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Recht Recht: Mensch gegen Tier

Von PAUL GLAUBEN UND KORNELIA NOACK 30.08.2011, 15:32

Halle (Saale)/MZ. - "Ein Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung", lautet ein geflügeltes Wort unter Juristen. Leider gilt das nicht für die Haustierhaltung in Mietwohnungen. Denn dazu schweigt das Gesetz. Regeln finden sich höchstens im Kleingedruckten von Standardmietverträgen oder werden zwischen Vermieter und Mieter direkt ausgehandelt. Mittlerweile haben sich zahlreiche Gerichte mit derlei Streitigkeiten auseinandergesetzt. Auch wenn sich Nachbarn sprichwörtlich wie Hund und Katze benehmen, müssen Deutschlands Richter immer wieder den Frieden zwischen den Anrainern herstellen.

Hamster und Fische

Ein Vermieter darf im Kleingedruckten nicht pauschal die Haustierhaltung verbieten, urteilte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Denn das sei eine unzulässige Benachteiligung der Mieter. Im konkreten Fall verbot die beanstandete Klausel "jede Tierhaltung, insbesondere von Hunden und Katzen, mit Ausnahme von Zierfischen und Ziervögeln". Der BGH hält das generelle Verbot der Kleintierhaltung für unzulässig. So dürften Kleintiere im Käfig wie Goldhamster, Meerschweinchen, Zwergkaninchen, Aquarienfische und Wellensittiche auch ohne Genehmigung des Vermieters gehalten werden.

Bundesgerichtshof Karlsruhe

Aktenzeichen: VIII ZR 340 / 06

und VIII ZR 10 / 92

Chinchillas

So eindeutig, wie der Bundesgerichtshof annimmt, ist es in der Alltagspraxis jedoch offenbar nicht, den Begriff "Kleintier" zu definieren. Nach Meinung des Amtsgerichts Köln fallen auch Elstern und Leguane darunter. Das Landgericht Kassel sieht sogar Yorkshire-Terrier als Kleintiere an. Und das Amtsgericht Hanau hält die Haltung von fünf Chinchillas für zulässig, da von ihnen keine Geruchs- und Lärmbelästigungen ausgingen.

Amtsgericht Köln (205 C 130 / 83), Landsgericht Kassel (1 S 503 / 96), Amtsgericht Hanau (90 C 1264 / 99)

Papageien

Für Papageien gilt dieser Persilschein nicht. Ihr durchdringendes Kreischen kann nach Meinung von Justitia schnell zu Problemen mit den Nachbarn führen. Daher müsse der Vermieter ihrer Aufnahme in die Wohnung zustimmen. Darüber hinaus dürfen sie nach Urteilen der Landgerichte Zwickau und Nürnberg-Fürth nur für maximal eine Stunde beziehungsweise drei Stunden auf Balkon oder Terrasse frische Luft schnappen. Auch müssten Nachbarn nicht den Lärm von gleich vier Papageien hinnehmen, so das Landgericht Itzehoe.

Landgericht Zwickau (6 S 388 / 00), Nürnberg-Fürth (13 S 9530 / 94), Landgericht Itzehoe (1 S 257 / 04)

Gewohnheitsrecht

Mit dem Verbot im Mietvertrag ist rechtlich nicht das letzte Wort gesprochen. Wenn der Mieter entgegen einer vertraglichen Regel seit Jahren mit Wissen des Vermieters ein Tier hält, kann dieser nicht mehr die Abschaffung verlangen.

Landgericht Essen (1 S 479 / 90), Stuttgart (16 S 183 / 87),

Amtsgericht Aachen (81 C 459 / 91), Hamburg (40b C 1736 / 90) und

Düsseldorf (29 C 36 / 87)

Beißattacke

Die unerlaubte Haltung eines Haustiers ist kein Kündigungsgrund. Allenfalls kann nach Auffassung des Landgerichts München der Vermieter die Abschaffung des Tieres einklagen. Ein Kündigungsrecht billigte das Landgericht Berlin einem Vermieter aber zu, weil ein unerlaubt gehaltener Hund andere Mieter gebissen hat.

Landgericht München (14 S 136 / 98), Berlin (64 S 503 / 04)

Widerruf

Rechtsexperten verweisen darauf, dass die erteilte Genehmigung keinen "Ewigkeitscharakter" habe. Der Vermieter sei nicht unbeschränkt an die einmal erteilte Erlaubnis gebunden, sondern dürfe seine Zustimmung jederzeit aus wichtigem Grund widerrufen. Als solche Widerrufsgründe akzeptierten die Gerichte beispielsweise, wenn eine Katze bei anderen Hausbewohnern allergische Reaktionen auslöst oder ein Hund entgegen der Zusicherung des Mieters, es sei ein ruhiges Tier, ständig in der Wohnung bellt. Gleiches gilt nach Meinung des Amtsgerichts Steinfurt, wenn ein Hund erhebliche Schäden in der Mietwohnung verursacht hat. Maßgeblich ist dabei, ob es sich um Störungen durch das Tier handelt, mit denen der Vermieter ursprünglich nicht rechnen musste.

