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Rocky Mountain High Rocky Mountain High: In Colorado gibt's Butterfahrten für Kiffer

16.01.2014, 16:30
„Ich glaub', ich steh' im Wald.“: In Colorado blüht bald der Cannabis-Tourismus. Seit Jahresbeginn ist Kiffen hier legal.
„Ich glaub', ich steh' im Wald.“: In Colorado blüht bald der Cannabis-Tourismus. Seit Jahresbeginn ist Kiffen hier legal. dpa-tmn

Denver/DPA - Butterfahrten sind out. Der neueste Hit sind Kiffer-Touren - jedenfalls in Colorado. Auf Rezept bekommt man Marihuana hier schon seit 2000. Mit Beginn des neuen Jahres sind Cannabisprodukte für Erwachsene ab 21 Jahren jetzt auch als Genussmittel erlaubt - zum ersten Mal in den USA. „Damit sind wir diese lästige Nebenwirkung endlich los“, sagt Mike Hawley und grinst. „Dass Du nämlich in den Knast wanderst, wenn du zum Spaß Gras rauchst.“ Für den guten Überblick, was ab sofort ganz legal und ganz lokal auf dem Markt zu finden ist, hat der gemütliche Mittfünfziger aus Denver mit Schnurrbart und Spitzbauch erst mal eine Marihuana-Tour gebucht.

Big Business im grünen Gewerbe

Für Hawley ist es die große Befreiung. Andere wittern Big Business im grünen Gewerbe - wie Matt Brown, den Mitbegründer von „My 420 Tours“. Bis weitere Bundesstaaten wie Washington im Laufe des Jahres nachziehen, erwartet der gewiefte Jungunternehmer Pot-Pilger aus dem ganzen Land und vielleicht sogar aus Übersee. Mit den vielen Nationalparks und seinen bekannten Skigebieten ist der Tourismus schon heute eine Multi-Millionen-Dollar-Industrie für den Staat in den Rocky Mountains. Marihuana-Touren seien nur eine weitere Facette, glaubt der studierte Betriebswirt: „Leute kommen sowieso her und schauen sich um.“ Und dabei könnten sie ab sofort eben auch einen Joint rauchen.

Das staatliche Fremdenverkehrsamt Colorado scheint wenig begeistert von dem Gedanken, in den beliebten Folksong „Rocky Mountain High“ von John Denver – hier übrigens offizielles Staatslied – einen neuen Unterton hineinzulesen. Momentan gibt es keine Pläne, die Legalisierung der Droge aktiv zu vermarkten. „Denver ist eine junge, aufregende Stadt mit einer lebendigen Kunstszene“, sagt Rich Grant, Pressechef vom örtlichen Verkehrsbüro. „Hier gibt es auch so genug zu sehen.“

„Wir haben es geschafft!“

Gerade fahren zwei gemietete Limousinen-Busse vor, bullig, schwarz und mit verdunkelten Scheiben. Die Fahrer tragen schicke Mäntel und Hemdkragen. Drinnen versprenkeln Discolämpchen bunte Lichtpunkte. Matt Brown, selber Marihuana-Patient mit chronischem Darmleiden, klettert hinein und stellt sich stolz zwischen lange Polsterbänken. „We made it“, ruft er und reckt triumphierend die Rechte in die Höhe. „Wir haben es geschafft!“ Ein Vorbild solle Colorado sein. Niemand brauche sich nicht mehr hinter Rezepten zu verstecken. Beifall von allen Seiten.

Startpunkt sind heute die Büros einer Firma, die Cannabis-Vaporisatoren vertreibt. Diskret und klein wie Kugelschreiber sind solche Inhalationsgeräte, die berauschende Wirkstoffe verdampfen und krebserregende Verbrennungsprodukte reduzieren sollen. Marihuana in der Öffentlichkeit zu konsumieren, ist verboten. Bald wabern Rauchfahnen durch den Privatbus.

Denver wird „Cannabis Capital“

Die erste Schnuppertour mit dem Titel „In die neue Ära“ ist heute gratis. Freunde der Organisatoren, Geschäftspartner und Medienleute sind an Bord und die Gewinner eines Preisausschreibens. Ohne Anreise und Unterkunft soll eine Mehrtagestour künftig um die 1000 Dollar (rund 730 Euro) kosten, je nach Paket und Dauer. Dafür werden anreisende Cannabis-Connaisseurs vom Flughafen abgeholt, raucherfreundliche Hotels gebucht, Marihuana-Kochkurse organisiert und Workshops für eine gelingende Hanfzucht daheim angeboten. Besucht werden kommerzielle Anbauer und selbstverständlich die „Dispensaries“ genannten Verkaufsstellen.

