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Leder Leder: Politur mit Strumpfhose bringt Glanz

Von CHRISTINA HORN 06.11.2011, 12:33

Halle (Saale)/MZ. - Seine Geheimwaffe ist ein Seidenstrumpf. Diesen zieht Axel Himer über eine Handbürste, verknotet die Enden fest und poliert damit seine braunen Lederschuhe. "So entsteht eine größere Reibungshitze, diesen Glanz bekommt kein Pflegemittel der Welt hin", sagt der Maßschuhmacher.

Regen, Pfützen, Matsch - im Herbst müssen Schuhe viel aushalten. "Jetzt ist die Zeit zum Imprägnieren, so nehmen die Schuhe viel weniger Dreck und Feuchtigkeit auf", rät Himer, der aus seiner Passion ein Familienunternehmen gemacht hat. Tochter Kim leitet das Geschäft in Köln, in dem Tochter Nicola gerade ihre Schuhmacherausbildung absolviert. Er selbst fertigt Schuhwerk nach Maß in Köln und Baden-Baden.

Grober Dreck sollte immer sofort entfernt werden. Und wenn das Leder doch einmal nass geworden ist, hilft Zeitungspapier, das in die Schuhe gestopft und regelmäßig gewechselt wird. "Die sogenannten Schneeränder sind Gerbstoffränder, die durch die Feuchtigkeit an die Oberfläche dringen."

Der komplette Schuh sollte dann mit Lederreiniger oder warmem destilliertem Wasser gesäubert werden. Sobald der Schuh getrocknet ist, wie gewohnt pflegen. "Die Poren brauchen jetzt Nahrung", sagt der Unternehmer, der in seinem Laden Schuhcreme in 54 Farbtönen zur Verfügung hat.

Beim Thema Schuheputzen macht ihm niemand etwas vor. "Viele wissen heute ja gar nicht mehr, wie das geht." Vor zwei Generationen gehörte die Schuhpflege noch zum Alltag, inzwischen gibt der Durchschnittsdeutsche nur noch wenige Euro pro Jahr für Ledermittel aus. Und wenn, dann greift er zu Plastiktuben mit Applikator, die den schnellen Glanz versprechen.

"Völlig verkehrt", sagt Himer. "Der Lacküberzug schmiert die Oberfläche zu, das Leder kann nicht mehr atmen und bricht." Auch viele Verkäufer im Handel hätten heute kein ausreichendes Wissen mehr, um ihren Kunden Pflegetipps zu geben.

Dabei gilt für die Lederpflege dasselbe wie für die Hautpflege: erst reinigen, dann pflegen. Aber: Die Gerbung der verschiedenen Leder ist jeweils anders, deswegen lohnt sich zumindest ein Grundstock an individuellen Pflegeprodukten. Mikrofasertücher sind gut, aber polieren lässt sich auch mit einem alten T-Shirt. "Ideal ist eine Bürste, weil man so mehr Geschwindigkeit und Druck ausüben kann."

Beim Polieren darf sogar gespuckt werden, denn die Enzyme des Speichels pflegen im Gegensatz zu Wasser ganz ohne Kalk.

Gift für jeden Lederschuh ist ein warmer Heizkörper, er trocknet das Leder aus. Besser ist es, den Schuh nach dem Tragen zwei Tage bei Zimmertemperatur ruhen zu lassen und einen Schuhspanner aus offenporigem Holz oder Zeitungspapier zu verwenden. Gegen die Knickfalten. Die Spanner immer in den noch tragewarmen Schuh geben.

Schweiß greift jedes Leder an, deswegen "die Sohlen ruhig auch mal von Innen mit einem Schaum reinigen", rät Himer, der mit seiner Tochter Kim (24) das "Große Buch der Lederpflege" geschrieben hat, das gerade im Heel-Verlag erschienen ist.

Das teuerste Produkt müsse es gar nicht sein, inzwischen gäbe es kaum noch schlechte Ledermittel auf dem Markt und jede Pflege sei besser als gar keine. Nur vernachlässigtes Leder trocknet aus. "Fett muss sein, aber bloß keine Nivea-Creme als Schuhpflege missbrauchen", warnt Himer. Sein Geheimtipp: Eisspray gegen eingetretenen Kaugummi.

Dass Schuhe in Deutschland inzwischen viel zu billig verkauft werden, findet Himer nicht. "Ein günstiger Schuh muss nicht schlecht sein. Meist sparen die Hersteller nicht am Oberleder, sondern an den Absätzen und den Sohlen.

Himers Überzeugung: Schuhpflege spart Geld. Bei guter Behandlung könnten Lederprodukte ohne Probleme 20 bis 30 Jahre halten.

Hier noch ein paar Pflegetipps vom Experten:

Glattlederschuhe:

Zuerst die Schnürsenkel entfernen, dann die Schuhe mit einer Schmutzbürste oder einem feuchten Tuch säubern. Jetzt Schuhcreme (Hartwachspaste oder Emulsionscreme) mit einer Bürste auftragen. Die Creme lieber mehrmals dünn verstreichen und überpolieren, als einmal dick auftragen, so wird das Ergebnis viel besser.

Für Glanz ist eine Dosencreme besser, sie enthält kein Wasser und einen höheren Anteil an schützenden Wachsen. Für Farbauffrischung und Tiefenpflege eignet sich eine Mischemulsionscreme, sie zieht tiefer ins Leder ein.

Nach der Behandlung mit Emulsionscreme 15 Minuten, nach der Hartwachspaste eine Stunde warten, bevor mit dem Polieren begonnen wird. So können die Öle in das Leder einziehen, die Lösungsmittel verdunsten und die Wachse aushärten.

Vor dem Polieren die restliche Schuhcreme in das Leder einmassieren und die überschüssige Creme mit einem Tuch aufnehmen. Poliert wird entweder mit einem Mikrofasertuch, einer Rosshaarpolierbürste oder einer Bürste, die mit einem Seidenstrumpf überzogen ist. Himers Tipp: "Die Bürste mit etwas Speichel befeuchten, die Enzyme sorgen für tollen Glanz." Für den allerletzten Schliff polieren absolute Schuhpflege-Profis noch mit einer feinen Bürste aus Ross-, Ziegen- oder Yakhaar nach.

Taschen

Bei Verschmutzung wird ein Lederreiniger mit Tuch oder Schwamm aufgetragen. Zur Pflege und Imprägnierung, je nach Intensität der Benutzung, sollte etwa zweimal jährlich ein Lederöl oder eine andere Pflege eingesetzt werden. Diese wie bei der Schuhpflege dünn auftragen und gut einziehen lassen. Magnetverschlüsse nicht mitpflegen. Tipp vom Meister: "Schwarze Creme deckt auch bei braunen Taschen aufgescheuerte Ränder und Kratzer sehr gut ab."

Armbänder

"Lederarmbänder brauchen einen speziellen Reiniger, da sie ständig mit der Haut in Kontakt sind", sagt Himer. Der Schweiß gibt Salze an das Leder ab, und diese lassen sich zum Beispiel mit dem Lemon Cleaner von Woly entfernen. Zunächst ein Tuch mit Lederreiniger tränken, damit das Uhrenband innen und außen gut reinigen. Gut trocknen lassen, dann mit dem Finger eine farblich passende Creme für Lederbekleidung einmassieren und zum Schluss mit einem Tuch aufpolieren. Bei hellen Nähten farblose Pflege verwenden.