Hausbau, Karriere und Kind: Stress in der Lebensmitte
Berlin/dpa. - In den ersten Berufsjahren ist das Leben noch übersichtlich. Doch dann geht plötzlich alles schnell: Hochzeit, das erste Kind, der Kauf eines Eigenheims, die nächsten Schritte auf der Karriereleiter.
«Rush-Hour» nennen Soziologen diese Lebensphase, in der Paare Ende 20 bis Mitte 30 innerhalb kurzer Zeit viele Aufgaben bewältigen müssen. Nicht selten ist das ein enormer Kraftakt. «Frühere Generationen hatten mehr Zeit, um erwachsen zu werden», sagt Prof. Hans Bertram, Soziologe an der Humboldt-Universität Berlin. So war die heutige Großelterngeneration meist bereits mit 21 oder 22 Jahren fertig mit der Ausbildung und konnte langsam gen Hochzeit schreiten.
«Die jungen Menschen stecken heute viel länger in der Ausbildung und haben im Schnitt nur fünf Jahre Zeit, um sich für Partnerschaft und Familie zu entscheiden.» Erst die Ausbildung, dann Berufserfahrungen sammeln und eine Familie gründen - so lautet der Wunsch vieler Menschen. Und so geht es Ende 20 bis Mitte 30 hoch her.
Erfolg im Beruf, Kinder, eine glückliche Partnerschaft, das Eigenheim, finanzielle Sicherheit - beim Versuch, möglichst viele der eigenen Ziele umzusetzen, rutschen immer mehr Endzwanziger in Dauer-Stress. Statistiken der Krankenkassen zeigen, dass häufig in der «Rush-Hour» psychische Erkrankungen wie der Burn-Out entstehen.
Die jungen Väter stehen oft beruflich unter Druck. Zudem sehen sie sich in der Pflicht, ihre Partnerin bestmöglich zu unterstützen. Bei den Frauen ist die Doppelbelastung häufig noch größer: Nach der Babypause wollen viele schnellstmöglich zurück in den Job, Familien- und Erwerbsarbeit müssen in Einklang gebracht werden. «Das kann eine enorme Stressbelastung sein», sagt Prof. Bertram.
Doch was können Eltern tun, wenn das Kind auf der Welt ist, das Haus abbezahlt werden muss und der Beruf fordert? «Paare müssen individuelle Möglichkeiten suchen, den Stress zu reduzieren», rät Thomas Prünte, Diplom-Psychologe aus Hamburg. Oft seien es überzogene Erwartungen an sich selbst oder den anderen, die Probleme schaffen.
«Viele sehen das als persönliches Versagen, wenn sich abends das Geschirr in der Küche stapelt», sagt Prünte. Dabei könnten sie einfach das Licht ausmachen und den Kram liegen lassen. Auch das schlechte Gewissen berufstätiger Eltern gegenüber ihren «fremdbetreuten» Kindern ist Gift für die eigene Zufriedenheit. «Nutzen Sie lieber die wenige Zeit, die Sie für Ihre Kinder haben, intensiv», rät Evelyn Albrecht, Lebensberaterin aus München. «Was zählt, ist weniger die Anzahl der Stunden als die Qualität!»
Entscheidend sind auch Freiräume zur Erholung. Wer glaubt, dafür keine Zeit zu haben, schadet sich auf Dauer selbst. Prünte rät Paaren, Spielregeln für den Alltag zu vereinbaren. Wer kümmert sich um was? Wie können sich Partner gegenseitig entlasten? Zu diesen Überlegungen gehört auch, weitere Lebensentscheidungen auf ihre Umsetzbarkeit zu prüfen. Egal ob es um ein weiteres Kind oder berufliche Veränderungen geht: «Überlegen Sie genau, ob Sie noch weitere Aufgaben schaffen können», rät Albrecht.