Nahrungsergänzungsmittel Nahrungsergänzungsmittel: Gesunde Ernährung ganz ohne Pillen

Pillen, Kapseln, Pülverchen, Brausetabletten - Nahrungsergänzungsmittel werden gerade jetzt in der unwirtlichen Zeit für fast jeden Zweck gepriesen. Zu kaufen gibt es sie längst nicht mehr nur in der Apotheke. In jedem Discounter stehen sie in Reih und Glied im Regal, in Drogeriemärkten ist die Auswahl noch viel größer. Der Verbraucher verliert da leicht den Überblick, so wie die betagte Patientin des Allgemeinmediziners Dr. Guido Marx, die schon ganz verzweifelt war. „Die Frau wusste gar nicht mehr, was sie wann nehmen sollte. Von mir hatte sie aber nur zwei Präparate verschrieben bekommen: Eins für ihren Bluthochdruck und eins für eine leichte Herzinsuffizienz“, so der Hausarzt. In die Kölner Praxis brachte sie aber zwei Plastiktüten voller Döschen, Tabletten und Pülverchen mit.
Gerade jetzt, wo Erkältungszeit herrscht, versuchen viele, sich mit einer Extra-Portion Kalzium oder Vitamin C etwas Gutes zu tun oder zumindest nichts Schlechtes, so die Beobachtungen des Hausarztes. Immerhin gibt es von Vitamin A bis Zink alle möglichen Präparate jetzt auch schon im Discounter-Regal.
Auch offizielle Zahlen belegen den Trend zur Gesundheitsoptimierung. Laut Nationaler Verzehrstudie, die das Bundesministerium für Ernährung regelmäßig erheben lässt, nehmen ein Viertel der Bevölkerung regelmäßig Supplemente (Nahrungsergänzungsmittel und angereicherte Medikamente) ein. Bei den über 50-Jährigen ist es sogar jeder Dritte, Frauen liegen im Durchschnitt noch vor Männern. Bei den gesundheitsrelevanten Präparaten liegen Vitamine und Mineralstoffe ganz vorne. Im Jahr 2011 verdienten allein die Apotheken damit 300 Millionen Euro, laut Bundesvereinigung deutscher Apothekerverbände.
Angebot ist unübersichtlich
„Gesunde Menschen glauben, sich mit einer Zusatzpille gesund erhalten zu können. Doch meist nützen die Vitamine oder Mineralien gesunden Menschen gar nichts und bei Kranken muss immer die Wechselwirkung mit anderen Medikamenten bedacht werden“, sagt Dr. Guido Marx.
Vor allem im Internet ist das Angebot besonders unübersichtlich. Hier gibt es eine riesige Bandbreite an Präparaten, die über den gesundheitlichen Mehrwert allein hinausgehen. Auch pflanzliche Präparate aus Granatäpfeln oder Aloe Vera sind ein Trend, ganz zu schweigen von all den Pillen, die die Libido anregen, Muskeln wachsen oder Pfunde schmelzen lassen sollen. Gerade hier finden sich sehr viele dubiose Anbieter. „Im Gegensatz zu Arzneimitteln werden Nahrungsergänzungsmittel nicht auf ihre Sicherheit und Wirksamkeit hin überprüft“, sagt Angela Clausen von der Verbraucherzentrale NRW, die den Internethandel mit Nahrungsergänzungsmitteln besonders untersucht hat. Auch illegale Substanzen waren hier häufiger zu finden. Die Produkte, die häufig von ausländischen Herstellern stammten, wurden oft von Briefkastenfirmen in Deutschland verschickt. „Hier ist höchste Vorsicht geboten“, warnt die Expertin.
Bei den primär gesundheitsbezogenen klassischen Nahrungsergänzungsmitteln, Vitaminen und Mineralstoffen, gilt zunächst, dass nur ergänzt werden soll, was in der Nahrung fehlt. „Aber, wer sich einigermaßen ausgewogen ernährt, dem fehlt nichts“, sagt Clausen. 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland seien ausreichend versorgt. Die restlichen zehn Prozent entfallen auf Risikogruppen, wie ältere Menschen und Personen in bestimmten Lebensphasen, bei denen eine Einnahme durchaus Sinn macht.
Mit dem Arzt abstimmen
So wird etwa Frauen, die schwanger werden wollen, die Einnahme von Folsäure empfohlen. Kinderärzte raten Müttern, ihren Säuglingen im ersten Lebensjahr Vitamin D und K zu geben. Aber auch bei älteren Menschen, die regelmäßig Medikamente nehmen, ist schon mal eine erhöhte Vitamin-C-Zufuhr angezeigt. „Wenn ein Organismus erhöhte Entgiftungsarbeit leistet, das heißt, Leber und Nieren müssen Medikamente wie etwa Säureblocker verstoffwechseln, dann kann eine Zusatzgabe von Vitamin C sinnvoll sein“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Dr. Gerta van Oost. Grundsätzlich rät sie, einen Arzt zurate zu ziehen, da immer Faktoren wie Vorerkrankungen oder genetische Bedingungen miteinbezogen werden müssen.
Ein gesunder Mensch, der nun unbedingt regelmäßig etwas einnehmen will, dem rät Hausarzt Guido Marx zu einem Multivitaminpräparat. „So ist wenigstens die Gefahr einer Überdosierung eines einzelnen Wirkstoffs ausgeschlossen.“ Und im Übrigen macht niemand etwas falsch, der sich an den nicht nur im angelsächsischen Sprachraum beliebten Spruch hält: „An apple a day, keeps the doctor away“ - Ein Apfel am Tag hält den Arzt auf Distanz. Immerhin basiert der auf einer wissenschaftlichen Studie, die im Jahr 2010 in der medizinischen Fachzeitschrift „The Lancet“ publiziert worden ist.