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Appenzellerland Die Schweiz und günstig? Zu Besuch im Feriendorf in Urnäsch

Die Genossenschaft Reka bietet in Urnäsch Familienferien, wie man sie in der Schweiz selten findet: mit dem Versprechen, bezahlbar zu sein. Ein Aufenthalt zeigt, was Touristen erwartet.

Von Evelyn Steinbach, dpa 30.07.2025, 00:05
Kinder dürfen im Feriendorf auch Ziegen füttern.
Kinder dürfen im Feriendorf auch Ziegen füttern. Andrea Campiche/Reka/dpa-tmn

Urnäsch - „Mama, ich glaube, die Zwei schafft’s!“ Der kleine Leo deutet auf ein Schwein mit zwei markanten Punkten auf dem Rücken. Es schiebt sich an vier Artgenossen vorbei, drängt sich nach vorn ans Gatter. Gleich beginnt das „Säuli“-Rennen, ein Wettspiel mit den Borstentieren, das man hier in Urnäsch seit Generationen kennt.

Gerade ist die Aufregung deshalb groß. Was darüber hinwegtäuschen mag, dass in Urnäsch, etwa 90 Kilometer vom Bodensee entfernt im Appenzellerland gelegen, ansonsten die Zeit stillzustehen scheint. Ist nicht gerade mal das Schweinerennen, hört man ungestört den Fluss rauschen, die Kuhglocken läuten. Und die Hügellandschaft ist ein Bild der Friedlichkeit.

Seit 15 Jahren ist der Ort eng mit dem Feriendorf Urnäsch der Schweizer Reisekasse Reka verbunden, die eigenen Angaben zufolge als Non-Profit-Organisation ihre Erträge unter anderem in nachhaltige Anlagen und die Reka Stiftung Ferienhilfe steckt. 

In Urnäsch bietet die Genossenschaft, wie in zehn anderen Reka-Dörfern in der Schweiz, Familienurlaub für Selbstversorger. Die Dörfer böten ein „sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis“, sagt Julia Scheidegger, Leiterin der Unternehmenskommunikation: „Alles Wichtige für entspannte Familienferien ist bereits im Preis inbegriffen - von eigenen Schwimm- oder Hallenbädern über einen kostenlosen Mietservice für Babyartikel bis hin zum Rekalino-Familienprogramm.“ 

Das „Säuli“-Rennen auf dem „Hofstöbli“ ist Teil des Freizeitprogramms. Nicht Größe oder Gewicht der Schweine zählen, sondern Schnelligkeit. Mehrere Familien haben sich auf dem Erlebnisbauernhof versammelt. Hier lebt die Familie Frick, die den Hof betreibt und sich um Kühe, Hühner und Schweine kümmert. Gelegentliche Events gehören dazu. 

„Hopp, hopp, hopp!“ – das Rennen beginnt. Die Schweine galoppieren los und überwinden geschickt die kleinen Hürden auf der Strecke. „Das Schwein, das seine Schnauze als erstes in den Futtertrog steckt, gewinnt“, erklärt Hansueli Frick, der heute den Hof vertritt. Leo jubelt, als sein Favorit, die Zwei, tatsächlich vor allen anderen das Ziel erreicht.

Das Reka-Prinzip: Ferien für alle

Ein Reka-Versprechen ist also vergleichsweise günstiger Urlaub. Günstig und die Schweiz, das scheint erst mal ein Gegensatz. Unter dem Motto „Ferien für alle“ betreibt die Genossenschaft ihre Feriendörfer. Dabei wird sie von Sozialpartnern unterstützt. Für Schweizer wird es günstiger, da einige Arbeitgeber ihren Angestellten „Reka-Geld“ zahlen, das ist steuerfreies Urlaubsgeld.

Aber auch Deutsche zieht es in die Reka-Dörfer, weil die Preise auch ohne Zuschuss moderat sind. Eine Woche im Feriendorf Urnäsch kostet ab 735 Franken (etwa 790 Euro) pro Ferienwohnung, in der Hochsaison 1.418 Franken (rund 1.520 Euro). Für vergleichbaren Urlaub kann man in der Schweiz auch sehr viel mehr ausgeben, wenngleich wahre Schnäppchenjäger vor allem in der Nebensaison auch außerhalb des Reka-Kosmos fündig werden können. Doch passt das oft nicht mit den Schulferien zusammen.

Die Reka-Wohnungen sind sauber, gut ausgestattet, und neben dem Schwimmbad gibt es Spielplätze, Gemeinschaftsräume. Alle Dörfer liegen in der Natur, nahe am Dorfleben und regionalen Attraktionen.

Wer Geselligkeit sucht, ist richtig. Kinder knüpfen schnell Kontakte, zum Beispiel bei der kostenfreien Kinderbetreuung. Eltern kommen spätestens bei gemeinsamen Ausflügen ins Gespräch. Es ist ein bisschen wie beim Campen, nur mit festem Dach über dem Kopf, mehr Komfort und Programm. 

