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Hungrige Wildgänse nicht von jedem Feld vertreiben

05.11.2007, 09:41

Dagebüll/dpa. - Die Vertreibung von Wildgänsen von jedem Feld aus Angst vor Ernteschäden schadet nach Ansicht von Umweltexperten sowohl den Tieren als auch der Landwirtschaft.

«Dort wo sie keinen nennenswerten Schaden anrichten, müssen sie in Ruhe gelassen werden», sagte in Dagebüll der Diplom-Biologe Walther Petersen-Andresen vom Landesamt für Natur und Umwelt (LANU). Sonst würden die Tiere nur mehr Energie verbrennen und mehr Futter brauchen. «Wenn der Weizen hoch genug steht und das Feld nicht zu nass ist, ist kaum Schaden zu erwarten. Verluste können dagegen auftreten, wenn frisch eingesäte Felder von Gänsen aufgesucht werden, oder wenn die Nutzung durch die Vögel zu intensiv ist. Fachleute sprechen von 1500 bis 2000 sogenannter Gänsetage pro Hektar als Obergrenze.»

Der Landesbauernverband hatte zuletzt Fraßschäden durch Nonnengänse an vielen Feldern beklagt und in einem Schreiben das Umweltministerium um Hilfe gebeten. Petersen-Andresen stellte heraus, dass auch an der Westküste viele traditionelle Weideplätze der Gänse zu Ackerflächen umgebrochen worden seien. «Vor 70 bis 80 Jahren war die gesamte Marsch eine Äsungsfläche für Gänse. Damals waren die Bestände auch sehr viel höher.» Unter der Herrschaft des sowjetischen Diktators Josef Stalin seien die Gänse in ihren sibirischen Brutgebieten durch Jagd dramatisch dezimiert worden, um die Bevölkerung zu ernähren. Heute darf die Nonnengans in Europa nicht gejagt werden. Seit den 50er Jahren erholen sich die Bestände wieder. In den Rastgebieten Schleswig-Holsteins machen nach Schätzungen 100 000 bis 120 000 Tiere eine Flugpause.

«Da die Tiere in den vergangenen Jahren ihren Aufenthalt am Wattenmeer im Herbst und im Frühjahr verlängert haben, muss nach intelligenten Lösungen gesucht werden», meinte der Diplom-Biologe. Ornithologen, Landwirte und Jäger müssen gemeinsam eine Art Managementkonzept entwickeln, mit dem Ziel Maßnahmen umzusetzen, die die Schäden für die Landwirtschaft minimieren und gleichzeitig den Nahrungsbedarf für die Gänse sichern. Ein Beispiel dafür seien geförderte Gänseäsungsflächen, die aber gezielter auf von den Gänsen bevorzugten Flächen angelegt werden müssten, sagte der Experte. Eine blinde Vertreibung von jeder Agrarfläche sei kontraproduktiv: «Je mehr man sie vertreibt, desto mehr Energie also Futter brauchen sie.»