Thüringen Thüringen: Krämerbrücke in Erfurt ist ein lebendiges Denkmal
Halle (Saale)/MZ. - Biersenf aus Kleinhettstedt kommt in die Holzkiste. Dann Oma Friedels leckerer Schokoeiertraum. Das supergesunde Senföl. Die Preiselbeeren von der Eisenberger Marmeladenmanufaktur. Die Wanderstocksalami aus Oberweißbach. Und schließlich der Grauburgunder vom Weingut Bad Sulza - macht 55,20 Euro für dieses besonders gefragte Paket. Mit flinken Fingern tanzt Bettina Vick über die Tasten des Rechners. Die charmante Chefin des Thüringer Spezialitätenmarktes hat alle Hände voll zu tun. Nebenbei beantwortet sie Fragen zu ihren etwa 800 Produkten, die ausschließlich aus Thüringen stammen und weggehen wie warme Semmeln.
Das Geheimnis ihres Erfolges hat aber auch mit dem Standort des Ladens zu tun. Dieser befindet sich auf der Krämerbrücke, Erfurts bekanntestem Wahrzeichen. Eine kulturhistorisch wie technisch außergewöhnliche Attraktion, denn mit etwa 125 Metern ist es die längste vollständig mit Häusern bebaute und bewohnte Brücke Europas. Die attraktive Hülle ist das eine. Doch für die Anziehungskraft der Krämerbrücke als Tourismusmagnet sorgen vor allem die Menschen, die hier wohnen und arbeiten. Händler und Handwerker, Künstler und Kreative, die Tür an Tür in ihren Läden, Ateliers und Cafés teils einzigartige Dinge fabrizieren und verkaufen. Eine Mixtur, die es so und auf so engem Raum kaum ein zweites Mal gibt.
Martin Gobsch etwa mit seinem mechanischen Theater. Wer einen oder zwei Euro in den Fensterschlitz einwirft, bekommt eine bezaubernde Version von Schneewittchen präsentiert. Der Puppenbauer hat dabei das gesamte Märchen nicht nur in einen Spiegelrahmen eingepasst, alles bewegt sich auch noch auf allerliebste Art und Weise: Die Zwerge, die böse Stiefmutter und sogar ein winziger Rabe, der den Schnabel öffnet und dabei seinen Rücken krümmt.
Dass der 32-Jährige einen der begehrten Plätze auf der Krämerbrücke günstig mieten konnte, verdankt er seinem Metier und dem weitsichtigen Nutzungskonzept der Stadtväter. "Natürlich könnte man Läden und Wohnungen exklusiv vermieten", sagt Hartmut Zimmermann von der Stiftung Krämerbrücke, "aber damit würden wir das Flair ruinieren und die Atmosphäre zerstören." Im Haus der Stiftungen erklärt der Denkmalpfleger, wie die Brücke gehegt und gepflegt, restauriert und saniert worden ist, übrigens auch schon zu DDR-Zeiten. Zum Beispiel der Straßenbelag: Die Pflastersteine dafür stammten - kein Witz - aus dem Abriss einer alten buckeligen Ost-Autobahn. Nach 1990 ging es dann verstärkt an die Häuser. Und auch wenn noch immer einiges zu tun bleibt, "so schön wie heute war die Krämerbrücke seit Jahrhunderten nicht", freut sich Zimmermann.
Eine Praline mit Chili? Heiße Schokolade mit Ingwer? Das bekannteste Brücken-Zugpferd steckt im Haus mit dem goldenen Helm über der Tür. Auch wenn der Laden auf der Krämerbrücke inzwischen längst zu klein und die eigentliche Goldhelm Schokoladenmanufaktur im Werkstattcafé hinter der Brücke ihre vielen Leckerlis herstellt. Dort probieren wir uns mit Geschäftsführer Dirk Frommberger durch die Produktwelt der Marke Goldhelm. Testen Trüffel, Pralinen und Eissorten, die es nirgendwo sonst auf der Welt gibt. Erfahren, dass Goldhelm auf Konservierungsstoffe verzichtet, stark auf saisonale Produkte setzt und dass es richtiges Schokoladenwetter braucht für den perfekten Glanz auf dem edlen Produkt.
Sogar stilecht residieren kann man auf der Krämerbrücke. Im denkmalgeschützten und umfassend sanierten Haus zum Roten Turm fanden auf zwei Etagen sechs Turmzimmer Platz. Moderne Ausstattung in uraltem Gemäuer und teilweise unter originalen, buntbemalten Balken - das hat schon was! Für Hoteldirektor Sebastian Brandt ein ganz logischer Standort, schließlich sind im Mittelalter die Fuhrwerke direkt zum Vorgänger-Gasthaus gezogen, um an der Brücke zu schlafen.