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Entdeckungen im Baltikum So wild ist Estlands Winter - 7 Inspirationen

Schräge Bräuche und coole Erlebnisse: Das ist Estland im Winter. Da hält man auf dem Fatbike die Balance hinter Schlittenhunden, härtet sich in der Ostsee ab oder wandert durchs vereiste Moor.

Von Andreas Drouve, dpa 29.12.2025, 00:05
Die Holzplanken führen sicher durchs Moor Kakerdaja - die Schneeschuhe sind geschultert.
Die Holzplanken führen sicher durchs Moor Kakerdaja - die Schneeschuhe sind geschultert. Andreas Drouve/dpa-tmn

Tallinn - Die Kälte im Iglupark von Tallinn fordert heraus. Nach den Saunagängen in den Holzhäuschen taucht man seinen Körper in die vier Grad kühle Ostsee. Rauno Roden härtet sich so vor der Arbeit ab - und gibt Tipps für die Abkühlung in dem Hafenbecken: „Nicht schwimmen, sondern ruhig auf der Leiter hinein und daran festhalten. Und die Hände aus dem Wasser schauen lassen, sonst ist das ein Effekt wie Nadelspitzen“, sagt der Chef einer Vorhangfabrik in der estnischen Hauptstadt.

Die Morgensauna im Iglupark hat täglich ab 8.30 Uhr bis zur Mittagszeit geöffnet, zum Festpreis von 20 Euro. Dafür gibt es neben der körperlichen Abhärtung eine geradezu hypnotische Ruhe beim Blick durch die Glasfronten der Saunahütten aufs Eisgrau des Meeres, über dem Möwen umher gleiten und der Wind die Wellenkämme zerstäubt. 

Estland im Winter also. Warum nicht? Hier gibt es alles, was man sich von nordischem Winterurlaub verspricht - von Sauna bis zum Hundeschlitten. Und sogar Kulinarik, die Heimatgefühle weckt. Sechs weitere Inspirationen:

1. Fatbike hinter Schlittenhunden

Wo ist der Sattel, wo sind die Pedalen? Dieses Fatbike ist nicht zum Radeln gedacht. Es hängt an Thor - er ist drei Jahre alt, ein Alaskischer Malamute und daran gewöhnt, etwas durch den Schnee zu ziehen. Dass der Hund nach dem nordischen Donnergott benannt ist, kommt nicht von ungefähr: Thors Kraft explodiert beim Start. Ich muss den Lenker fest im Griff haben.

Die Balance bei der Waldrunde im Park Klein-Lappland, 60 Kilometer südöstlich von Tallinn, erfordert Konzentration. Aufwärts drückt man sich ab, wie bei einem Tretroller. Bei Abfahrten erreichen wir mehr als 20 km/h. Eispfützen knirschen. Thor prescht über Wurzeln, biegt scharf in Wegknicks ein. Zweige peitschen gegen Schutzhelm und Skibrille. Die Muskeln stehen in Dauerspannung. Am Ende stürzen sich Mensch und Tier auf ihre Drinks. Wasser für Thor. Ein Kräutertee für mich. Zum Wärmen, und zur Beruhigung.

Die Fatbike-Tour mit Schlittenhunden kostet 125 Euro.(http://indietours.ee/small-lapland)

2. Glamping in Spiegelhütten

Hinter der Ostseebucht Ihasalu verschwimmen Bilder und Perspektiven. Fast unwirklich liegen hier die spiegelverglasten Glamping-Hütten im Forst - ja, es ist glamouröses Camping, das Interieur ist komfortabel, das Design holzbetont und modern. Doch der Luxus ist die Natur rundum. Aus dem Bett schaut man auf Kiefern, bei Sonnenaufgang liegt der nahe Strand menschenleer da und der Goldschein des Morgens setzt die vereisten Halme im Sand in Szene.

(ÖÖD Hötels Laheranna - https://stayood.com

3. Sauerkrautsalat zubereiten

Nicht nur die Deutschen schwören auf Sauerkraut. Die Esten packen es in allen Variationen in ihre Winterküche. 

