Scheu und zahlreich - Rehe beobachten
Berlin/Hamburg/dpa. - Manche Tiere sind scheinbar überall, aber tatsächlich immer seltener anzutreffen - Spatzen etwa. Dagegen muss man nach anderen suchen, obwohl es jede Menge von ihnen gibt. Hierzu zählen Rehe.
Trotzdem ist es weitaus einfacher, sie zu beobachten, als vor allem viele Städter denken. Aber nicht nur im Frühjahr, wenn die Kitze zur Welt kommen, ist dabei Abstand wichtig. Wer einen Experten fragt, wie viele Rehe es in Deutschland gibt, wird wohl keine absolute Zahl zu hören bekommen.
«Wir haben das Problem, dass sich Rehe sehr schlecht bis gar nicht zählen lassen», sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung in Hamburg. Genau verzeichnet wird nur, wie viele der Tiere jedes Jahr geschossen werden. Und mit zuletzt jeweils etwas mehr als einer Million ist dieser Wert beträchtlich.
«Es gibt in manchen Regionen so viele Rehe, dass durch sie das ökologische Gleichgewicht durcheinandergerät», erklärt Julian Heiermann, Forstwissenschaftler beim Naturschutzbund Deutschland (NABU) in Berlin. Die zur Familie der Hirschartigen gehörenden Tiere machen sich mit Vorliebe über die Knospen junger Bäume her. «Viele Bäume können sich deshalb gar nicht mehr natürlich regenerieren.»
Rehe sind vor allem da unterwegs, wo sie sich schnell verstecken können, wenn sie sich bedroht fühlen. «Übergänge von Wiesen zu Wäldern bieten die besten Bedingungen», sagt Anke Nuy vom Deutschen Jagdschutzverband in Bonn. Zudem sind Rehe vor allem in der Dämmerung und bei Nacht aktiv.
Nahrung finden Rehe am ehesten im Wald. Wiesen sind zum Absetzen der Kitze wichtig, von denen die Ricken meist jedes Jahr eines oder zwei zur Welt bringen. «Das geht Anfang Mai los, und die letzten kommen Ende Juni», sagt Heiermann. In hohem Gras sind die Kleinen für ihre Feinde - Füchse oder auch Luchse - nur schwer zu entdecken.
Ähnlich wie Feldhasen lassen die Muttertiere ihre Kleinen in den ersten Wochen den größten Teil des Tages allein. Das verringert die Gefahr, dass Feinde auf das Versteck aufmerksam werden, zusätzlich. Im Sommer ziehen die Ricken dann zusammen mit ihrem Nachwuchs umher - die Böcke gehen alleine ihrer Wege. Im Herbst und Winter finden sich größere Gruppen von Rehen zu «Sprüngen» zusammen, erklärt Heiermann.
Um Rehe zu beobachten, geht man am besten in der Abenddämmerung raus, rät Wildbiologe Kinser. Auf Feldern können sich Neugierige den Tieren bis auf etwa 200 oder 300 Meter Abstand nähern, ohne von ihnen bemerkt zu werden. Deshalb sollte ein Feldstecher im Gepäck sein.
Auch Kitze lassen sich beobachten - wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben. «In den ersten sechs bis acht Wochen nach der Geburt werden sie von den Muttertieren verborgen, und da sollte man auch nicht nach ihnen suchen», sagt Kinser. Wer auf ein allein daliegendes Babyreh stößt, darf es auf keinen Fall berühren. «Denn ein vermeintlich einsames Kitz ist gar nicht einsam - es ist ja gerade der Trick, dass die Mutter nicht zu oft vorbeikommt», sagt Anke Nuy. Hält sich ein Spaziergänger nicht daran, dann riskiert er, dass die Ricke ihren Nachwuchs nicht mehr versorgt, weil der menschliche Geruch sie irritiert.