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Shitstorm gegen dm Österreich  Shitstorm gegen dm Österreich : "Wie schön müssen Mamis im Kreißsaal sein?"

08.11.2016, 13:57
Während der Wehen an die Schönheit denken? Das tun nun wirklich nur die wenigsten Frauen.
Während der Wehen an die Schönheit denken? Das tun nun wirklich nur die wenigsten Frauen. imago/Peter Widmann

Mit abgeblättertem Nagellack zur Entbindung gehen? Mit nicht rasierten Beinen? Ohne Make-up? Nein, also wo kommen wir denn da hin! Das muss sich die Redaktion der Drogeriekette dm in Österreich gedacht haben, als sie ihren Artikel „Wie schön müssen Mamis im Kreißsaal sein?“ veröffentlichte.  Der Teaser: Pediküre kurz vorm Geburtstermin, mit Make-up zur Geburt? Erlaubt ist, was gut tut. Aber wie schön müssen Mamis im Kreißsaal sein?

Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten. Der Artikel war nicht nur auf der Website publiziert worden, sondern auch per Newsletter an alle Abonnenten des Baby-Bonus-Programms versandt worden. Und die Mütter waren wütend. So wütend, dass dm mittlerweile den Text von seiner Website genommen hat. Zitate daraus kursieren natürlich trotzdem noch im Netz.

„Schaffe ich es noch, Beine und Intimbereich zu rasieren? Wann setze ich am besten meinen letzten Fußpflege-Termin vor der Geburt an? Wie gut werde ich am ersten Foto nach der Geburt aussehen? Oder wird auch mein Bild eine geschlauchte Zombie-Mama mit Schweiß auf der Stirn, müden Augen und roten Flecken im Gesicht zeigen?“ Diese Fragen wurden tatsächlich im Text gestellt. Es ging nicht um gesunde Babys, nicht um die Veratmung von Wehen, nein, es ging um schiere Äußerlichkeiten.  

Frauen, sie schon einmal ein Kind zur Welt gebracht haben, die erlebt haben, was eine Geburt bedeutet. Frauen, die sich um die Gesundheit ihrer Kindheit und nicht um die Rasur ihres Schambereiches vor der Entbindung scheren – sie alle toben. Und machen ihrem Ärger in den sozialen Medien Luft.

Eine Userin schreibt sich auf der Facebookseite von dm ihre Empörung von der Seele: „Ich frage mich, wie ihr euch eine Geburt vorstellt. Während die Frau ein Kind gebärt, ist nämlich keine Zeit dafür, dass schnell noch eine dm-Mitarbeiterin in den Kreißsaal huscht und der Frau die Stirn pudert. […] Dank euch habe ich jetzt gelernt, dass mein Geschlecht so oberflächlich ist, dass es uns sogar im Kreißsaal nur um den Schmuck-Faktor geht.“

Gedanken über rasierte Beine, pedikürte Füße oder ein leichtes Make up?

Sie habe den Artikel mehrmals gelesen, schreibt Patricia Cammarata in ihrem Blog dasnuf, weil sie nicht habe fassen können, „dass es Frauen gibt, die sich selbst während einer Geburt Gedanken machen, ob sie schön genug sind und z.B. die Hebamme nicht mit dem Anblick unrasierter Beine beschämen.“ 

Mit der Behauptung, die Mehrheit der Schwangeren mache sich vor der Geburt „Gedanken über rasierte Beine, pedikürte Füße oder ein leichtes Make up für das erste Foto mit dem neuen Erdenbürger“, lag dm offenbar weit daneben. Auch wenn die Berliner Hebamme Anja Constance Gaca zum Teil relativiert:

„Die meisten Frauen kommen (zumindest beim ersten Kind) relativ früh in die Klinik und deshalb auch meist so „zurecht gemacht“, wie sie es sonst auch für sich mögen. Es spricht doch auch nichts dagegen mir die Beine um den Entbindungstermin herum zu rasieren, wenn ich mich damit wohler fühle. […] Zuviel Wimperntusche rächt sich nur meist mit Pandabären-Augen auf den ersten Fotos nach der Geburt :-)“

„Mein Körper hat einen Menschen gebaut“

Auch Rike Drust, Autorin des Bestsellers Muttergefühle.Gesamtausgabe findet klare Worte zum Schönheitswahnsinn unter der Geburt: „Es hat mich ehrlich gesagt einen feuchten Kehricht interessiert, weil mein Körper nicht Dekozwecken dienen muss, der hat nämlich EINEN MENSCHEN GEBAUT!“

Mit seinen Beauty-Tipps für den Kreißsaal hat sich dm bei seiner Zielgruppe ziemlich ins Abseits geschossen, auch wenn die Mitarbeiter versuchen, die Wogen zu glätten. So kommentierten sie zum Beispiel auf der Seite von Pinkstinks sehr verständnisvoll.

Dabei gibt es sogar ganze Bücher mit ähnlichem Titel wie dem Artikel. Die Schauspielerin Lucie Marshall widmet mit „Auf High Heels in den Kreißsaal“ sogar ein ganzes Buch dem Thema. Der Unterschied: Bei ihr ist der Titel ironisch gemeint, wie der Clip zum Buch auf amüsante Weise zeigt. In Wahrheit, sagt sie, sei auch nicht mit High Heels in den Kreißsaal stolziert, sondern „mit Badelatschen auf allen Vieren gekrochen“. 

Mit den Wassereinlagerungen einer Schwangerschaft kann es nämlich ziemlich schwierig sein, mit High Heels in den Kreißsaal zu stöckeln… besonders unter Wehen. (lha)