Berliner Testament Berliner Testament: Kinder werden zunächst enterbt
Halle/MZ. - Vor allem bei älteren verheirateten Paaren ist das so genannte Berliner Testament beliebt. Die Partner setzen sich in dem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben und die Kinder als Erben des zuletzt Lebenden ein. Damit ist gesichert, dass, wenn der eine Partner stirbt, der andere gut versorgt ist und ihm nicht die Kinder die Wohnung, das Haus, die Möbel, das Vermögen - gewissermaßen fast alles - "wegerben" können.
Im Nachhinein ist so mancher überlebende Ehepartner geradezu empört, wenn er erfährt, dass er der Tochter oder dem Sohn doch einen Part auszahlen muss. Noch dazu, wenn sie sich Zeit ihres Lebens nie um die Eltern gekümmert haben. Gerade das sollte doch mit dem Berliner Testament vermieden werden. Wieso muss der hinterbliebene Ehepartner nun doch etwas vom Erbe rausrücken?
Hintergrund ist häufig eine Konstellation, wie sie Wolfgang K. aus Bergwitz in einem Brief an die Ratgeber-Redaktion schreibt: "Im März 1997 verstarb mein Vater. Ich habe noch eine Stiefschwester, die meine Mutter in die Ehe mitbrachte. Meine Mutter teilte mir nach Vaters Tod mit, dass sie mit ihm ein Berliner Testament gemacht hat und nun Alleinerbin sei. Habe ich Anspruch auf Einsicht in das Testament und auf meinen Erbteil?"
"Grundsätzlich werden Erben von der Eröffnung eines Testament ins Kenntnis gesetzt", sagt Burkhard Lischka, Geschäftsführer der Notarkammer Sachsen-Anhalt. "Wenn ein Testament nicht vor dem Notar, sondern eigenhändig durch die Eheleute errichtet und durch diese aufbewahrt wird, so ist derjenige, der das Testament findet oder aufbewahrt, verpflichtet, das Testament nach dem Tod des ersten Ehepartners beim zuständigen Nachlassgericht abzuliefern."
Wenn jemand dieser Pflicht nicht nachkommt, kann er von dem Nachlassgericht dazu gezwungen werden - beispielsweise durch ein Zwangsgeld. Zudem kann jeder, der ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Testaments hat - zum Beispiel ein Pflichtteilsberechtigter wie im Fall von Wolfgang K. - über einen Zivilprozess die Ablieferung des Testaments am Nachlassgericht einklagen. Wenn das Testament pflichtgemäß abgeliefert wurde, wird das Nachlassgericht von sich aus aktiv. Es bestimmt einen Termin zur Eröffnung des Testaments, zu dem unter anderem die gesetzlichen Erben geladen werden sollten. Entweder zu diesem Termin - oder falls sie nicht dazu geladen wurden - anhand der Abschrifft des Eröffnungsprotokolls und der eröffneten Schriftstücke werden die gesetzlichen Erben vom Inhalt des Testaments in Kenntnis gesetzt.
"Zeigt sich anhand des eröffneten Testaments, dass der Erblasser einen seiner nächsten Angehörigen von der Erbfolge ausgeschlossen hat, so steht diesem sein Pflichtteil zu", erklärt Lischka. Pflichtteilsberechtigt sind nur die Abkömmlinge, der Ehepartner und - wenn keine Kinder oder Enkelkinder vorhanden sind - die Eltern des Erblassers. Wichtig sei, unterstreicht Lischka, dass der Pflichtteilsberechtigte wertmäßig nur die Hälfte dessen verlangen kann, was er erhalten hätte, wenn kein Testament bestünde und er gesetzlicher Erbe geworden wäre. Wolfgang K. könne also als einziger Sohn seines verstorbenen Vaters gegenüber seiner Mutter einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von einem Viertel des Nachlasswertes seines Vaters geltend machen.
Der Erbrechts-Experte verweist darauf, dass das Geltendmachen des Pflichtteils beim überlebenden Ehepartner nicht in jedem Fall sinnvoll sei. Beispielsweise, wenn Wolfgang K. von seinen Eltern - eventuell gemeinsam mit seiner Stiefschwester - als Schlusserbe des länger lebenden Elternteils eingesetzt wurde.
Sehr häufig enthalten Ehegatten-Testamente eine "Strafklausel", wonach derjenige Schlusserbe, der bereits bei Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, auch beim Tod des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten soll.