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Zermürbende Körpersignale Zermürbende Körpersignale: Chronische Schmerzen oft falsch behandelt

17.05.2006, 08:50

Marburg/Oberursel/dpa. - Sie kommen dumpf, drückend oder stechend daher: Chronische Schmerzen sind ein Volksleiden. Mit neuenBehandlungskonzepten versuchen Schmerztherapeuten frühzeitig zuverhindern, dass aus vorübergehenden Schmerzen Dauerbrenner werden.«Man geht davon aus, dass eine Million Menschen in DeutschlandSchmerzen haben, die mit Opioiden behandelt werden sollten», sagtDietmar Krause vom Deutschen Grünen Kreuz (DGK) in Marburg. Rund600 000 benötigten eine intensive Therapie bei einemSchmerzspezialisten.

Schmerz ist eigentlich ein sinnvolles Warnsignal des Körpers. Solässt der Verbrennungsschmerz Menschen die Hand von der Herdplatteziehen, bevor die Haut vollends verbrannt ist. Bei chronischenSchmerzen sieht es anders aus: Die konkreten Ursachen sind in vielenFällen nicht mehr ersichtlich. Und damit tun sich viele Ärzte schwer.

«Die Ausbildung der Ärzte ist, was die Diagnostik und Behandlungchronischer Schmerzen angeht, nach wie vor ungenügend», kritisiertBarbara Ritzert, Sprecherin der Deutschen Schmerzliga in Oberursel(Hessen). Einen Facharzt für Schmerztherapie gebe es bis heute nicht.

Ein Problem ist auch der falsche Umgang vieler Allgemeinärzte mitstarken Schmerzmitteln, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen.«Ein starker Schmerz braucht starke Medikamente, sagt Dietmar Krausevom Deutschen Grünen Kreuz. Die Befürchtung Opioide - synthetischeAbkömmlinge des Morphins – machten süchtig, sei völlig falsch.

Als Tabletten oder Pflaster verabreicht, sorgen Opioide lautKrause für einen gleichmäßigen Wirkstoffspiegel, der den betreffendenSchmerz ausschalten kann. «Opioide müssen viel früher eingesetztwerden», sagt der Experte. Sonst entstehe ein Schmerzgedächtnis: Einleichter, ursprünglich nicht schmerzhafter Reiz genügt dann schon, umals tatsächlicher Schmerz empfunden zu werden – auch wenn dereigentliche Auslöser keine Schmerzen mehr verursacht.

Sind Schmerzen chronisch, müssen sie als eigenständige Krankheitbehandelt werden. «Fortgeschrittene chronifizierte Schmerzen kann manselten heilen», sagt Schmerzliga-Sprecherin Ritzert. «DasSchmerzgedächtnis lässt sich nicht mehr löschen, wohl aberüberschreiben.» Die Verminderung der Schmerzintensität stehe imVordergrund der Schmerztherapie.

«Der wichtigste Punkt ist, das man zunächst die Diagnose klärt»,sagt der Mediziner und Psychologe Prof. Hartmut Göbel, Chefarzt derSchmerzklinik Kiel. Bei der Suche nach den Schmerzursachen istfachübergreifendes Denken gefragt: «Das ist wie bei einemFahrradschlauch, der fünf Löcher hat - man muss die alle auf einmalfinden und flicken», sagt Göbel.

Zeichen der modernen Schmerztherapie sind daher zwei Säulen: dieNeurologie und die Psychologie. Erst wenn der Schmerz mit demrichtigen Medikament ausgeschaltet wurde, könne eine Psychotherapieerfolgen, die versucht, die Weichen auf den eingefahrenenSchmerzbahnen im Gehirn umzulegen, erklärt Prof. WalterZieglgänsberger vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München.

Dabei kommen dann auch Themen wie Schlafstörungen, Depressionenoder sozialer Rückzug auf Tisch. Die Betroffenen können mit Hilfe derPsychotherapie zum Beispiel lernen, falsches Verhalten durchgesundheitsfördernde Verhaltensweisen zu ersetzen.

Informationen: Deutsche Schmerzliga, Adenauer Allee 18, 61440Oberursel