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Neue Shops: Pop-Ups, Guerilla-Stores, Tarnläden

Von Gregor Tholl 29.07.2009, 13:49

Hamburg/dpa. - Für «coole Kunden» wird Einkaufen zu einer Art Abenteuer: Temporäre und getarnte Geschäfte liegen im Trend. Ein globales Phänomen, das es auch in Deutschland gibt.

Der Kommerz wird ein bisschen wie Kunst: experimenteller und flüchtiger. Immer mehr Marken setzen auf sogenannte Pop-Up-Shops oder Guerilla-Stores. Damit sollen vor allem Leute erreicht werden, die durch klassische Anzeigen-Kampagnen kaum noch zu gewinnen sind, dafür aber über (Fashion-)Blogs im Internet, in denen diese neuartigen Shops vor allem kommuniziert werden.

In einer Zeit, in der Warenhaus-Konzepte auf dem Prüfstand stehen, wird die Produktpräsentation immer wichtiger. Unternehmen probieren seit einigen Jahren neue Shop-Sorten aus. Die Wirtschaftskrise forciert den Trend, da die unkonventionellen Läden meist billiger sind als herkömmliche. Der Einzelhandelsberater Alexander von Keyserlingk, Inhaber der Firma Slowretail, erklärt die verschiedenen neuen Laden-Arten wie folgt:

Pop-Ups (vom englischen Verb «pop up» für «plötzlich auftauchen»): «Das sind Läden, die nur eine begrenzte Zeit an einem Ort existieren. Zumeist wird dieses Format von Lifestyle-Marken genutzt, um neue Produktlinien zu lancieren oder zu geringen Mieten leere Ladenflächen zwischenzunutzen.» Beispiel: Clemens en August, ein Modelabel von Alexander Brenninkmeijer aus der «C&A»-Dynastie.

Guerilla-Stores (in Anlehnung an den Begriff für Kleinkrieg und Untergrundkampf): «Sie finden sich dort, wo man sie am wenigsten erwartet: In Hinterhöfen, alten Metzgereien, Lofts, Kellern - allesamt jenseits klassischer Einzelhandelslagen. Das Mode-Label «Comme des Garçons» hat sie kultiviert und viele Jahre als nahezu einziges eigenes Format genutzt. Durch die subtile Marketingform der Mund-zu-Mund-Propaganda entwickelt sich ein hoher Kultstatus.»

Tarnläden: «Sie haben hauptsächlich einen Marketingzweck und verschleiern zunächst den eigentlichen Betreiber, um sich neue Zielgruppen zu erschließen und den Marken-Hype aufzuladen.»

Bruchbude und Luxusladen muss kein Gegensatz mehr sein: In Berlin- Mitte zum Beispiel gibt es einen sogenannten Tarnladen von Adidas, der von draußen an eine beschmierte Garage oder ein besetztes Haus erinnert, drinnen dann aber als Edelboutique überrascht. Der Laden in einer ehemaligen Autowerkstatt heißt «No. 74» und verkauft zum Beispiel die Nobel-Linie «Y-3» des Designers Yohji Yamamoto.

«Der Store ist quasi ein Gegenentwurf zum Discounter», sagt Tom Heise von der betreuenden PR-Agentur Haeberlein & Mauerer. «Die Idee ist, eine Schnittstelle zwischen klassischem Laden, Ausstellungs- und Event-Fläche zu schaffen.» Zielgruppe sei - Achtung: PR-Sprache - die «forward-thinking Community aus Musik, Mode und Design».

Als der Laden 2008 aufmachte, glich er zunächst einem New Yorker Garagen-Verkauf. Neben Sportmode gab es beispielsweise auch Teppiche, Wasserpfeifen oder Kinderspielzeug zu kaufen. «Während der Fußball-EM konnten Eingeweihte die deutschen Spiele bei Grillabenden gucken.»

Ebenfalls in Berlin-Mitte ist der Telekom-Shop «4010». Der Name des Geschäfts nimmt Bezug auf die Firmenfarbe Magenta (im RAL-Farbsystem die Nummer 4010). Der Shop erinnert an eine Club-Lounge. Wer will, kann hier neben dem iPhone auch Tee kaufen. Die Lockerheit endet dann aber bei den Handys, die wie in einem normalen Laden befestigt sind, damit sie nicht geklaut werden können.

Der Kampf um Kunden ist in eine neue Dimension gegangen. Sogar Luxusmarken setzen auf «Underground»-Läden. «Louis Vuitton» machte zum Beispiel kürzlich in Tokio den «Ikebukuro Seibu Temporary Store» auf. «Wirkt so, als habe jemand seine Taschen in einem Parkhaus liegen lassen», beschrieb ihn die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung».

Fazit: «Temporär» ist das neue «cool». «Die hippsten Bars, Shops und Clubs sind schon wieder weg, bevor sie aus der Mode kommen können», schrieb die britische Zeitung «Sunday Times» vor ein paar Monaten. Der vom deutschen Künstler Carsten Höller konzipierte «Double Club» in London hatte da gerade aufgemacht. Jetzt ist er bereits wieder dicht. Und jeder, der bei diesem Projekt der Fondazione Prada dabei war, kann sich exklusiv fühlen.

Adidas-Store: no74-berlin.com

Telekom-Shop «4010»: 4010.com

«Double Club» in London: www.thedoubleclub.co.uk