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Sessel zur Röhrenhose: 80er Jahre sind Wohntrend

Von Sandra Cantzler 28.07.2008, 07:05

Frankfurt/Main/dpa. - Röhrenhosen, Ballerinas, Leggings und überlange Hemdblusen: Was der Mode recht ist, ist beim Einrichten mit kleiner zeitlicher Verzögerung billig. Und so halten die 80er Jahre derzeit wieder Einzug in die Wohnung.

Auf der einen Seite feiern sie mit viel Schwarz, Weiß, Chrom und Glas ein kommerzielles Comeback. Auf der anderen Seite zeigen sie mit Beton, unbehandeltem Holz und Metall ihren rauen Charakter.

«Wir sind aus den 1990er Jahren sehr glattes Design gewohnt. Jetzt kommt die Rolle rückwärts», so der Architekt und Designer Volker Albus auf einer Veranstaltung der Messe Frankfurt. Improvisatorisch, rüde, einfach - so charakterisiert der Professor für Produktdesign an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe das Original-80er-Design. Wobei das nur für Deutschland gelte. Denn während hierzulande «bastelhafte» Einzelstücke typisch waren, liebten es die Franzosen in dieser Zeit elegant und die Italiener mit ihrer von Ettore Sottsass gegründeten Memphis-Bewegung extrem bunt.

«Die 80er Jahre sind stilgeschichtlich sehr gemischt gewesen», erinnert sich Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) in Bad Honnef zurück. Diese Vielfalt zeigt sich auch bei der aktuellen Welle - wobei sich die nationalen Unterschiede beim Design weitgehend aufgehoben haben.

Vor allem der Eindruck des Unperfekten, irgendwie Selbstgebastelten scheint derzeit die Designer weltweit zu faszinieren. Der US-Amerikaner Stephen Burks zum Beispiel entwarf für das italienische Unternehmen Cappellini eine ganze Reihe von Recycling-Möbeln - angefangen von Stühlen und Tischen aus wiederverwerteten Zeitschriften bis hin zu Vasen und Schalen aus altem Glas. Und der Designer Massimiliano Adami überzieht für seinen Cappellini-Entwurf «Sharpei» einen Holzstuhl mit verknittertem Baumwollstoff, was stark an eine Altkleidersammlung erinnert.

Als «Punk» bezeichnet der Niederländer Richard Hutten seine handgefertigte Möbelkollektion «Layers»: Bücher werden bei ihm zu einem Tisch gestapelt. Und einen sonst von Architekten zum Modellbau benutzten Kunststoffschaum verwendet er für ein grob gezimmertes Regal. Das niederländische Design-Kollektiv «Droog» setzt ebenfalls auf Altpapier für eine Anrichte, aber auch auf Holz und Beton.

Letzteres zählt laut Volker Albus zu den typischen Materialien der 80er Jahre. Keine allzu große Überraschung also, dass sich auch der heutige Design-Nachwuchs mit Beton auseinandersetzt. «Simply concrete» heißt etwa ein Projekt an der Hochschule für Kunst und Design in Halle. Ein Semester lang beschäftigten sich 14 Studenten mit dem Material und schufen ganz unterschiedliche Objekte vom Bett über einen Schreibtisch bis zum Waschtisch. Dabei zeigen sie, dass Beton keineswegs grau und trist sein muss, wenn er zum Beispiel mit bunt lackiertem Stahl kombiniert wird.

Wobei Buntes nach wie vor die Domäne der Italiener ist. Von einer «stärkeren Verspieltheit mit den entsprechenden Farben» spricht etwa Brit Dieckvoss von der Fachzeitschrift «Möbelkultur». Ob aus Kunststoff oder aus Leder, kräftiges Rot, Blau, Gelb und Grün setzen neue Einrichtungsakzente - so etwa der «Vertigo Table» von Moroso oder die von einer Sanduhr inspirierten «Buddy»-Beistelltische vom Hersteller Molteni.

Nur eine Farbe ist vielen Designern allerdings nicht genug. Selbst im gehobenen Bereich wird gerne wild kombiniert, etwa bei der Kommode «Paesaggi italiani» von Edra. Gelegentlich wirkt das Ergebnis so, als seien auf dem Flohmarkt gefundene Einzelstücke zusammengefügt worden - wie beim «sistema»-Regal von Cappellini zum Beispiel.

«Daneben ist aber auch viel Gold und Glanz oder eben Schwarz und Weiß zu sehen», sagt Brit Dieckvoss. «So viel Edelstahl und so viele Schwarz-Weiß-Kombinationen habe ich schon lange nicht mehr gesehen», beschreibt auch Geismann ihre Eindrücke von der Mailänder Möbelmesse.

Damit meldet sich die dezente Variante der 80er Jahre zurück. Typisch dafür sind Sofas mit geradlinigem Stahlgestell und weichen Kissen wie beim Unternehmen MDF aus Italien. Avantgardistischer ist das «Skin»-Sofa von Molteni, bei dem geritztes Leder in schwarz oder weiß auf einen Stahlrahmen gespannt ist.

Warum gerade jetzt so viele Kreative auf den Zug in die jüngste Vergangenheit aufspringen - darüber sind sich die Experten nicht einig. «Früher war alles einfacher und klarer. Dieses Lebensgefühl will man auch mit den Möbeln zurückholen», sieht Ursula Geismann als einen Aspekt. Gleichzeitig gebe es einen Wunsch nach Wertigkeit. Brit Dieckvoss beurteilt das Revival wesentlich nüchterner: «Die 50er und 60er Jahre sind einfach schon rauf und runter neuinterpretiert worden - jetzt sind eben die 80er Jahre dran.»

Informationen des Verbands der Deutschen Möbelindustrie (VDM): www.wohninformation.de

Projekt «Simply concrete» an der Hochschule für Kunst und Design in Halle: www.simply-concrete.de

Online-Angebot der Fachzeitschrift «Möbelkultur»: www.moebelkultur.de