Neue Entwicklungen Von der Tradition zum Trend? Wie Bäcker heute arbeiten
Früh aufstehen, körperlich hart arbeiten, wenig verdienen: So stellen sich viele die Arbeit als Bäcker vor. Doch die Branche ist im Wandel. Was der Beruf an Herausforderungen und Chancen bietet.

Ludwigsburg/Hamburg - Ein knuspriges Brötchen, ein saftiges Vollkornbrot oder ein buttriges Croissant: Für viele gehört das zum Frühstück. Damit die Produkte frisch auf dem Tisch landen, herrscht in den Backstuben nachts Hochbetrieb. Glaubt man. Doch die Zeiten haben sich geändert - und die Arbeit als Bäckerin oder Bäcker sieht heute oft anders aus.
„Dieses Klischee, dass man nur in der Nacht arbeitet und richtig buckeln muss, ist eigentlich schon lange überholt“, sagt Florian Lutz, Bäckermeister aus Ludwigsburg. Auch wenn der 38-Jährige diese Arbeitszeiten zu Beginn seines Berufslebens noch selbst erlebt hat: „Als junger Mensch freitagnachts um 2 Uhr in der Backstube zu stehen - da hat man eigentlich andere Sachen im Kopf.“
Doch bereut hat er es nicht, in die Fußstapfen seines Vaters und seines Opas getreten zu sein. Anfang 2025 hat Lutz den Familienbetrieb übernommen. Wo vor 60 Jahren seine Großeltern zu zweit gearbeitet haben, sind inzwischen 230 Mitarbeiter an 13 Standorten beschäftigt.
Nachtschicht ist für sie nicht zwingend. „Manche machen das freiwillig, weil sie es zu schätzen wissen, dass sie den Tag freihaben und etwas mit ihren Kindern unternehmen können“, sagt Lutz. Viele arbeiteten heute jedoch in der Tagschicht von 6 bis 14 Uhr.
Möglich ist das durch neue Technik. „Das geht heute alles wunderbar mit verschiedenen Kühl-Möglichkeiten und einer langen Teigführung“, sagt Lutz. Die Teige können schon tagsüber vorbereitet und geknetet und erst am nächsten Morgen abgebacken werden.
Gutes Produkt und gute Arbeit
Auch Rajko Pientka von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hält es für eine gute Maßnahme, dass die Prozesse heute von der Nacht- in die Tagesproduktion verlagert werden können. Das verbessert die Arbeitsbedingungen und Attraktivität des Bäckerhandwerks. Vor allem junge Unternehmer würden darauf Wert legen.
„Auch die Frage des Arbeitsethos spielt heute eine Rolle“, sagt der Referatsleiter für Getreide und Handwerkspolitik bei der NGG. „Viele Start-ups gucken, dass sie auch die Mitarbeiter miteinbeziehen und alles zusammenpasst: ein gutes Produkt mit guter Arbeit. Und nicht, dass die Mitarbeitenden die ganze Zeit durchknüppeln müssen auf Kosten ihrer Gesundheit.“ Zudem sorge der Einsatz von Maschinen dafür, dass die körperlichen Anstrengungen reduziert werden.
Neue Konzepte: Weniger Angebot, mehr Qualität
Vermehrt verfolgen Bäckereien heute auch innovative Geschäftsideen. „Viele junge Leute setzen neue Konzepte um, das finde ich großartig“, sagt Lutz. Er kennt Kollegen, die nur vier oder fünf Brotsorten herstellen - und diese morgens um 7 Uhr backen, nachdem der Teig am Vortag produziert wurde und über Nacht in Ruhe reifen durfte. „Sie öffnen ihre Läden erst ab 11 Uhr - und um 16 Uhr sind sie ausverkauft. Auch so etwas läuft sehr erfolgreich.“
Zumal heute Kunden wieder verstärkt Wert auf die Qualität des Brotes legen. „Backen ist Kunst“, sagt Rajko Pientka. Aber: „Damit die Bäcker auch von ihrer Hände Arbeit leben können, muss man bereit sein, den Preis dafür zu zahlen.“
Wer das nicht will oder nicht kann, greift eher zu preiswerteren Produkten aus großen Fabriken. Manche wählen ganz bewusst auch dort ihren Arbeitsplatz: „Gerade, wenn man sehr technikaffin ist, fühlt man sich in der Industrie vielleicht gut aufgehoben“, sagt Pientka. Auch als Anlagen- und Maschinenführer brauche man dort das Hintergrundwissen eines Handwerksbäckers.
