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Wellness Wellness: Zwischen Lustgewinn und Leistungsdruck

Von Susanne Schmetkamp 14.09.2005, 07:15
Kondition und gute Laune - viele Besucher erwarten von Fitnessstudios nicht nur körperliches Training, sondern auch Motivation in der Gruppe. (Foto: dpa)
Kondition und gute Laune - viele Besucher erwarten von Fitnessstudios nicht nur körperliches Training, sondern auch Motivation in der Gruppe. (Foto: dpa) Horn-Verlag

Köln/dpa. - Wem das nicht liegt, für den gibt es unter anderem Gewichtheben, Fettverbrennungskurse, Bauch-Beine-Po-Training, Tai Chi oder Yoga.

5600 Fitness- und Wellnessstudios mit knapp fünf MillionenTrainierenden gibt es bundesweit, wie der Verband der DeutschenFitness- und Freizeitunternehmen (VdF) in Berlin mitteilt.Fachzeitschriften für Trainer geben Tipps, wie Kunden motiviertwerden können, so dass sie dem Studio «langfristig treu bleiben». Ganzheitlich orientierte Studios, die sich häufig nicht Fitness-, sondern Gesundheitsclubs nennen, integrieren Fitness und Wellness: Erst kommt das Anspannen, dann das Entspannen.

So auch im Kölner «Holmes Place Health Club». Nach dereinstündigen Radtour tauscht Trainer Michael Sado die Rad-Kluft gegen Schlabberhosen ein und nimmt mit rund 15 anderen, hauptsächlich Frauen, auf der Gymnastikmatte Platz. Sado macht «Stretch and Balance» mit Pilates- und Yogaübungen. Am Ende gibt es eine zehnminütige Meditation. «Das bedeutet für mich Wellness: entspannen, loslassen, den Alltag vergessen», so Sado.

Aber nicht alle trainieren überhaupt in der Gruppe. Vielen geht es rein individuell um Kraft, Ausdauer oder Fettverbrennung. ZurRush-Hour am frühen Abend sind in den Clubs alle Geräte besetzt, die Fitness-Anhänger joggen im Einvernehmen schwitzend nebeneinander auf Laufbändern und schauen auf Bildschirmen Börsennachrichten, «Soaps» oder Zeichentrickserien.

Die Branche tut viel, um zu wachsen. Auch ältere Menschen werdenzunehmend als Klientel entdeckt. Die Clubs reagieren mit NordicWalking, Aqua Jogging und Physiotherapie - oder setzen auf dieWirkung des Wassers, getreu dem lateinischen Spruch SPA: «Sanus Per Aqua - Gesund durch Wasser». Lifestyle- und Sportzeitschriften sowie viele Ratgeberbücher zeigen Methoden zum Abspecken und fördern nicht selten den Traum vom Idealkörper und rundum glücklichen Menschen, der sich nur auf die Geräte oder in Schwitzbäder setzen muss, um Wohlbefinden zu erreichen.

Die Angebote auf dem Markt variieren von Billiganbietern mit rein funktionalen Geräteräumen bis hin zu exklusiven Einrichtungen mit ganzheitlichen Programmen, die «Körper, Geist und Seele vereinen» wollen. Dazu zählen neben dem weltweit vertretenen «Holmes Place» die Häuser von «Meridian Spa» in Hamburg und Berlin, die «Oase» im Bremer Weserpark, der Club «Fitness exclusiv» in Leipzig oder das «Mediterana» in Bergisch Gladbach. Neben Beratung, Kursen, Saunaanlagen und Pool sind bei einigen Duschtücher oder frisches Obst inbegriffen. Beauty-Anwendungen und Massage kosten extra.

Das «Mediterana» verspricht Urlaubsfeeling à la Italien, Spanienoder Türkei. In Bademänteln oder nackt schlendern die Besucher durch die orientalisch gestalteten Gänge, über die Wiese oder schlemmen am Infostand türkisches Naschwerk. Bis zum späten Nachmittag gleicht die insgesamt 16 000 Quadratmeter große Anlage einem Taubenschlag, am Abend aber wird es ruhiger.

Wie üblich sind die Saunaräume bei Aufgüssen, die hier imHalbstundentakt angeboten werden, voll: Im «Bain Arabisances» mit marokkanischen Tonziegeln schwitzen knapp 20 Nackte bei 80 Grad. Es duftet nach Eukalyptus. Dann kommt das berühmte Wedeln, bei dem ein schweres Handtuch durch die Luft gewirbelt wird. Die gefühlte Hitze steigt rapide an, einige stöhnen.

«Dieses Wedeln gibt es bei uns gar nicht», sagt Tina aus Finnland, einem Land mit großer Saunatradition. Am Anfang habe sie die Methoden in Deutschland etwas lächerlich gefunden. «Die nehmen das alle so ernst mit den Aufgüssen und den ganzen Ruheräumen». In Finnland gehe man in die Sauna, springe in den See und kippe dazu Bier «bis man betrunken ist».

«In dieser Branche passiert aber auch viel Quatsch», sagt«Mediterana»-Geschäftsführer Siegfried Reddel. «Und der häufigste Fehler der Kunden ist, zu glauben: Viel hilft viel.» Stattdessen sollte man lieber in sich hinein hören, was der Körper will. Zum Wellness- Konzept gehöre auch eine bestimmte geistige Haltung, die entsprechende Ernährung und Bewegung.

Um Fitness, Wellness und Gesundheit werde zu viel Wirbel gemacht, findet Manfred Lütz, Facharzt für Psychiatrie in Köln und Autor des Buches «LebensLust - Wider die Diät-Sadisten, den Gesundheitswahn und den Fitness-Kult». Der Fitnesskult beherrsche unser Leben auf beinahe «totalitäre Weise». Manche Leute lebten «nur noch vorbeugend, um dann gesund zu sterben», sagt Lütz ironisch. «Und so verschwendet man unwiederholbare Lebenszeit und verpasst das eigentliche Leben.»