Vorsorge oder Panikmache? Vorsorge oder Panikmache?: Tests schüren manchmal Ängste - Was wirklich nötig ist

Halle (Saale) - LSR, Chlamydien, Antikörpersuchtest - wenn eine Schwangere ihren Mutterpass in der Hand hält, schluckt sie erstmal. Was da alles getestet wird, klingt nach ungeahnten Gefahren. Wer vorher dachte, die Natur werde es schon richten, kommt ganz schnell auf die Idee, dass dem ganz und gar nicht so ist. Tatsächlich sollen viele Untersuchungen einfach nur bestimmte Risiken ausschließen. Aber muss man das wirklich alles wissen?
Um zu unterscheiden, welche Untersuchungen notwendig sind, kann sich die Schwangere erstmal an der Kostenübernahme orientieren. „Alle Maßnahmen, die im Mutterpass aufgeführt seien, hat der Gesetzgeber in den Mutterschaftsrichtlinien als sinnvoll eingestuft“, erläutert Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Mit den Untersuchungen sollen frühzeitig Risiken für Mutter und Kind erkannt werden.
Schwangere muss zuzahlen
Daneben bieten viele Arztpraxen Zusatzleistungen an, die die Patientin aus eigener Tasche zahlen muss. Zum Beispiel der Toxoplasmose-Test: Diese Infektionskrankheit kann dem Ungeborenen gefährlich werden. Hat die Schwangere sie aber schon mal durchgemacht, ist der Fötus mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen der Antikörper der Mutter dagegen geschützt.
Da Toxoplasmose über Katzenkot oder rohes Fleisch übertragen werden kann, hat das Ergebnis des Tests Auswirkungen auf die Ernährungsempfehlungen und den Umgang mit Haustieren. Ist das Ergebnis negativ, wird die Frau im weiteren Verlauf der Schwangerschaft noch mehrfach getestet, um eine Infektion schnell zu erkennen. Möglich ist auch ein Test auf eine durchgemachte Infektion mit Zytomegalieviren oder Ringelröteln.
„Frauen sollten solche Untersuchungen nur dann machen lassen, wenn sie aus ärztlicher Sicht auch notwendig sind“, sagt Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbandes (DHV). Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Schwangere als Erzieherin arbeitet und dadurch ein erhöhtes Risiko hat, sich anzustecken. Hält der Frauenarzt Tests für medizinisch notwendig, kann er sie auch abrechnen, erklärt Geppert-Orthofer.
Aus Sicht von Albring ist vieles davon durchaus anzuraten. Für eine ganze Reihe von diagnostischen Maßnahmen lägen aufgrund von internationalen Studien, Leitlinien und seitens des Robert-Koch-Instituts dringende Empfehlungen vor, betont er.
Solche Tests nehmen manchen Frauen die Ängste - bei anderen wiederum befördern sie sie eher. Die Psychotherapeutin Nicole Altenburg rät ängstlichen Schwangeren: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Denn: Je mehr Ergebnisse die Schwangere bekommt, desto mehr müssen sie und ihr Partner entscheiden.
Zu Untersuchungen, deren Ergebnisse eventuell Folgeentscheidungen erfordern, gehört das Ersttrimester-Screening - eine Ultraschalluntersuchung sowie ein Bluttest im ersten Drittel der Schwangerschaft. Das Screening soll bestimmte Chromosomenstörungen aufdecken, vor allem Trisomie 21. Letztlich kann das zur Entscheidung für oder gegen das Kind führen. „Wer sich dem nicht aussetzen möchte oder sicher weiß, dass er das Kind so oder so annehmen wird, hat auch ein Recht auf Unwissen“, sagt DHV-Präsidentin Geppert-Orthofer. Sie rät Schwangeren, sich vor der Untersuchung zu fragen: „Was kann ich erfahren, und möchte ich das wissen?“
So sieht es auch Altenburg. Aus der einen Untersuchung folgen nämlich schnell noch weitere. Ein Ausstieg aus der Diagnostik fällt dann immer schwerer. Manche Frauen wollten aber einfach Bescheid wissen, um sich auf eine mögliche Behinderung vorzubereiten, sagt Geppert-Orthofer.
Um sich nicht verrückt machen zu lassen, sei es in jedem Fall hilfreich, jemanden an seiner Seite zu wissen. Altenburg zufolge kann das der Partner sein, die eigenen Eltern oder auch der Frauenarzt oder die Hebamme.
Schlimme Geschichten
Allerdings kann das Umfeld auch verunsichern. „Man hört viel von vielen Seiten, und man hört immer die schlimmen Geschichten“, sagt Geppert-Orthofer. Wer sich informieren will, sollte daher ganz bewusst auf neutrale Informationskanäle wie etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung setzen.
Hat die Schwangere das Gefühl, nicht mehr Herr der Lage zu sein, sollte sie sich einen Therapeuten suchen. „Sobald jede neue Information mir Blutdrucksteigerung bringt, es mir schlecht geht, ich unruhig werde und die innere Stabilität nicht mehr hinbekomme, ist professionelle Hilfe angesagt“, erklärt Altenburg. Manche Frau wälze allerdings auch alle möglichen Bücher, sei über alles informiert, leide darunter aber nicht. Wer die Informationen einfach als Wissensgewinn betrachten könne, habe in der Regel auch kein Problem, sagt die Psychotherapeutin. (mz)