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Pädagogische Psychologie Pädagogische Psychologie: Mobbing auf dem Schulhof

07.11.2001, 10:13
"Klassenkampf" auf dem Schulhof
"Klassenkampf" auf dem Schulhof dpa

München/gms. - «Mobbing ist ein Gruppenphänomen», sagt Mechthild Schäfer,Psychologin am Institut für empirische Pädagogik und pädagogischePsychologie der Universität München. Es gehe dabei nicht umStreitereien zwischen zwei Kindern, sondern die Mehrheit der Klassesei involviert. «Der Täter sucht sich ein Kind, das schwach odernicht besonders integriert ist», erklärt Schäfer. Dieses Kind werdedann schikaniert. «Der Täter erwartet vom Mobbing Vorteile, er wirddadurch von der Gruppe anerkannt und ist der Star», erläutertDiplom-Psychologe Reiner Hanewinkel vom Institut für Therapie- undGesundheitsforschung in Kiel.

Es gebe zwar Kinder, die versuchten, das Verhalten des Täters zuunterbinden, äußert Schäfer. Wenn sie damit aber keinen Erfolghätten, kippe das Klima in der Klasse und viele machten mit. «DieMitläufer, die oben in der Hierarchie stehen, haben einfach Spaß.Die, die unten stehen, haben Angst, selbst Opfer zu werden und machendeshalb umso heftiger mit», erklärt Karl Dambach in Karben (Hessen),Pädagoge und Autor eines Buches über Mobbing in der Schule.

Es gibt unterschiedliche Formen von Mobbing: «Mädchen machen dasintelligenter und indirekter, sie grenzen Mitschüler aus der Gruppeaus», weiß Hanewinkel. «Jungs machen das eher auf derAggressionsschiene», sagt der Psychologe. Ausgrenzen durch Worte undAktionen sei schlimmer für das Opfer als Prügel, denn mit aggressivenHandlungen könnten Menschen besser umgehen.

Das Schwierige an Mobbing ist laut Dambach, dass das OpferAbwehrstrategien entwickelt. «Wer abgelehnt wird, legt ein Verhaltenan den Tag, um sich aufzuwerten.» Er gibt zum Beispiel mit seinenLeistungen an, sucht Anschluss an den Lehrer und wird dann alsSchleimer bezeichnet - oder er spielt den Klassenclown. «Das gehtdann erst recht in die Hose», sagt Dambach.

«Opfer kann jeder werden», warnt Reiner Hanewinkel. «Auch sozialkompetente Kinder können Opfer werden, wenn sie in eine Klassekommen, die nicht zu ihnen passt», sagt Psychologin Schäfer. Jungenund Mädchen seien gleich häufig Opfer, aber wenn Jungen Opfer seien,dann kämen sie schwerer wieder heraus.

Jemanden «fertig machen», das kann heißen, jemanden «kaputtmachen». Wer immer angegriffen wird, verliert sein Selbstbewusstseinund kann am Ende sogar krank werden. «Die Kinder haben maßlos Angst,in die Schule zu gehen, sie sind weniger leistungsbereit, leiden anMagenschmerzen, Kopfschmerzen oder Übelkeit», sagt Dambach. Dieskönne im Extremfall bis zum Selbstmord des Opfers gehen.

Auch für den Täter und die Gesellschaft hat das Mobbing negativeFolgen. Die Täter, bei denen sich häufig ein fehlerhaftesGerechtigkeitsbewusstsein schärft, sind anfälliger für kriminelleLaufbahnen. Karl Dambach weist auf die Gefahr für die Mitläufer hin:«Die werden ängstlich, wenn nicht feige.»

Um Mobbing zu verhindern, ist zum einen die Schule gefordert:«Wenn die Schulen so gestrickt wären, dass Aggression verurteiltwird, und wenn man am Anfang Regeln setzt, dann müsste ein latenterBully schnell kapieren, dass er damit nicht weiterkommt», meintSchäfer. Wer die Regeln breche, müsse konsequent bestraft werden.

«Wer was tun möchte, kann zu dem Opfer hingehen, mit ihm sprechen,ihm auf die Schulter klopfen», rät Hanewinkel. «Wichtig ist, den Mundaufzumachen - und die Angst abzulegen, dass man als Petzer selbstOpfer des Mobbings wird.»