiter geht's auf der nächsten Seite.
Trotz allem Veränderungswillen: Der Anspruch, auf keinen Fall so zu werden wie seine Eltern, lässt sich nicht erfüllen. „Letztlich ist es eine gesunde Einstellung zu akzeptieren, dass man manche Dinge mitbekommen hat und nicht loswerden kann“, sagt Simonszent. Wer sein Leben lang damit hadert, das mittelmäßige Fußballtalent seines Vaters geerbt zu haben, macht sich nur unglücklich. Besser ist es, sich die positiven Eigenschaften ins Gedächtnis zu rufen. „Wenn ich mir die bewusst mache, sind das wertvolle Ressourcen.“
Manchmal treibt einen nicht nur die Frage um, warum man selbst bestimmte Marotten übernommen hat - sondern auch, woher die eigenen Eltern sie selbst haben. Spätestens auf Familienfeiern wird einem bewusst, dass es über mehrere Generationen hinweg ähnliche Linien gibt.
Dann kann es ratsam sein, sich mit den Eltern zusammenzusetzen - vorausgesetzt, das Verhältnis ist gut. In einem Gespräch lässt sich erforschen, wie bestimmte Themen in der Familie behandelt wurden. „Das macht einem die Familiengeschichte deutlich“, sagt Miethner.
Nicht nur die Eltern prägen
Entscheidend ist dabei das Wie. Am ehesten erfährt man Dinge, wenn man sie sich erzählen lässt - ohne vorwurfsvoll die Schwächen der ganzen Familie analysieren zu wollen.
Und: Eltern prägen einen zwar sehr. Sie sind aber nicht die Einzigen, von denen man sich etwas abguckt. Freunde, Partner, Kollegen können ebenso prägend sein. Und im Gegensatz zu Mutter und Vater kann man sich diese größtenteils aussuchen. (dpa)