Flightsharing Flightsharing: Mitflugzentralen sind der neue Trend

In diesem Leben gibt es nichts umsonst. Das gilt insbesondere für die Share Economy. Warum gratis teilen, wenn es gegen Geld auch funktioniert? Dem World Wide Web sei Dank. Mitflugzentrale war gestern. Wer heutzutage etwas kommerziell zu teilen anbietet, tritt jung und cool auf – Start-up-Modus eben – und nennt sich Coavm, Flyt-Club, Offwefly, Skyüber oder Wingly.
Auslöser des Gründungsbooms von Mitflugzentralen ist der neu zugefügte Absatz 4a der EU-Verordnung Nummer 379/2014 vom 7. April 2014: Der erlaubt, dass „Flüge von Privatpersonen auf Kostenteilungsbasis unter der Bedingung, dass die direkten Kosten von allen Insassen des Luftfahrzeugs, einschließlich des Piloten, geteilt werden und die Anzahl der Personen, die die direkten Kosten teilen, auf sechs begrenzt ist“. Was also bis dato schon in der Bundesrepublik möglich war, nämlich die Kosten eines Privatflugs auf die Zahl der Mitflieger umzulegen, ist ab sofort auch EU-weit zulässig.
Einem schnellen Trip von Köln nach London in einer kleinen Propellermaschine steht damit nichts mehr im Wege. In Deutschland geht die Branche von rund 40.000 Privatpiloten aus, EU-weit von zirka 300.000. Doch fliegen ist teuer und Piloten müssen für den Erhalt ihrer Fluglizenz je nach Flugklasse bestimmte Pflichtflugstunden in einem festgelegten Zeitraum nachweisen. Mindestens 100 Euro pro Stunde Charter kostet eine Maschine. Da kommt es gelegen, wenn Treibstoff, Flughafengebühren und Flugzeugcharter auf mehrere Personen verrechnet werden. Am Flug verdienen darf der Pilot aber nicht. Auch ein Trinkgeld ist nicht erlaubt, denn der Flug darf nicht gewerblich sein.
Beliebt vor allem Rundflüge
Den Passagieren versprechen die Anbieter ein hautnahes Flugerlebnis inklusive Cockpitnähe, herrlichen Aussichten aufs Land und mulmigen Gefühlen in der Kurvenlage oder bei schwankender Thermik. Pragmatiker schätzen zudem die Geschwindigkeit: schnell mal von A nach B düsen, ohne Stau und Ampeln. Die Mitflugpreise bewegen sich je nach Strecke zwischen 60 und 300 Euro pro Person. Beliebt sind besonders Rundflüge und die Strecken nach Sylt und Usedom.
Unter den Start-ups versuchen derzeit vor allem Wingly.io und Flyt-Club in der Bundesrepublik an Boden zu gewinnen. Beide Portale ermöglichen mit einfach aufgebauten Websites das schnelle Suchen nach Flügen. Eine ansprechende Optik mit Fotos, Bewertungen und Live-Online-Hilfe soll eine Community aufbauen. Registrierung ist auch über Facebook möglich, Chats eine Form der Kontaktaufnahme zwischen Pilot und Passagier, App vorhanden.
Nachfrage nach Privatflügen noch unklar
Lars Klein, Mitbegründer des französisch-deutschen Portals Wingly, rückt gern die ideelle Seite seines Portals in den Vordergrund: „Unser Ziel ist es, die Welt der privaten Luftfahrt auf dem ganzen Globus zu demokratisieren.“ Privatflüge also für jeden. Das ist ein Motiv, das andere besteht darin, bald Geld zu verdienen. Noch verbrennt Wingly Geld und sucht nach Anlegern. Zwar zählt die Firma schon 12.000 registrierte Mitglieder, darunter 2500 Piloten, aber vorerst ist die Vermittlung der Flüge kostenlos. Doch nicht mehr lange. Passagiere müssen demnächst eine Servicegebühr von zehn bis 15 Prozent des Sitzplatzpreises bezahlen. Eine Vermittlungsgebühr von mindestens fünf Euro beziehungsweise zehn Prozent erhebt heute schon Flyt-Club, ein Jungunternehmen aus Leipzig.
Ob die Nachfrage nach Privatflügen steigt, nur weil sich mehr Plattformen im Internet um ihre Vermittlung balgen, steht bis dato in den Sternen. Einer, der den Markt genau beobachtet, ist Martin Bott. Als Softwareentwickler hat er bereits 1994 mit Mitflugzentrale.de die erste deutsche Online-Vermittlung von Privatflügen ins Netz gestellt. Mehr Hobby als Start-up-Ambitionen trieben ihn damals. Denkbar spartanisch kommt diese Mitflugzentrale.de daher. Ein bisschen Text und in der linken Spalte ein nüchternes Navigationsmenü, selbst Google ist da bunter. Aber Bott kann mit den Angeboten der Konkurrenz mithalten. Wer nichts Passendes findet, kann zudem Mitfluganfragen stellen, vielleicht gibt es ja einen Piloten, der flexibel ist. „Die Leute wollen doch nur wissen, ob es ein Angebot gibt und wie man den Piloten kontaktiert“, erklärt Bott.
Auf Botts Website treten Interessenten direkt mit den Piloten in Kontakt, auch alle Details und die Bezahlung werden zwischen den Parteien direkt abgesprochen. „An Piloten und Passagieren will ich nichts verdienen.“ Doch die Site und die App verursachen Kosten. Bott möchte diese über Werbung finanzieren und denkt deswegen nach über 20 Jahren Mitflugzentrale.de über folgende Frage nach: „Müssen wir unsere Website den neuen Zeiten anpassen?“ (srt)