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Serie: EM-Städte Serie: EM-Städte: Breslau ist die Clubbing-Hochburg Polens

20.04.2012, 08:19
Man trifft sich am Rynek – längs des Marktplatzes im Stadtzentrum stehen eine Reihe schöner Häuser. Fast alle waren während des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt worden und wurden wieder aufgebaut. (FOTO: DPA)
Man trifft sich am Rynek – längs des Marktplatzes im Stadtzentrum stehen eine Reihe schöner Häuser. Fast alle waren während des Zweiten Weltkriegs schwer beschädigt worden und wurden wieder aufgebaut. (FOTO: DPA) dpa-tmn

HALLE (SAALE)/MZ/DPA/DMN. - Die tollste Stadt in Polen? Krakau haben da einige schon immer genannt, Danzig die nächsten oder Warschau die hippen Szenegänger und Metropolenjunkies. Breslau, auf Polnisch Wroclaw, hatte lange keiner so wirklich auf der Liste, in Polen nicht - und im Ausland schon gar nicht. Aber das ändert sich jetzt. Breslau, die Europäische Kulturhauptstadt 2016, ist auf der Überholspur, eine wirtschaftliche Boomtown, wo sich etliche internationale Unternehmen von IBM über Volvo bis Toshiba angesiedelt haben. Und ein Ziel, wie gemacht für Städtetouristen, die Cafés, Restaurants, Clubs, Museen, Kunst, Kultur und eine ausgesprochene schöne Altstadt schätzen.

Breslau ist in vieler Hinsicht besonders. Mit rund 640 000 Einwohnern hat es ungefähr so viele wie vor dem Krieg, als es noch zu Deutschland gehörte. Die damaligen Einwohner mussten die Stadt vollständig verlassen, die neuen hatten zuvor selbst ihre Heimat verloren. Das Stadtzentrum war weitgehend zerstört – doch daran erinnert heute so gut wie nichts mehr. Breslau ist lebendiger und farbenfroher als je zuvor.

Bester Treffpunkt ist der Rynek

Der Rynek, der Platz rund ums mittelalterliche Rathaus mitten in der Altstadt, kann mit dem von Krakau locker mithalten. Der ist zwar berühmter und ein kleines bisschen größer. Dafür ist der in Breslau älter und mindestens genauso schön, wenn nicht sogar schöner. Breslau nennt sich heute „miasto spotkan“. Das lässt sich nur schwer übersetzen und heißt so viel wie „die Stadt, in der man sich trifft“. Der beste Treffpunkt ist der Rynek – zu jeder Tageszeit.

Denn der Rynek schläft nicht: Auch ohne Fußballfans ist dort immer etwas los. An der einen Ecke spielt ein Gitarrist, vor dem Rathaus tanzt ein Feuerschlucker mit zwei Fackeln in jeder Hand, eine Gruppe gut gelaunter Pfadfinderinnen sammelt sich an der Stelle, wo früher der Galgen stand. Rund um den Rynek gibt es nichts, was es nicht gibt: Hostels und Banken, das vegetarische Restaurant neben dem Pizza-Bäcker, den Sushi-Schuppen neben dem Fastfood-Tempel, die Pierogarnia – wo leckere Pirogi serviert werden - oder die Bierhalle, die praktischerweise gleich auf Deutsch so heißt. Deutsche sind traditionell die größte Gruppe ausländischer Gäste.

Zu den gastronomischen Betrieben mit der längsten Tradition gehört der Schweidnitzer Keller in den Gewölben des Rathauses: Schon 1273 hatte der Stadtrat das Monopol für den Ausschank von Bier, das nicht aus Breslau selbst stammte. Und damit ließ sich offenbar gut verdienen. Denn der Keller wurde über die Jahrhunderte regelmäßig erweitert. Heute probieren Besucher dort polnische Spezialitäten wie Bigos, dunkles, tschechisches Bier und zum Abschluss gerne einen Wodka. Sie sitzen behaglich zusammen, wo früher schon Goethe, Chopin oder Gerhart Hauptmann gesessen haben - der Literaturnobelpreisträger ist in Breslau zur Schule gegangen.

Wo gibt es Public-Viewing?

Direkt am Rynek arbeiten Pawel Margol und Wojciech Zalewski von der Stadtverwaltung im Euro-2012-Büro. Die beiden sehen einem ziemlich unruhigen Sommer entgegen: Sie haben die Fanmeile direkt vor der Haustür. Denn Breslau hat seine Public-Viewing-Bereiche in bester Lage, schöner geht's nicht: Ein Teil der Fanmeile vom 8. Juni bis 1. Juli ist auf dem Rynek selbst, ein anderer auf dem benachbarten Plac Solny, dem Salzmarkt. Bis zu 25.000 Menschen sollen dort auf Großbildleinwänden Eckstöße und Torschüsse verfolgen, Siegtreffer bejubeln und über Fehlentscheidungen der Schiedsrichter meckern.Weitere Public-Viewing-Areas wird es auf den Oder-Inseln Wyspa Slodowa (Vordere Bleiche) und der Wyspa Piaskowa (Sandinsel) geben. Für die Zeit der EM erwartet die Stadt bis zu 500.000 Gäste. „Vor allem aus Tschechien werden viele Fans kommen“, sagt Wojciech Zalewski. „Die tschechische Mannschaft hat in Wroclaw ihre Basis und wohnt im 'Hotel Monopol'. Und Tschechien hat alle drei Vorrundenspiele bei uns.“ Hinzu kommt, dass Prag nur gut 270 Kilometer entfernt ist - nach Berlin sind es allerdings auch nur 70 Kilometer mehr.

Fußball hat in Breslau Tradition. Die erste Meisterschaft in der Stadt gab es 1903. Heute jubeln die Fans für WKS Slask Wroclaw. Das Team spielt in der polnischen Liga ganz vorne mit und hofft in diesem Jahr auf den Meistertitel. Inzwischen ist die Mannschaft im neuen Stadion zu Hause, in dem bei der EM drei Vorrundenspiele angepfiffen werden. Es hat im September eröffnet und bietet Platz für gut 42.000 Zuschauer. Die Außenhaut aus teflonbeschichteter Glasfaser soll während der EM bunt leuchten und Betrachter an einen Lampion denken lassen.

Bunt ist es aber auch innerhalb des fast 40 Meter hohen, sechsgeschossigen Stadions: Sämtliche Stühle sind poppig-grün - angelehnt an die Vereinsfarben des Breslauer Clubs. Und von oben kommt Sonnenlicht. Das Stadiondach ist nicht komplett geschlossen, der Himmel über Breslau also immer zu sehen. „Für Busse, Bahn und Tram gibt es am Stadion eine Haltestelle“, sagt Pawel Margol. „Bis in die Innenstadt sind es 15 Minuten.“

Eine neue Umgehungsstraße leitet den Verkehr am Zentrum vorbei direkt am Stadion entlang. Nach den Spielen, wenn Tausende von Fans aus dem Stadion strömen, wird es sicher etwas länger dauern auf dem Weg zurück ins Zentrum. Aber das dürfte nicht schlimm sein. Zu spät kommen geht gar nicht, auf dem Rynek ist schließlich immer etwas los. (dpa)

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