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Zwischen den Zeilen Was man aus Stellenanzeigen wirklich lernt

Die einen preisen den Tischkicker an, die anderen werben mit flachen Hierarchien: Sind Stellenanzeigen nur Selbstbeweihräucherung oder kann man darin wirklich etwas über Arbeitgeber erfahren?

Von Bernadette Winter, dpa Aktualisiert: 04.10.2021, 17:19
Bei Stellenanzeigen lohnt es sich, auf die Formulierungen zu achten. Bestimmte Wörter oder Begriffe geben unter Umständen wertvolle Hinweise auf das Unternehmen.
Bei Stellenanzeigen lohnt es sich, auf die Formulierungen zu achten. Bestimmte Wörter oder Begriffe geben unter Umständen wertvolle Hinweise auf das Unternehmen. dpa-infografik GmbH/dpa-tmn

Frankfurt am Main - Wer auf Stellensuche ist, durchflöht meist Hunderte von Stellenanzeigen. Nach einer Weile klingen alle ähnlich. Können Bewerberinnen und Bewerber anhand der Jobausschreibung überhaupt schon etwas über einen potenziellen Arbeitgeber herausfinden? Und: Steckt da vielleicht sogar mehr zwischen den Zeilen als man auf den ersten Blick meinen könnte?

Stellenanzeigen hätten sich in den vergangenen Jahren weiterentwickelt, sagt Wolfram C. Tröger. Es gehe nicht mehr nur rein darum, Aufgaben und Erwartungen darzustellen. Er hält sie daher nach wie vor für ein probates Mittel für Unternehmen, um auf eine Vakanz neugierig und aufmerksam zu machen.

Allerdings käme es hier auf das für die Anzeige genutzte Medium an. In einem Online-Portal sind die Angebote mobil optimiert, einige Bullet-Points zählen die Kernpunkte auf. „Hier zwischen den Zeilen zu lesen, ist schwierig“, sagt der Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater.

Wichtige Anforderungen werden zuerst genannt

Tatsächlich sei es bei gut gemachten Stellenanzeigen so, dass Punkte mit größerer Priorität weiter oben oder vorne stehen, sagt Tröger. Ähnlich wie bei Zeugnissen. Bewerberinnen und Bewerber müssen dann unterscheiden, was ein Muss und was wünschenswert ist.

„Personalverantwortliche finden es gut, wenn im Bewerbungsgespräch transparent damit umgegangen wird, was die Kandidatinnen und Kandidaten schon können und mitbringen und an welchen Punkten sie gewillt sind, sich weiterzubilden“, sagt Inga Dransfeld-Haase.

Was ist mir wichtig?

Viele Unternehmen wüssten mittlerweile, dass es die Musterkandidatinnen und -kandidaten nicht gibt. Die Präsidentin des Bundesverbands der Personalmanager (BPM) rät, für sich selbst festzulegen, was einem wichtig ist und den Text danach zu durchsuchen.

Steht in der Anzeige „wir“? Oder werden Attribute wie durchsetzungsstark betont, die sehr männlich wirken? Wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hervorgehoben oder ist sie zumindest gewünscht? Vielleicht gibt es sogar ein Siegel, mit dem geworben wird. „Das spricht zumindest dafür, dass sich das Unternehmen entsprechend kümmert“, sagt Dransfeld-Haase.

Nicht jedes Unternehmen lebt, was es anpreist

„Die Unternehmen, die verstanden haben, dass wir einen Bewerbendenmarkt haben, schreiben vorne ihre Pluspunkte hin“, sagt auch Tröger. Also zuerst die Position, dann die Angebote, dann die Anforderungen des Tätigkeitsfeldes. Die Angebote können von einer Kita über Besonderheiten der Tätigkeit bis hin zu Arbeitszeiten oder Homeoffice reichen.

Daran merke man, dass sich das Unternehmen mit dem Markt und seinen Entwicklungen beschäftigt. „Daraus kann ich ableiten, dass sie vielleicht etwas innovativer und mitarbeiterfreundlicher sind, das muss aber nicht so sein“, so der Personalberater. Denn nicht jedes Unternehmen lebe das, was es anpreise.

Wie im Hotelprospekt

Wenn Sie zwischen den Zeilen lesen wollen, ist das Dransfeld-Haase zufolge so ähnlich wie bei einem Hotel-Prospekt. „Wir sind ein dynamisches Unternehmen“ kann beispielsweise heißen, dass man schnell gewachsen ist, die Strukturen aber hinterherhinken. Ein „gut eingespieltes Team“ kann bedeuten, dass es für Neulinge schwer werden könnte, weil alle schon lange zusammenarbeiten und sich kennen.

Wenn es heißt, man suche eine strukturierte Persönlichkeit, kann das ausdrücken, in der Abteilung sind viele kreative Köpfe und man will die Seiten mehr ausbalancieren. Das würde für die Qualität der Suche sprechen, findet Dransfeld-Haase.

Es lohnt sich, genau auf die Formulierungen zu achten: Widersprechen sich etwa die Eigenschaften, die Bewerberinnen und Bewerber mitbringen sollen? „Dann kann man davon ausgehen, dass die Firma sich nicht viele Gedanken gemacht hat“, sagt Tröger und führt die Attribute „durchsetzungsstark und teamfähig“ als Beispiel an.

Abgleich mit anderen Quellen

Punkte, die man aus der Stellenanzeige ableitet oder herauszulesen glaubt, sollte man laut Tröger immer noch einmal mit der Homepage oder Bewertungsportalen abgleichen. Dransfeld-Haase empfiehlt: „Gehen Sie Ihr eigenes Netzwerk durch und schauen, ob Sie jemanden kennen, der dort arbeitet, um die Kultur des Unternehmens zu recherchieren.“

Im Internet lassen sich zudem oft weitere Infos abseits der Firmenwebsite finden, zum Beispiel Pressemitteilungen oder Presseberichte. Wie werden etwa Jubiläen gefeiert? Hat sich die Firma vielleicht vor einiger Zeit aus der Insolvenz befreit?

Tröger legt allen Bewerbenden ans Herz, zu telefonieren. Ist ein Personalreferent oder eine Personalreferentin genannt? Wer sich bewerben möchte, kann dort anrufen und Fragen klären, die eine Stellenanzeige aufgeworfen hat.

Erstens positioniert man sich damit selbst und zweitens bekommt man einen ersten Eindruck vom Unternehmen. Die zweitbeste Variante wäre eine Mail. Es sei ein positives Signal, wenn Unternehmen derartige Unterstützungen gerne anbieten, so Tröger.