Ufo-Tourismus Ufo-Tourismus: Aliens im Supermarkt
Halle (Saale)/MZ. - Man braucht nicht lange, um zu merken, dass in Roswell alles ein wenig anders läuft als in den meisten Städten. "Bitte anschnallen! Damit fällt es Außerirdischen schwerer, Sie aus dem Auto zu saugen", mahnt die Polizei. In der Lokalzeitung erklärt ein kleines grünes Männchen den Wetterbericht. Auf der Main Street, der Hauptverkehrsader der amerikanischen Kleinstadt, drängt sich ein Souvenirshop an den nächsten. Vom geheimen Roswell-Bericht bis zur Laserkanone bietet die Shoppingmeile alles, was das Herz des Verschwörungstheoretikers begehrt. Damit das selbst nachts gut zu sehen ist, erhellen Straßenlaternen in Form von Alien-Köpfen die Gegend.
Roswell - vor 15 Jahren ein Kaff in der Wüste von New Mexico. Öl und Landwirtschaft bestimmten das Tagesgeschäft, dazu ein bisschen Industrie. Heute ist der Ort durch Kinofilme wie "Independence Day" nahezu überall auf der Welt bekannt. Wie kaum eine andere amerikanische Kleinstadt hat es Roswell geschafft, aus seiner Geschichte Kapital zu schlagen. Am 8. Juli 1947 veröffentlichte der PR-Offizier Walter G. Haut eine Pressemitteilung, die kurze Zeit später um die Welt ging: Eine fliegende Untertasse sei in der Wüste abgestürzt und von Soldaten des nahe gelegenen Luftwaffen-Stützpunkts geborgen worden. Kurz darauf dementierte das Militär die Meldung. Kein Ufo, sondern ein Wetterballon sei in Wahrheit niedergegangen.
Noch 1995 stand die Hälfte der Geschäfte in der Main Street leer. Dann kamen die Touristen - und mit ihnen der Umsatz. "Man kann nicht wirklich sagen, was damals passiert ist", sagt Tourismusmanagerin Renee Roach. "Jedenfalls wurde Roswell so bekannt, dass nun jedes Jahr neue Geschäfte und Hotels aus dem Boden schießen." In der Handelskammer sieht man das ähnlich: "Jeder Dollar, den die Leute ausgeben, lässt mich mehr an Aliens glauben", sagt die Leiterin Dorrie McCarthy.
Der galaktische Kommerz kennt kaum Grenzen. Lautsprecher dröhnen an den Geschäften der Main Street, um ihre Kunden mit "Alien-Musik" nach drinnen zu locken. Dort gibt es "Raumfahrer-Mineralwasser", Originalausgaben der Lokalzeitung von 1947 und T-Shirts mit dem Aufdruck "Wir wünschen eine schöne Entführung" zu kaufen. 120 000 US-Dollar, die hauptsächlich aus der kommunalen Übernachtungssteuer stammen, stellt die Stadt jährlich für ihre Selbstvermarktung bereit. Man mischt in Facebook mit, schaltet Banner, betreibt Werbung in Ufo-Foren. "Vieles läuft schon von selbst", sagt Tourismusmanagerin Roach. "Wir berappen keinen Cent dafür, dass im Indiana Jones-Film auf jeder geheimen Holzkiste Roswell steht."
Selbst die Fast-Food-Kette McDonald's ist vom Alien-Boom nicht verschont geblieben. Im Inneren der untertassenförmigen Stahlkonstruktion fliegt ein menschengroßer "McFlurry"-Shake im Raumanzug durch die Luft, daneben hängt eine gigantische Pommes-Schachtel mit Raketenantrieb.
Ein paar Häuserblocks weiter südlich ist der Ton ernster. "Bei uns kann man sich auf seriöse Art und Weise mit dem Roswell-Zwischenfall auseinandersetzen", sagt Julie Shuster und beugt sich über ihren mit Büchern gefüllten Schreibtisch. Shuster leitet nicht nur das internationale Ufo-Museum; sie ist auch die Tochter von Walter Haut - jenem Militär, der 1947 mit der Pressemitteilung für Furore sorgte. Seit der Tourismusboom Ende der 90er Jahre einsetzte, wurden aus 1 400 jährlichen Besuchern plötzlich 135 000. Besser könnte es eigentlich nicht laufen, und doch kann sich Shuster nicht so recht freuen. "Als mein Vater das Museum gründete, haben uns alle als unchristlich beschimpft, weil wir an Außerirdische glauben. Jetzt, wo es Geld in die Kassen spült, unterstützen plötzlich alle den Tourismus."
Bürgermeister Del Jurney will den Verteilungskampf um die Ufo-Millionen nun entschärfen. Was 1947 allerdings genau passiert ist, möchte auch das Stadtoberhaupt am liebsten gar nicht wissen: "Das ist Teil des Mysteriums. Je geheimnisvoller Roswell ist, desto mehr Leute kommen."