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Lifestyle Lifestyle: Längst keine graue Maus mehr

Von Sandra Hoffmann 06.04.2004, 09:35
Leuchtende Farben statt langweiligem Grau: Zu den neuen Tönen kommen auch veränderte Fertigungstechniken - Filz wird heute überwiegend maschinell hergestellt und wirkt dadurch wesentlich gleichmäßiger als handgefilzte Ware. (Foto: dpa)
Leuchtende Farben statt langweiligem Grau: Zu den neuen Tönen kommen auch veränderte Fertigungstechniken - Filz wird heute überwiegend maschinell hergestellt und wirkt dadurch wesentlich gleichmäßiger als handgefilzte Ware. (Foto: dpa) Rosenthal

Meerbusch/dpa. - Lange Zeit führte er in der Wohnung nur eine verborgene Existenz: In kleine Stücke zerschnitten und unter Stuhlbeine geklebt, schützte Filz Parkettböden vor hässlichen Kratzern. Manchmal durfte er in Form von Pantoffeln auch kalte Füße wärmen, ansonsten gab sich das ebenso weiche wie widerstandsfähige Material unauffällig. Doch das Image der grauen Maus hat der Filz inzwischen abgelegt: In leuchtenden Farben hat er sich zum Trendmaterial im Wohn- und Modebereich entwickelt - längst nicht mehr nur als kuschelige Umhüllung für Sofakissen und Wärmflaschen, sondern zum Beispiel auch für sommerliche Tischdekorationen.

«Viele denken bei Filz an einen Winterartikel», sagt Carin Benter vom Hersteller domestic affairs aus Meerbusch (Nordrhein-Westfalen). «Aber das Material ist auch für draußen super. Die Ware ist zum Beispiel schwer genug, dass sie auch bei Windstößen liegen bleibt.» «Bei Wolle denkt man erstmal an Wärme und Kuscheln», bestätigt Bernadette Ehmanns, Designerin beim auf Filz spezialisierten Unternehmen Hey-Sign aus Düsseldorf. Doch nicht zuletzt neue und frische Farben machen den aus dem typischen Wintermaterial Wolle gefertigten Filz fit für den Sommer. «Leichtere Farben nehmen dem Material die Schwere», sagt Ehmanns.

Sieben Pastelltöne hat Hey-Sign in diesem Frühjahr in sein mittlerweile 33 Farben umfassendes Sortiment aufgenommen. Als Renner zeichne sich bereits jetzt «Lemon», ein zartes Limonengrün ab. «Limone ist stark im Kommen», bestätigt Carin Benter. Außerdem seien Rottöne in allen Abstufungen gefragt, häufig in schrillen Kombinationen mit leuchtendem Pink.

Solche Farben waren vor noch nicht allzu langer Zeit bei Filz undenkbar. Viel mehr als Braun und Grau war nicht zu bekommen. «Lange Zeit wurde Wollfilz nicht in Design übersetzt», erklärt Martin Streifer von der Firma Parkhaus Berlin. Zudem sei hauptsächlich auf handgefilzte Ware gesetzt worden - das sei vergleichbar mit einem selbst gestrickten Pullover. Maschinell hergestellter wirke dagegen wesentlich gleichmäßiger.

Trotz des Maschineneinsatzes hat sich an den Grundzügen der Filzproduktion nicht viel geändert: «Walken, färben, scheren» fasst Streifer den Entstehungsprozess zusammen. «Filz ist kein Gewebe - er entsteht mit Hilfe von Wasser und Druck direkt aus der Wolle», erklärt er. Was sich einfach anhört, dauert eine ganze Weile: Zwölf Arbeitsgänge sind laut Bernadette Ehmanns nötig, bis aus einzelnen Wollfäden ein Stück Filz geworden ist.

Bei der Weiterverarbeitung des Materials setzen die Designer auf eine Mischung aus Bewährtem und Experimentellem. Klassische Pantoffeln, Wärmflaschen- und Kissenhüllen stellt zum Beispiel Katrin Leuze aus Owen (Baden-Württemberg) her - teilweise aus Industriefilz, teilweise aber auch aus handgefilzter Ware.

Neben solchen Kuschelartikeln hat sich der Tisch zu einer verfilzten Zone entwickelt: Glas- und Topfuntersetzer finden sich beispielsweise in der Produktpalette von Parkhaus. Domestic affairs bietet unter anderem Tischsets in diversen Größen und Formen. Und in der neuen «Home Designs»-Linie des Unternehmens Rosenthal in Selb (Bayern) sollen Untersetzer, Sets und Tischläufer in klaren Farben «die Bühne für Glas und Porzellan bilden».

Doch aus Filz können nicht nur hübsche Kleinigkeiten entworfen werden. Bei Hey-Sign entstehen daraus neben Tischutensilien, Topflappen, Kissenhüllen und einer Vielzahl von Taschen zum Beispiel auch Kleinmöbel wie der Hocker «Posito» und verschiedene Teppiche. Das größte Exemplar misst 195 mal 350 Zentimeter.

Die Designerin Marion Muck aus Köln macht aus Filz sogar tragbare Mode. In ihrer Kollektion gibt es unter anderem Röcke, Oberteile und Mäntel samt passender Taschen. «Filz lässt sich einfach schön verarbeiten und wunderbar formen, schon allein durch Bügeln», erklärt Muck ihre Leidenschaft für das traditionelle Material. Besonders angetan hat es ihr, dass das Material so fest ist. «Ein Mantel bleibt zum Beispiel immer in Form, selbst wenn man ihn offen trägt», sagt sie. Andere Materialien würden dagegen formlos den Körper umhüllen.

«Filz hat auf der einen Seite diese Dichte und Stärke», bestätigt Bernadette Ehmanns. Andererseits habe er aber auch eine sehr lebendige Oberfläche - die Farben würden je nach Lichteinfall gebrochen. Außerdem sei Filz ein äußerst pflegeleichtes Material. «Filz ist sehr stark und robust, sieht aber fein aus», so Ehmanns. Bei der Herstellung wird versucht, dass der Fettanteil in der Wolle erhalten bleibt. «Das ist wie eine natürliche Imprägnierung, die die Faser schmutzabweisend macht.»

Aber auch wenn einmal Schmutz im Filz hängen bleibt, ist das kein Drama: «Unsere Filzartikel sind aus 100 Prozent Merinowolle hergestellt», erklärt Carin Benter. Deshalb können Tischläufer oder Untersetzer «einfach wie ein Pulli per Hand gewaschen werden». Bei kleineren Flecken kann auch mit einem Schwammtuch und einem Tropfen Spülmittel gearbeitet werden. «Etwas reiben und dann klar nachspülen», rät Benter. «Verfilzen kann es ja nicht.»