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Partnerschaft Partnerschaft: Kind als Beziehungskiller?

Von Andrea Löbbecke 16.11.2011, 07:43
Alle Augen auf das Kind: Sobald der Nachwuchs da ist, finden Paare weniger Zeit füreinander. Damit in der Beziehung kein Frust aufkommt, sollten Paare versuchen, wenigstens kleine Zeitinseln zu finden. (FOTO: DPA)
Alle Augen auf das Kind: Sobald der Nachwuchs da ist, finden Paare weniger Zeit füreinander. Damit in der Beziehung kein Frust aufkommt, sollten Paare versuchen, wenigstens kleine Zeitinseln zu finden. (FOTO: DPA) Diagentur

Mainz/dpa. - Kinder als Beziehungskiller? Glaubt man derEinschätzung einiger Experten, dann bringt eine Familie gerade mitihrem Nachwuchs das gemeinsame Glück in Gefahr. Doch selbstTherapeuten, die nicht ganz so schwarzmalen, warnen vor ernstenBeziehungsproblemen junger Eltern. Wer sich jedoch mögliche Problemefrüh bewusst macht, kann gegensteuern. Spätestens wenn die Kinder indie Schule kommen, wird das Familienleben wieder einfacher - so diehoffnungsvolle Prognose von Psychologen.

«Wenn es um das Organisieren des Haushalts geht, scheint ja alleszu funktionieren. Aber darüber hinaus bleibt unglaublich wenig Zeitund vor allem Energie, etwas gemeinsam zu tun», sagt Tina Schäfer*,verheiratete Mutter von zwei kleinen Kindern. «Ich finde es sehrschwer, Interessen, denen man früher gemeinsam nachgegangen ist, nunauch noch nachzugehen», beklagt sie. «Zumal wenn diese aus Reisen,Feiern, Sport machen und auf Konzerte gehen bestanden.» Natürlichkönne man auch mit Kindern reisen und Sport machen. «Aber es ist einUnterschied, ob man zu zweit nach Australien fährt oder einen nettenFamilienurlaub in Holland verbringt - nichts gegen Holland.»

Tina und ihr Mann sind zwar oft genervt vom Alltag- dieBeziehung ist jedoch nach wie vor intakt. Das ist längst nicht beiallen Paaren mit kleinen Kindern so. «Zwei Drittel der Paare kommenin große Schwierigkeiten, die jedoch nicht unbedingt zur Trennungführen müssen», sagt Andrea Kuhnert, Fachärztin für PsychosomatischeMedizin und Psychotherapie in Freiburg. Wichtig sei, sich bewusst zumachen, dass Menschen in ihrem Leben gewisse Entwicklungsstufenmeistern müssen.

Dazu gehöre etwa die Pubertät, der Auszug aus dem Elternhaus undeben die Familiengründung. «In diesen Schwellensituationen müssen wirauch was Neues entwickeln, und manchmal straucheln wir, wenn man nochso am Alten festhält», erklärt Kuhnert. In jungen Familien werde esdann oft schwierig, wenn Paare an alten Konstellationen festhaltenwollten. «Wenn ich versuche, alles unter einen alten Hut zu bringen,dann kommen die Probleme», warnt die Ärztin.

Es sei einigen Paaren nicht klar, dass sie mit Kind vieles infragestellen müssen. «Ich denke, modern ist eher, dass Paare sagen 'Ach,es wird alles so weitergehen können, alle Sportaktivitäten,Bergsteigen, Skifahren. Es wird alles weitergehen, wenn wir nurflexibel genug sind.» In den Therapiestunden klagten viele Patientenüber einen Mangel an Sexualität und Intimität - klassischerweise eherder Mann. Unter Umständen fühlten sich beide Partner zunehmendeinsam. Die Frau könne dies ein Stück weit über die körperliche Nähezum Kind ausgleichen - manche Väter fühlten sich daher ein wenigaußen vor, wenn das Kind viel Aufmerksamkeit von Mutter und Fraugenießt.

«Grundsätzlich ist es eine gute Idee, sich vor der Geburt in Ruhezusammenzusetzen und zu beraten, wie kann denn unser Leben mit Kindaussehen», sagt Kuhnert. Auch wenn der Sohn oder die Tochter auf derWelt sind, sollten Paare sich sinnbildlich Räume suchen, in denen nursie beide vorkommen - das kann auch ein gemeinsames Abendessen seinoder ein Plausch auf der Couch im Wohnzimmer. «Es muss nicht dasspektakuläre Wellnesswochenende sein.» Auch für das Kind sei Abstandab und zu wichtig - selbst Babys - hätten ein Grundbedürfnis danach,mal in Ruhe gelassen zu werden.

«Ein großes Problem sind die finanziellen Einbußen», sagt diePaartherapeutin Silvia König-John in Mainz aus ihrer Praxiserfahrung.Die Öffnungszeiten vieler Kindergärten und Kinderkrippen seien nachwie vor so ungünstig, dass ein Elternteil nicht mehr oder deutlichweniger arbeiten gehen könne. «Und dann kommt das Geldproblem - trotzElterngeld», berichtet die Paartherapeutin.

Viele Eltern könnten mit Kind nicht an das alte Beziehungslebenanknüpfen, erklärt König-John. Mit dem Schlafmangel steige derStresspegel, die Partner sind schneller gereizt. Es gibt nach derErfahrung der Psychologin solche Paare, die sich zwar kaum streiten,aber voneinander zurückziehen. Andere Eltern streiten sehr viel mehrals früher, oft um Kleinigkeiten. «Die zweite Gruppe hat sogar nochdie besseren Chancen, die Beziehung zu retten», sagt König-John. Denndurch die Kommunikation entstehe Nähe. Einfacher wird es nach ihrerErfahrung, wenn die Kinder ins Schulalter kommen. Dann spielen sieauch mal längere Zeit allein in ihrem Zimmer und lösen sich emotionalvon den Eltern.

Bei Tina Schäfer und ihrem Mann dauert es noch bis zum erstenSchultag der Kinder, die Söhne brauchen noch viel Aufmerksamkeit.Neulich habe sie Konzertkarten für einen tollen Künstler geschenktbekommen - und obwohl sie einen Babysitter hätte engagieren können,sei sie nicht hingegangen, sagt Tina. Die Gefahr sei einfach zu groß,dass sie und ihr Mann doch hätten heimrasen müssen, um einschreiendes Kind zu beruhigen. Und selbst wenn - wider Erwarten -alles geklappt hätte und sie nach dem Konzert um 01.00 Uhr im Bettgelegen hätten: «Mein Sohn hätte fröhlich morgens um 5.30 im Zimmergestanden, um Lego zu spielen.»

* Name von der Redaktion geändert