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Nachbarschaft Nachbarschaft: Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme

Von Stefan Waschatz 17.01.2008, 09:50

Berlin/Hannover/dpa. - Gegen manche Ruhestörung können Mieter und Eigentümer etwas tun.Gewisse Geräusche müssen sie aber - zumindest zeitweise - hinnehmen.

«Grundsätzlich haben Mieter in einem Mehrfamilienhaus Anspruch aufgrößtmögliche Ruhe», sagt Ulrich Ropertz, Sprecher des DeutschenMieterbundes in Berlin. «Andererseits kann aber auch kein Mieterseine Wohnung völlig geräuschlos nutzen.» Die Lösung lautetRücksichtnahme: Mieter und Wohnungseigentümer müssen sich in einemMehrfamilienhaus bemühen, die Nachbarn mit möglichst wenig Lärm zubelästigen. Klar liegt der Fall grundsätzlich bei der Nachtruhe.

Sie ist von 22.00 Uhr an einzuhalten. «Ab diesem Zeitpunkt dürftegrundsätzlich aus Nachbarwohnungen nichts mehr zu hören sein», sagtRopertz. Radio und Stereoanlage sollten also entsprechend leiseeingestellt werden. Wenn trotzdem immer wieder laute Musik,Hundegebell oder Streitereien von nebenan herüberschallen, könnenMieter sich wehren. Ansprechpartner ist der Vermieter. Er ist in derPflicht, wenn ein Gespräch die Nachbarn nicht zur Räson bringt. «Ermuss dafür sorgen, dass die störenden Nachbarn stärker Rücksichtnehmen.»

Geschieht das nicht, können Mieter bei gravierendenBeeinträchtigungen langfristig die Miete kürzen. Das haben mehrereGerichte entschieden. Das Amtsgericht Braunschweig hielt zum Beispieleine Mietminderung um die Hälfte für angemessen, weilWohngemeinschaften in einem Haus wiederholt erheblichen Lärmverursachten. Dagegen ist der Lärm von Haushaltsgeräten grundsätzlicherst einmal hinzunehmen, wenn die Ruhezeiten über den Mittag und inder Nacht eingehalten werden, erläutert der Mieterbund. DasAmtsgericht Mainz habe aber klargestellt, dass eine Waschmaschineausnahmsweise auch nach 22.00 Uhr laufen darf.

Denn Berufstätige hätten oft keine andere Möglichkeit, als spät amAbend zu waschen. Lärm von Kindern berechtigt in der Regel nicht zueiner Mietminderung. Bei übermäßigen Störungen - zum Beispiel, wennKinder ständig von Stühlen herunterspringen - kann nach einem Urteildes Landgerichts Köln aber die Miete gekürzt werden. Und neben derMinderung gibt es weitere Möglichkeiten, sich gegen Lärm im Haus zuwehren: «Theoretisch kann sich der Mieter auch direkt an seinenNachbarn wenden und bei extremen Störungen einenUnterlassungsanspruch geltend machen», erläutert Ropertz. Außerdemkönne rücksichtsloser Lärm als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeldbestraft werden.

Das sind allerdings die nüchternen rechtlichen Möglichkeiten.Besser ist es, miteinander zu reden. Häufig könne im persönlichenGespräch eine Lösung gefunden werden, sagt Jörn-Peter Jürgens vomInteressenverband Mieterschutz in Hannover. Wenn jemand einInstrument spielt, könnten zum Beispiel feste Übungszeiten verabredetwerden. «Erst wenn das nichts bringt, sollten sich Mieter an ihrenVermieter wenden.»

Ein verbreiteter Irrglaube ist nach Erfahrung von Peters, dass esein Recht darauf gibt, Partys zu feiern, deren Lautstärke dieNachbarn belästigt - zumindest in gewissem zeitlichen Abstand.Umgekehrt dürfe zwar täglich Besuch haben, wer es beiZimmerlautstärke belässt. «Man sollte aber nicht unterschätzen, wieviel lauter es wird, wenn sich mehrere Menschen unterhalten undgemeinsam lachen.» Rücksichtnahme könnte bei Partys so aussehen, dassman sie den Nachbarn rechtzeitig ankündigt.

Aus Sicht des Eigentümerverbands Haus & Grund in Berlin kommt esbei der Einschätzung, welcher Lärm hinzunehmen ist, nicht allein aufdie Lautstärke an. Denn das Bundesgesundheitsamt habe nachgewiesen,dass auch niedrige Lautstärken besonders störend sein können,erläutert Sprecher Stefan Diepenbrock. Ein Beispiel dafür sei derFall eines Arztes aus Düsseldorf, der gern nachts badete. Darüberhatte sich der darunter wohnende Mieter beschwert, denn er musstesich das Planschen des Nachbarn bis 1.00 Uhr in der Nacht anhören.Diese Ruhestörung wurde als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld von200 Euro geahndet.

Immer wieder sind auch die Geräusche von Liebe, Sex undZärtlichkeiten ein Thema in der Mieterberatung. Bisweilen kommt essogar darüber zum Rechtsstreit: «Ich hatte mal einen Fall, da ging esum eine fristlose Kündigung wegen überlauter Sex-Geräusche», sagtJürgens. Die Kündigung gegen die Mieterin sei zwar nicht zulässiggewesen. Der Fall zeige aber: «Auch beim Sex sollte man sich soweitzurückhalten, dass man die Nachbarn nicht stört.»

INFO-KASTEN: Auch schlechte Schallisolierung kann für Lärm sorgen

Häufig trifft nicht allein die Mieter die Schuld daran, dassNachbarn sich durch Geräusche aus der Nebenwohnung belästigt fühlen.In einem hellhörigen Haus dringt Lärm oft allzu leicht durch dieWände. Schon Schritte auf einem knarrenden oder quietschenden Parkettkönnen in einem solchen Haus zur Nervenprobe werden. Eine bessereSchallisolierung können Mieter von ihrem Vermieter aber nurverlangen, wenn ein nachweisbarer Mangel vorliegt.

Das ist von Haus zu Haus unterschiedlich zu bewerten: Es kommtdarauf an, ob die Lärmschutzvorschriften eingehalten wurden, die zumZeitpunkt des Hausbaus galten. Auch eine umfassende Modernisierungkann Maßgabe sein. In älteren Häusern müssen Mieter daher häufig mehrLärm in Kauf nehmen.