Handy am Steuer Handy am Steuer: Gerichte kennen kaum Pardon

Stuttgart/Berlin/dpa. - Grundsätzlich ist das jedem klar. Dennoch sindMobiltelefone beim Fahren ein Dauerbrenner vor Gericht.
«Fast jeden Monat findet sich eine neue Entscheidung zumHandyverbot», sagt Volker Lempp vom Auto Club Europa (ACE) inStuttgart. Das ist kein Wunder, denn laut einer Umfrage sehen dieDeutschen das Telefonieren am Steuer locker: Die Studie der Dekra in Stuttgart ergab, dass 22 Prozent der Fahrer ohneFreisprecheinrichtung telefonieren. Dabei ist nicht nur dasTelefonieren verboten, sondern jede Handynutzung ohneFreisprechanlage.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschied, dass das Ablesen derUhrzeit vom Display ebenso ordnungswidrig sei wie das Lesen einer SMSoder einer Telefonnummer im Display (Az.: 2 Ss OWi 177/05; 2 Ss OWi1005/02; 2 Ss OWi 402/06). Entsprechend urteilte das OLG Jenabezüglich der Nutzung des Handys als Diktiergerät (Az.: 1 Ss OWi82/06). «Sowie sie das Handy anfassen, ist es vorbei», sagt JörgElsner, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht imDeutschen Anwaltverein in Berlin.
Im Gesetz heißt es «in der Hand halten». Doch das bloße Umlagerndes Gerätes vom Ablagefach in die Mittelkonsole bleibt straffrei,entschied das OLG Köln (Az.: 83 Ss OWi 19/05). Und wenn das Handybeim Fahren in den Fußraum fällt, darf man es laut OLG Bamberg wiederaufheben, ohne einen Punkt zu riskieren (Az.: 3 Ss OWi 452/07).«Sämtliche Bedienfunktionen sind aber vom Verbot umfasst», so Lempp.Das gilt laut OLG Köln selbst für integrierte Navis (Az.: 81 Ss-OWi49/08).
Irrelevant ist, ob es sich um ein klassisches Handy, einenPalm-Organizer oder ein Autotelefon handelt. Die wohl einzigeAusnahme bildet das Schnurlostelefon der Festnetzanlage. Da dieseseben kein «Mobiltelefon» ist, umfasst das Handyverbot es laut OLGKöln nicht (Az.: 82 Ss OWi 93/09).
Ansonsten gilt laut Elsner: Sobald der Motor läuft, «Finger wegvom Handy». Denn auch, wenn das Auto steht, riskiert man ein Bußgeld.Im grünen Bereich ist nur, wer an einer roten Ampel flugs den Motorausstellt, telefoniert und das Gespräch beendet, bevor er den Wagenwieder startet (Az.: 2 Ss OWi 190/07). So entschied das OLG Hamm.
«Bei wiederholten Verstößen kann es sogar passieren, dass dieFahrtauglichkeit infrage gestellt wird und man zum Idiotentest muss»,warnt der ACE-Experte. So urteilte das OLG Jena (Az.: 1 Ss 54/06).Kommt es zu einem Unfall, kann es richtig teurer werden. «Die Nutzungdes Handys kann als grobe Fahrlässigkeit gedeutet werden», erklärtElsner. Laut Maximilian Maurer vom ADAC könnten dann Schäden nichterstattet werden. Das Landgericht (LG) Kiel entschied auf 20 ProzentMitverschulden bei einem unverschuldeten Unfall (Az.: 7 S 100/04).
Doch auch, wer eine Freisprecheinrichtung benutzt, istversicherungsrechtlich nicht auf der sicheren Seite. In einem Fallhatte ein Pkw-Fahrer bei Tempo 120 einen Anruf abweisen wollen, kamaus der Spur und fuhr auf einen Wohnwagen auf. SeineVollkaskoversicherung verweigerte wegen grober Fahrlässigkeit dieZahlung. Zu recht, entschied das LG Frankfurt (Az.: 2/23 O 506/600).