Wie die NGG in einem kürzlich veröffentlichten Branchenreport zur Backwarenbranche feststellt, wächst die Dominanz der Brotindustrie und Großfilialen. Die Anzahl der traditionellen Bäckerhandwerksbetriebe sinke seit Jahren, während große Unternehmen expandieren. Ein Nachteil in der Industrie ist oft die Schichtarbeit, die viele Beschäftigte belastet. „Dafür sind die Einkommen höher“, so NGG-Experte Pientka. Im Schnitt zahle die Industrie je nach Tarifvertrag etwa 23 Euro pro Stunde, die Handwerksbäckereien im Durchschnitt 5 Euro weniger.
So viel verdient man als Bäcker
Wobei sich viele Bäcker in Zeiten des Fachkräftemangels einiges einfallen lassen, um gutes Personal zu bekommen und zu halten. Sie zahlen dann über Tarif, finanzieren das Deutschland-Ticket oder setzen auf Zuschüsse zur betrieblichen Altersvorsorge und Mitarbeiterrabatte.
Je nach Arbeitsplatz und Bundesland startet man laut Pientka als Bäcker mit einem Einstiegsgehalt von 2.400 bis 2.900 Euro brutto pro Monat. Mit Berufserfahrung und höherer Verantwortung steige die Bezahlung auf 2.800 bis 3.300 Euro, mit Meistertitel verdiene man zwischen 3.200 und 4.500 Euro. Wer in größeren Betrieben arbeite und Zusatzqualifikationen besitze, könne auch „deutlich über 4.500 Euro“ verdienen.
Trotz aller Entwicklungsmöglichkeiten sei der Verdienst in der Branche aber noch zu gering, findet der NGG-Referatsleiter: „Wenn man nicht zusätzlich vorsorgt, kann man schnell in der Altersarmut landen.“
Azubi-Vergütung deutlich gestiegen
Zuletzt wurde zumindest die Vergütung für Azubis verbessert. „Dort hat es einen großen Sprung im dreistelligen Bereich gegeben, so dass es das Bäckerhandwerk bei der Vergütung von den hinteren Plätzen bis ins Mittelfeld geschafft hat“, sagt Pientka. Seit dem 1. März 2025 starten die Azubis im Handwerk mit 1.020 Euro brutto pro Monat, in der Brot-Industrie im Schnitt mit 1.200 Euro.
Und die Lohnerhöhung habe positive Auswirkungen. Nachdem sich die Zahl der Auszubildenden in den letzten zehn Jahren fast halbiert habe, zeigte sich 2024 eine andere Entwicklung. Deutschlandweit stieg die Zahl der Bäcker-Auszubildenden um rund elf Prozent, so der Branchenmonitor der NGG.
Brot erlebt „wahnsinnigen Hype“
Florian Lutz, dem mehr als 53.000 Back-Fans auf seinem YouTube-Kanal „Mehlschmiede“ folgen, führt das wachsende Interesse der Azubis nicht nur auf die Bezahlung, sondern auch auf gesellschaftliche Entwicklungen zurück. „Brot erlebt gerade einen wahnsinnigen Hype. Und der Bäckerberuf wird zum Trendberuf.“ Erstmals erlebe auch sein Betrieb wieder deutlich mehr Zulauf beim Nachwuchs. Die Zeichen für die Zukunft sieht er daher „wirklich sehr positiv“.
Zumal auch die Weiterbildungschancen und Einsatzmöglichkeiten groß seien: „Ob bei der Sauerteigführung oder als Spezialist für französisches Gebäck oder für Snacks: Im Prinzip gibt es für alles eine eigene Wissenschaft, in die man sich vertiefen kann“, sagt Lutz. Zudem kann ich mich auch noch als Meister - wie er selbst es getan hat - weiterentwickeln und eine besondere Fortbildung absolvieren: zum Brot-Sommelier.
„Wir verstehen uns als Botschafter des Brotes. Schließlich haben wir in Deutschland mit 3.000 eingetragenen Sorten die höchste Brotvielfalt überhaupt“, so Lutz. Und es entstehen immer neue Ideen, damit die Kunden dieses Produkt nicht nur als Nahrungs-, sondern als Genussmittel wahrnehmen.
Was man für den Bäcker-Beruf braucht
Gerade wer „Lust auf Kreativität und Leidenschaft für das Produkt hat und ein Ergebnis von seiner Hände Arbeit sehen möchte“, sei im Bäckerberuf genau richtig, so Rajko Pientka.
Außerdem sollte man nach Ansicht von Florian Lutz gerne im Team arbeiten und eine gewisse Nähe zu Nahrungsmitteln haben. Und so wie in den meisten Berufen seien natürlich auch Disziplin und Zuverlässigkeit wichtig. „Dann überzeugen wir die Auszubildenden schnell, dass es das schönste Handwerk der Welt ist“, so der Bäckermeister. „Es gibt wenig Handwerke, die so viel Emotionen vermitteln wie das Bäckerhandwerk.“