Am ersten Tag in ein Pferd verliebt

Im Urnäscher Feriendorf wohnen Gäste in einer der 50 Ferienwohnungen mit ein bis zwei Schlafzimmern, Wohnküche, Bad sowie Balkon oder Terrasse. Alles ist gemütlich mit viel Holz eingerichtet. Von unserer Wohnung blicken wir auf Wiesen, Hügel und Kühe am Fluss. Ab und zu fährt ein Zug der Appenzeller Bahnen vorbei - fast unbemerkt.

Die Anlage ist überschaubar: Spielzimmer und Hallenbad sind nur wenige Schritte entfernt, Fußballplatz und Grillwiese liegen direkt gegenüber. Auch ein Pumptrack ist nicht weit. Ein weiteres Highlight für die Kleineren sind die Tiere. Kinder dürfen zweimal täglich Kaninchen, Ziegen oder Ponys füttern und finden schnell ihre Lieblinge.

Leo hat sich gleich am ersten Tag in ein hellbraunes Pferd verliebt. Ein Freiberger Kaltblut, eine ursprüngliche Schweizer Pferderasse, das auch die Kutsche zieht. Größere Kinder helfen beim Striegeln und Ausmisten. Ein Bauer ist stets vor Ort.

Gästeabend mit Raclette

Einmal pro Woche lädt das Feriendorf zum Gästeabend ein. Für 26 Franken pro Erwachsenem, 12,50 Franken für Kinder zwischen 6 und 15 und 6 Franken für Kinder zwischen 2 und 5 Jahren gibt es Raclette, eine Filmvorführung und Einblicke in regionale Bräuche.

Gastgeber Hans-Koni Frischknecht zeigt stolz seine kunstvoll gearbeitete Haube vom „Silvesterchlausen“, einem uralten Neujahrsbrauch, der jedes Jahr am 13. Januar gefeiert wird. Weitere Prachtstücke können im Appenzeller Brauchtumsmuseum Urnäsch besichtigt werden, in das Reka-Gäste kostenlosen Eintritt haben.

Nach ein paar Tagen lockt die Umgebung, insbesondere der Säntis. Der 2.502 Meter hohe Gipfel ist das Wahrzeichen des Appenzellerlandes. Eine Seilbahn schwebt steil hinauf. Oben weht ein kühler Wind, doch die Aussicht von der einst bemannten Wetterstation ist grandios.

Doch hier außerhalb des Dorfes schlagen Schweizer Preise zu: Die Berg- und Talfahrt kostet ab 16 Jahren 58 Franken (gut 62 Euro). Kinder ab sechs zahlen 29 Franken (31 Euro). Mal eben Bergluft schnuppern macht für eine Familie mit Kindern zwischen 6 und 15 Jahren schlappe 140 Euro.

Käse und Bergluft

Erschwinglicher ist ein Besuch der Appenzeller Schaukäserei in Stein. Für 32 Franken (knapp 35 Euro) kann die ganze Familie den Käsern bei der Arbeit zuschauen und eigene Kräutermischungen herstellen. 

Zum Wandern empfiehlt sich der benachbarte Kronberg in Jakobsbad. Nach der Tour lockt im Tal ein Erlebnispark mit Hochseilgarten und Bobbahn. Gäste des Feriendorfs können dort einmal kostenlos fahren - immerhin.

Links, Tipps, Praktisches:

Reiseziel: Urnäsch ist ein landwirtschaftlich geprägtes Dorf im Kanton Appenzell Ausserrhoden in der Ostschweiz zwischen Bodensee und Zürichsee. Zürich ist rund 90 Kilometer entfernt.

Beste Reisezeit: mit Kindern eignen sich Sommer und Herbst gut.

Anreise: mit den Schweizer Bahnen ab Konstanz oder über Basel und Zürich ins Appenzellerland. Die Appenzeller Bahn hält direkt in Urnäsch beim Feriendorf. Von München oder Stuttgart aus benötigt man mit dem Auto rund drei Stunden.

Unterkunft: Für Urlaub im Reka-Feriendorf Urnäsch während der Schulferien ist es ratsam, mindestens sechs Wochen im Voraus zu reservieren.

Touren/Aktivitäten: In Urnäsch umfasst das Reka-Programm Familienausflüge wie einen knapp drei Kilometer langen Fußmarsch zum Erlebnisbauernhof „Hofstöbli“ südlich vom Ort. Der Ausflug dauert circa drei Stunden. Jeden Dienstag wird auf dem Reitplatz geritten. Nah am Feriendorf liegt auch der Pumptrack Urnäsch, auf dem Parkour aus Wellen und Kurven können sich Kinder und Jugendliche mit Rollern und Bikes austoben. 

Ausflüge in die Umgebung: Die Appenzeller Schaukäserei in Stein ist mit Bahn und Bus in etwa 30 Minuten erreichbar. Der Rundgang dauert etwa 50 Minuten. Die Fahrt zur Säntis-Schwebebahnstation dauert mit dem Bus 20 Minuten. Oben angekommen bieten sich Führungen in der „Alpschaukäserei Schwägalp“ an oder ein Besuch der interaktiven „Erlebniswelt Gipfel“ mit Infos zum lokalen Wetter wie globalem Klima. Nach Jakobsbad (Wandern und Erlebnispark) dauert die Fahrt mit der Appenzeller Bahn ab Urnäsch fünf Minuten.

Weiterführende Informationen: appenzellerland.ch