Gnade vor Recht Gnade vor Recht: Bei Verspätungen müssen Bahnkunden auf Kulanz hoffen
Berlin/dpa. - «Das ist aber nur eine marginaleVerbesserung», findet Holger Jansen, Projektleiter Fahrgastrechtebeim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin.
Am Prinzip der Haftungsregelung hat sich ohnehin nichts geändert,und das beschreibt Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland (VCD)in Berlin so: «Der Kunde hat keine Rechte, aber die sollte ernutzen.» Im Schienenverkehr gilt die Eisenbahnverkehrsordnung (EVO).Sie stammt noch aus dem Jahr 1938. In Paragraph 17 heißt es:«Verspätung oder Ausfall eines Zuges begründen keinen Anspruch aufEntschädigung. Die Eisenbahn hat jedoch bei Ausfall oder verhinderterWeiterfahrt eines Zuges, soweit möglich, für die Weiterbeförderung zusorgen.»
Die Beförderungsbedingungen der Bahn leiten daraus einige konkreteAnsprüche ab: So kann der Fahrgast kostenlos zum Ausgangsbahnhofzurückkehren oder die Reise abbrechen und sich den Fahrpreis für dieReststrecke ersetzen lassen, sollte der Zielbahnhof wegen großerVerspätung nicht mehr zu erreichen sein.
In der Praxis bringe das wenig, kritisiert Jansen. Schließlichtrete niemand den Rückweg an, wenn er sich seinem Ziel schon hundertevon Kilometern angenähert hat. Außerdem stehe der erstatteteFahrpreis im zweiten Fall in keinem Verhältnis zu den Kosten, dieetwa eine Weiterfahrt im Taxi verursachen würde.
Darüber hinaus sind Bahnkunden auf die Kulanz des Unternehmensangewiesen, und das heißt zunächst: auf die Gnade des Schaffners. Dervzbv hat jetzt zusammen mit dem Fahrgastverband Pro Bahn einMerkblatt veröffentlicht, auf dem die wichtigsten Regelungennachzulesen sind: Demnach gibt es im ICE bei Verspätungen von 30Minuten und mehr einen Gutschein über 10 Euro; der Bonus erhöht sichauf 25 Euro bei Verspätungen im Fernverkehr von mehr als 90 Minuten.
Doch das Entgegenkommen betrifft nur den Punkt-zu-Punkt-Verkehr.Wer wegen einer nur 20-minütigen Verspätung seinen Anschlusszugverpasst, muss unter Umständen stundenlange Verzögerungen in Kaufnehmen und geht trotzdem leer aus. Dennoch sollten Bahnkunden ihrenÄrger nicht einfach herunterschlucken. Beschwerden können sich lohnen- auch nachträglich. «Es hängt viel von der Laune der Bearbeiter ab»,so VCD-Experte Lottsiepen.
Etwas mehr Rechtssicherheit genießen Nahverkehrs-Passagiere inNordrhein-Westfalen. Vor knapp zwei Jahren wurde in derVerbraucher-Zentrale NRW in Düsseldorf die SchlichtungsstelleNahverkehr eingerichtet, die bei Beschwerden zwischen Fahrgästen undVerkehrsunternehmen vermittelt. «Mehr als drei Viertel der Fällebetreffen die Deutsche Bahn», sagt Leiter Christian Schirmer.
Auch wenn die Schlichtungsstelle bisher nur auf dem Gebiet vonNordrhein-Westfalen tätig ist - es ist beim Thema Fahrgastrechteetwas in Bewegung gekommen. Den Experten reicht das jedoch nicht.Holger Jansen etwa schwebt als Endziel eine Regelung wie in denNiederlanden vor: Dort gibt es ab einer 30-minütigen Verspätung 50Prozent, nach 60 Minuten sogar 100 Prozent des Reisepreises zurück:«Das ist absolut vorbildlich.»