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Klöße Klöße: Tolles aus Thüringen

Von Iris Stein 15.06.2006, 19:00

Halle/MZ. - Und die alte Kloßmanufaktur? Die ist seit 1999 wieder einmalig: als Deutschlands einziges Kloßmuseum.

Durch die alten Gemäuer wandelt ein schwarz gewandeter Pfarrer mit weißer Halskrause und donnert in Richtung Kartoffel: "Welch Teufelsfrucht, die Leute essen sie, um sich zu erregen!" Doch sogleich wird sein Gesicht wieder freundlich und er führt schnurrig und mit äußerst amüsanten Reden vorbei an alten Urkunden, landwirtschaftlichen Geräten zur Kartoffelproduktion und allerlei Utensilien, die es für eine fachgerechte Kloßherstellung braucht.

Sylk Schneider heißt der Pfarrer, der gar keiner ist, sondern der Museumsdirektor höchstpersönlich. Doch nur zu gern gibt er den Kartoffelpfarrer Karl Wilhelm Ernst Putsche, der 1808 das erste Rezept für die berühmten Klöße notierte. Inzwischen sollen derer 18 972 existieren, verkündet Putsche-Schneider mit todernster Miene und weist bei seiner Führung zugleich auf jede Menge anderer wertvoller historischer Zeugnisse hin. Edikte, wie die Kartoffel anzubauen und zu verwenden sei, Ausrufungen, alte Rezepte, Plakate gegen die angebliche Kartoffel-Käfer-Sabotage in den 50er Jahren durch böse Westmächte.

Das Kloßmuseum hat seinen ganz eigenen Reiz: die alten Produktionsstätten, Ackergerät aus Urgroßvaters Zeiten, Haushaltseinrichtungen von anno dunnemals. Dazu jede Menge Ideen, wie die Kartoffel auch recht heutig in Szene gesetzt werden kann: mit preisgekrönten Modellen einer Modenschau zum Beispiel. Nur dass diese alle aus aufgepeppten Kartoffelsäcken bestehen . . .

Bei den regelmäßig wechselnden Sonderausstellungen haben sich die Thüringer seit März für einen ganz besonderen Beitrag zur Fußball-Weltmeisterschaft entschieden. "Foodball" wandelten sie das englische Wort für die Ballsportart ein kleines bisschen ab und kreierten sage und schreibe ein Rezept aus jedem Teilnehmerland. Kartoffelkloßrezepte wohlgemerkt! Nicht etwa nur Fantasieprodukte, sondern gut ausgedachte, ausprobierte und äußerst schmackhafte Klöße, deren Rezepte Sylk Schneider in einem Buch vereinte: Der Thüringer Fußball-Kloß (Buchverlag für die Frau, 9,90 Euro).

Wie wär's zum Beispiel mit Anden-Auflauf aus Kloßmasse (für Ecuador)? Oder Dattel-Klößen mit Orangensauce (Tunesien)? Kloßwürfeln mit karibischen Früchten flambiert (Trinidad und Tobago) und Kangoroo-Kloßeintopf (Australien)?

Bei so vielen leckeren Vorschlägen kann der Weg aus dem Kloßmuseum nur in eine Richtung weiter führen: in die nahe gelegene Heichelheimer Windmühle. Natürlich kann man hier die echten Thüringer Klöße essen. Aber während der Fußball-Weltmeisterschaft soll es auf Vorbestellung auch das eine oder andere Spezialitäten-Kloß-Gericht geben.

Und Wirt Erhard Kästner hat noch eine ganz andere Offerte: Wer will, kann bei ihm ganz fachgerecht lernen, künftig seine eigenen Klöße herzustellen. Nach ein paar Stunden Seminar in der Mühle, kann man sich immerhin "Doktor des Kloßkochens" nennen oder auch "der Kloßologie" wie es Sylk Schneider bedeutungsschwer formuliert.

Vor den Preis - das Kloßessen - wurde allerdings der sprichwörtliche Fleiß gesetzt und auch der Schweiß kommt nicht zu kurz. Im separat gelegenen Mühlenturm ist alles vorbereitet und so heißt es erst einmal Kartoffeln schälen. Und reiben. Nicht ganz von der Hand, aber auch nicht elektrisch. Damit die Masse sich nicht verfärbt, haben Wirt und Museumsdirektor jede Menge Tipps parat. Der eine weiß von Aspirin, der andere kennt Natron und ein entsprechendes Spezialprodukt gibt es natürlich auch.

Starke Männer kommen auf ihre Kosten, wenn die Masse gepresst werden muss. Der Laie ahnt eher, dass er auch in Zukunft für mehr Umsatz bei der Fertigmasse sorgen wird. Doch irgendwann sind die Klöße endlich fertig und schmecken natürlich besser als alles bisher da gewesene. Und Sylk Schneider kann noch so manchen lockeren Spruch bei der Überreichung der Urkunden loswerden . . .

Thüringer Kloßmuseum Heichelheim, 99439 Heichelheim, Tel. 03643 / 9000-15, Die bis So 11 bis 16 Uhr

Landhotel und Restaurant Windmühle, 99439 Heichelheim, Tel. 03643 / 42 05 22