Landgericht Hamburg (333 S 151 / 98), Amtsgericht Potsdam (26 C 38 / 96), Hamburg-Wandsbek (716c C 114 / 90)

Amtsgericht Steinfurt

Aktenzeichen: 4 C 544 / 90

Hundegebell

Was passiert, wenn Hund, Katze oder andere Haustiere das nachbarschaftliche Idyll mit tierischem Lärm (zer)stören? Die Experten der Arag-Versicherungen weisen auf ein Urteil des Landesgerichts Mainz hin. Es entschied, dass auch in ländlichen Gebieten ein Hundehalter sicherzustellen hat, dass die Nachbarn zwischen 22 Uhr abends und 7 Uhr morgens sowie zwischen 13 und 15 Uhr nicht durch übermäßiges Hundegebell gestört werden. Die Frage, wie die Hundehalter ihren vierbeinigen Lieblingen die Uhr beibringen, ließen die Richter allerdings offen.

In Städten wohnt man schon mal Tür an Tür mit einem Hund. Das Bellen kann so sehr an den Nerven zerren, dass die Amtsgerichte Rheine, Hamburg und Potsdam unisono entschieden haben, in besonders schlimmen Fällen sei sogar eine Mietminderung wegen Hundegebell aus der Nachbarwohnung vertretbar. Aber auch die Vermieter sind den Unruhestiftern nicht schutzlos ausgeliefert. Ist der Hundehalter uneinsichtig oder gelingt es ihm nicht, seinem Vierbeiner Manieren beizubringen, hat der Vermieter die Möglichkeit, den Kleffer samt Herrchen kurzfristig vor die Tür zu setzen.

Landgericht Mainz

Aktenzeichen: 6 S 87 / 94

Amtsgerichte Rheine (14 C 731 / 97), Hamburg (49 C 165 / 05) und Potsdam (26 C 76 / 00)

Katzen

Beeinträchtigungen durch zu laute Katzen dürften eher die Ausnahme sein. Das bedeutet aber nicht, dass man sich über Nachbars Haustiger nicht ärgern kann. Zwar muss man freilaufende Katzen im Garten bis zu einer gewissen Anzahl dulden - das gilt aber nicht immer. So entschied das Landgericht Bonn, dass die Kläger Verunreinigungen nicht hinnehmen müssten, wenn die Katzen zum Beispiel auf großen Terrassenflächen keine Möglichkeit haben, ihre Hinterlassenschaften zu verscharren.

Meinungsverschiedenheiten zwischen Mieter und Vermieter beginnen oft schon bei der Anzahl der Tiere. Ist im Mietvertrag die Haltung von Katzen ausdrücklich erlaubt, bedeutet das nicht, dass den Mietern die Eröffnung eines privaten Tierasyls gestattet werden muss. Das meinten auch die Richter des Landgerichts Aurich. Sie ließen eine Wohnungskündigung zu, weil hier 15 Katzen gehalten wurden.

Landgericht Bonn

Aktenzeichen: 8 S 142 / 09

Landgericht Aurich

Aktenzeichen: 1 S 275 / 09

Hühner

Wenn auch die meisten Mitmenschen ein frisches Frühstücksei zu schätzen wissen, so ist das Gegacker der Erzeuger weit weniger beliebt. Handelt es sich bei den von Hühnern ausgehenden Geräuschen um eine unzumutbare Belästigung, kann die Hühnerhaltung untersagt werden, entschied das Oberlandesgericht Celle.

Oberlandesgericht Celle

Aktenzeichen: 4 U 37 / 87

Hähne

Was für das Gegacker der Hühner gilt, kann für das Krähen des Hahns nicht falsch sein. Die Landgerichte Hildesheim und München untersagten in Fällen den Hähnen das Krähen zur Unzeit. Aber hier scheiden sich offenbar die Geister. Die Richter des Landgerichts Kleve hielten den Weckruf eines Hahns in ihrem ländlichen Zuständigkeitsbereichs auch schon vor 3 Uhr morgens für zumutbar.

Landgerichte Hildesheim (7 S 541 / 89, München (23 O 14452 / 86),

Kleve (6 S 311 / 88)