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Selbsthilfe Selbsthilfe: Bewältigung der Trauer

Von Bettina Levecke 21.12.2005, 14:09

Berlin/dpa. - «Aus einem starken "Wir" wurde plötzlich ein kleines Ich» - so beschreibt die 63-jährige Heidi Jost ihre Gefühle nach dem Tod ihres Mannes. «Wir haben 36 Jahre zusammen gelebt und alles geteilt - plötzlich war ich allein.»

Heidi Jost suchte die Nähe zu anderen Verwitweten und fand sie beim bundesweit tätigen Selbsthilfeverein «Verwitwet» in Köln. Ein richtiger Schritt, sagen Experten. Denn nicht immer können Angehörige und Freunde eine lange Trauerphase akzeptieren. Oft brechen Kontakte nach dem Tod des Partners sogar ganz ab.

Gespräche mit anderen Betroffenen helfen, die eigenen Gefühle anzunehmen, sagt Annette Dobroschke-Bornemann, Leiterin der Trauerberatungsstelle TABEA in Lüneburg und Berlin: «Verwitwete fühlen sich oft einer Vielzahl von Erwartungen aus ihrem sozialen Umfeld ausgesetzt.» Es entstehe das erdrückende Gefühl: «Eigentlich kann ich es niemandem recht machen.» In Trauergruppen können Betroffene lernen, sich von äußeren Anforderungen freizumachen.

In Deutschland sind vor allem Frauen über 65 Jahre verwitwet. Doch Trauer und Schmerz sind unabhängig vom Geschlecht: «Nach dem Verlust des langjährigen Lebenspartners bricht für jeden eine Welt zusammen», sagt Betina Holstein, Soziologin an der Universität Berlin. «Man muss wieder ganz neu laufen lernen», bestätigt Heidi Jost.

Gerade in der ersten Zeit können Familie und Kinder ein Trost sein: «Der Verlust eines geliebten Menschen verbindet die Familie, man teilt Erinnerungen und Gefühle», sagt Wissenschaftlerin Holstein. Doch sie schränkt ein: «Die ausschließliche Konzentration auf familiäre Unterstützung kann für die Betroffenen dauerhaft nicht zufrieden stellend sein.»

Nach dem Verlust des Partners verändern sich auch die Kontakte zu Freunden und Bekannten, sagt Trauerberaterin Dobroschke-Bornemann: «Früher waren sie zu zweit mit anderen Paaren zusammen. Nun fühlen sie sich wie das fünfte Rad am Wagen und spüren, dass in ehemals unkomplizierten Kontakten plötzlich Befangenheit herrscht.»

Doris Wolf, Psychotherapeutin und Autorin aus Mannheim, empfiehlt, sich auf das Positive zu konzentrieren: «Wenn man die Phase der Trauer durchlaufen hat, kommt die Zeit der Fragen: Was möchte ich in meinem Leben jetzt tun? Gibt es Interessen, die ich aus Rücksicht auf den Partner zurückgestellt habe?»

Manchen Betroffenen helfen klare Veränderungen im Leben - «vielleicht sogar der Auszug aus der alten, gemeinsam bewohnten Wohnung», erklärt Soziologin Holstein. Andere brauchen gerade die Erinnerung durch das gewohnte Umfeld, um sich wohl zu fühlen. «Im ersten Jahr nach dem Verlust des Partners sollten aber möglichst keine grundlegenden Entscheidungen getroffen werden», empfiehlt Trauerberaterin Dobroschke-Bornemann.

Neue Freundschaften zu finden sei weniger schwer als oft angenommen, sagt Holstein. «Viele Verwitwete staunen, wie schnell neue Kontakte entstehen.» Dabei schaffen manche den Sprung in ein aktives und zufrieden stellendes Leben von allein, andere brauchen einen kleinen Schubs durch Freunde oder Familie.