„Wir machen Salate aus Sauerkraut, meine Mutter gibt Gerstengraupen und Zucker hinein“, erzählt Köchin Reilika Lelov, die in einem Altstadthaus in Tallinn Kochkurse gibt (drei Stunden für 65 Euro). Lelov verteilt Lachsstreifen auf dem Salat. Das Dressing besteht aus Wacholdersirup, Rapsöl, Salz, Senf. Das Kraut schmeckt süßlich-mild, nicht sauer. 

Zur kühlen Jahreszeit lieben die Esten auch Blutwurst aus dem Ofen. Dazu gezuckerte Preiselbeeren, die in den Wäldern wie Unkraut wachsen. Oder Kartoffelsalat mit Äpfeln und viel Sour Cream. 

(Anmeldung zu den Kochkursen per Mail: [email protected])

4. Schneeschuhwandern im Eismoor

Ein langer Holzplankenweg zieht sich durchs vereiste Hochmoor Kakerdaja. Ohne eine fachkundige Führerin wie Mari Toom sollte man diese rutschfesten Bohlen nicht verlassen. Doch Toom weiß, wo man die Winterwanderung mit Schneeschuhen fortsetzen kann. Ein zugefrorener See gleißt in der Sonne. Niemand ist unterwegs. Im Moor knirscht, knackt und knarrt es.

Zwergbirken, Kiefern, Heidekraut und Cranberrysträucher schauen aus dem Weiß der Landschaft. Es ist auf seine eigene Art ein Winterwunderland.

(Schneeschuhwandern über Anbieter wie 360° - http://360.ee - und Toosikannu - http://toosikannu.ee

5. Archaisches Saunieren

Man spürt leichtes Kratzen im Hals und einen Anflug von Ruß in der Nase: Rauchsauna-Häuschen haben keinen Schornstein. Der Qualm zirkuliert während des stundenlangen Anheizens, dann verschwinden die Schwaden. Das Kratzen und Nasenkribbeln wird durch die Feuchte der Aufgüsse vertrieben.

Es ist die vielleicht archaischste Art zu saunieren. Fasst man an Decke und Wände, sind die Finger schwarz – beim Griff ins Haar spürt man heißes Stroh. Die Rauchsauna zählt zum immateriellen Kulturerbe der Unesco, und ist typisch für das Land: Wäre sie schädlich, so heißt es, gäbe es keine Esten mehr. 

(Rauchsaunen gibt es zum Beispiel auf Farmen wie Mustjoe - https://mustjoe.ee/ - und Mooska - https://mooska.eu/)

6. Im Tipi beim Ex-Olympioniken

Marko Aleksejev erdet seine Gäste so richtig: Mitten in den Wald hat der ehemalige Leistungssportler ein Winter-Tipi gebaut und mit einer Feuerschale ausstaffiert. Die Betten bestehen aus Tannenzweigschichten, einer Luftmatratze, einer Schafwolldecke und Rentierfell. Schlafsäcke kosten eine Leihgebühr. „Die wichtigste Person im Raum ist das Feuer, das darf nicht ausgehen“, sagt Aleksejev. 

Neben der urigen Übernachtung bietet der Hochspringer und Ex-Olympionike eine zweitägige Wanderung durch die Einsamkeit an. Dann zeigt er Wolfs- und Luchsfährten, setzt abends am Lagerfeuer Kiefernadeltee auf und bereitet Spieße mit baltischen Heringen, Stockbrot und Kartoffeln direkt aus der Glut zu.

(Winter-Tipi von Preeriakoda - http://preeriakoda.ee

Informationen zu Land und Anreise

Reiseziel: Estland ist etwas kleiner als Niedersachsen. Es ist das nördlichste Land des Baltikums und grenzt an Lettland und Russland. Über die Hälfte des dünn besiedelten Landes ist bewaldet, rund ein Viertel steht unter Naturschutz und kein Punkt liegt weiter als zehn Kilometer von einem Moor entfernt. 

Anreise: Direktflüge etwa von Frankfurt am Main, München und Berlin nach Tallinn, oder mit Umstieg über Riga, Vilnius oder Stockholm.

Weitere Informationen: http://visitestonia.com/de