Nach Angaben von Julie Postlethwait vom staatlichen Finanzamt wurden bisher 355 Marihuana-Lizenzen ausgegeben, davon 140 für Einzelhändler. Die meisten Geschäfte werden sich auf Denvers Stadtgebiet konzentrieren. Damit könne es in „Cannabis Capital“ nach Einschätzung der Tageszeitung „Denver Post“ bald mehr Marihuana-Märkte als Starbucks-Filialen oder Läden für Alkohol geben. Gut drei Dutzend haben bisher eröffnet.

Leere Regale und anziehende Preise

„Bud Med“ ist einer davon, eher unscheinbar mit grasgrünen Markisen aber langen Warteschlangen vor dem Eingang. Er ist die erste Station der „My 420 Tour“. Die Zahl ist ein ehemaliges Codewort in der Szene. Fürsorglich hat Inhaberin Brooke Gehring heute einen Imbisswagen aufgestellt. Warten macht hungrig. Dreieinhalb Stunden hat Isaac Carmona in der Kälte ausgeharrt. „Part of History“, also ein Teil der Geschichte, wollte der 21-Jährige sein und präsentiert jetzt stolz eine braune Packpapiertüte.

Coloradans dürfen maximal eine Unze (28 Gramm) Cannabisblüten kaufen, die im Moment durchschnittlich 400 Dollar kostet. Davon sind 60 Dollar Steuern. Für Auswärtige liegt das Limit bei sieben Gramm. Darum überlegen die aus Chicago angereiste Sasha Minkov (21) und ihr Freund Jack Hibben (23), ob sie nicht besser gleich ganz herziehen sollten. Wegen des Ansturms sind mancherorts die Regal leer und die Preise heftig gestiegen. Essbare Cannabisprodukte – Lutschtabletten, Saft und Kekse mit Marihuana-Infusion – sind besonders beliebt. „Keine Ahnung, wann ich wieder Erdbeerriegel reinkriege“, sagt Brooke Gehring und zuckt mit den Schultern.

Kiffer-Tour endet im Gewächshaus

Der nächste Stopp ist eine Lagerhalle im Industriegebiet. So sieht es also aus, wenn Marihuana aus dem Dunkeln ins Licht tritt: Angestrahlt von gleißenden Neonröhren in weiß getünchten Hallen wuchern in Räumen, die so groß sind wie zehn Garagen, knapp 4000 Pflanzen in hüfthohen Holzkästen und unterschiedlichen Stadien. Betriebsleiter Jimmy Creason erzählt von Wachstumshormonen, Bestrahlungsintervallen und verschiedenen Cannabisstämmen, die sedierend oder belebend wirken können. Die Stimmung ist andächtig. Proben werden nicht verteilt, auch keine Wolldecken, zum Abschluss aber ein kostenloser Vaporisator. Mike Hawley steckt gern einen ein.

Denver ist die Hauptstadt des westlichen US-Bundesstaates Colorado. Im Großraum leben 2,5 Millionen Menschen. Mehrere Unternehmen bieten hier Marihuana-Touren und -Aktivitäten an.

Denver liegt auf einer 1600 Meter hohen Ebene zu Füßen der Rocky Mountains. Es herrscht ein trockenes Halbwüstenklima mit 300 Sonnentagen pro Jahr.

Lufthansa und United Airlines fliegen direkt von Frankfurt am Main nach Denver. Reisende brauchen einen Reisepass, der für die gesamte Aufenthaltsdauer gültig sein muss. Deutsche Urlauber brauchen in den USA kein Visum, müssen unter https://esta.cbp.dhs.gov aber eine elektronische Einreiseerlaubnis einholen. Sie kostet 14 Dollar (etwa 11 Euro) und gilt zwei Jahre.

Colorado Tourism Office, Neumarkt 33, 50667 Köln (Tel.: 0221/233 64 07, Email: [email protected]).

Zum ersten Mal in der Geschichte der USA erlauben 2014 zwei Bundesstaaten den Verkauf und Genuss von Marihuana zu nicht-medizinischen Zwecken.
Zum ersten Mal in der Geschichte der USA erlauben 2014 zwei Bundesstaaten den Verkauf und Genuss von Marihuana zu nicht-medizinischen Zwecken.
dpa Lizenz
Schön vorsichtig, bloß nichts verschwenden: Auf den neuen Cannabis-Touren in Colorado lernen Laien-Kiffer von den Profis.
Schön vorsichtig, bloß nichts verschwenden: Auf den neuen Cannabis-Touren in Colorado lernen Laien-Kiffer von den Profis.
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So fängt's an: Vom Gewächshaus bis zum Vaporisator führen die neuen Kiffer-Touren in Colorado.
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