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Rechte Bands dringen in etablierte Szenen ein

Von Alexander Lueck 13.08.2008, 07:00

Berlin/dpa. - Ein Musikvideo auf YouTube: Eine Band spielt vor kahlen Betonwänden - enge T-Shirts, Cargohosen, tätowierte Arme. Die Musik: aggressiver Hardcore, ein seit Ewigkeiten in der linken Szene verwurzelter Stil. Aber hier spielen bekennende Nationalisten.

Es gibt viele solcher Beispiele. Denn rechte Musik, das ist heute weit mehr als stumpfer Rechtsrock von Glatzköpfen. In mehreren Szenen haben sich solche Strömungen etabliert.

NSHC ist das Kürzel für die rechten Bands, die den linken Stil aufgegriffen haben: National Socialist Hard- oder Hatecore. Nicht nur das Styling dieser Gruppen ist anders als das «traditioneller» Neonazi-Kapellen: «Viele Textzeilen könnten auf den ersten Blick genauso von linken Hardcore-Bands kommen», sagt Jens Thomas, freier Dozent und Kenner der Szene. Da wird, fast immer auf Englisch, nicht etwa gegen Ausländer gesungen, sondern gegen das Kapital oder für Umweltschutz - was erstmal nicht nur den braunen Mob anspricht.

Ein wichtiges Schlagwort dabei: das Kämpfen. «Und wenn man ganz genau hinsieht, entdeckt man, wofür gekämpft wird: fürs Vaterland», sagt Michael Weiss von Turn It Down, einer Netz-Plattform aus Berlin, die über rechte Musik informiert. Die NSHC-Musiker sind laut Thomas keine ehemaligen Linken: Hinter den Bands stecken Neonazis, die von der aggressiven Musik ihrer politischen Gegner begeistert waren und sie für sich vereinnahmt haben - mit scheinbar zunehmendem Erfolg.

Inzwischen gibt es zwei voneinander abgegrenzte Hardcore-Szenen, erklärt Thomas: eine linke und eine rechte. Die Musik von letzterer steht bei den Autonomen Nationalisten hoch im Kurs. Sie sorgen immer wieder bei Demonstrationen für Aufsehen - unter anderem dadurch, dass sie den linken Autonomen auf den ersten Blick zum Verwechseln ähneln.

Ein verzwickter Fall ist Black Metal. Hier gibt es viele zumeist unpolitische Fans und einen rechten Rand. Woran das unter anderem liegt, erklärt Buchautor und Szene-Experte Christian Dornbusch: Musiker, die heute als Rechte bekannt sind, haben als normale Bands angefangen und erst mit der Zeit den politischen Schwenk vollzogen. «Manche Bands sagen auch: Wir sind unpolitisch», erklärt Weiss. Das gilt insbesondere für Vertreter des Pagan Metal, einer mit dem Black Metal vielfach verknüpften Szene. Doch diese Gruppen würden oft ein «zutiefst völkisches Geschichtsbild» vermitteln.

Im Gegensatz zum Black Metal und zum Hardcore scheint die Gothic- und Darkwave-Szene heute weniger im Fokus zu stehen, als früher: «Der rechte Rand ist nicht mehr so groß wie Ende der 90er», so Dornbusch. Aber es gibt ihn immer noch. «Es gibt da eindeutig ultrarechte Bands, die breit gehört und auch verteidigt werden», sagt Weiss.

Steckt hinter den Umtrieben in eigentlich fremden Musikszenen eine Strategie der Rechten, um mehr junge Leute auf sich aufmerksam zu machen? Eher nicht, lautet Christian Dornbuschs Antwort, das habe sich von selbst entwickelt. «Und dann hat es an gewissen Punkten Brückenschläge gegeben zur organisierten Rechten und zum Rechtsrock.»

Denn klar ist: Die braunen Drahtzieher wissen, dass Musik eine oft wirksame Einstiegsdroge ist. Nicht aus Zufall hat die vom NPD-Bundesvorstand herausgegebene Zeitung «Deutsche Stimme» mehrfach «sehr wohlwollend» über das Wave-Gotik-Treffen - Deutschlands wichtigstes Gothic-Festival in Leipzig - berichtet, sagt Dornbusch. Und wer spielte bei einem Sommerfest der Partei 2007: eine NSHC-Band.

Eines ist den Rechten dagegen nach wie vor nicht gelungen: im HipHop Fuß zu fassen. «Es gibt einzelne Projekte, die ultrarechts sind», sagt Michael Weiss - aber das war es dann.