1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Verhütung: Verhütung: Pillenmüdigkeit

Verhütung Verhütung: Pillenmüdigkeit

23.01.2002, 10:13

Köln/Frankfurt/Main/dpa. - Grundsätzlich gilt allerdings, dass es noch nie so vieleHormonnutzerinnen gegeben hat wie zur Zeit, wie die Ärztin RuthEichmann von Pro Familia in Frankfurt festhält. Fast 44 Prozent der20- bis 44-jährigen Frauen, die verhüten, nehmen die Antibabypille.Das ergab die neueste Erhebung über das «Kontrazeptionsverhalten vonFrauen und Männern» der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung(BZgA) in Köln. Auf der anderen Seite verzichten 31 Prozent dersexuell Aktiven auf jede Art von Verhütungsmitteln: Dabei liegt derAnteil in der Gruppe der unter 30-Jährigen bei 19 Prozent. Bei den30- bis 44-Jährigen sind es 35 Prozent.

Maren Weidner vom Landesverband Pro Familia in Hamburg weiß ausihrer Beratungspraxis, dass bei Frauen mit der Zeit das Gefühlwächst, irgendwann genug Fremdstoffe geschluckt zu haben: «Es gibtimmer wieder Frauen, die die Pille gut vertragen, keine Beschwerdenhaben, denen es aber widerstrebt, täglich die Pille zu nehmen». AbMitte 20 aufwärts setze die Auffassung ein, jetzt sei es langsamgenug.

Für Ärztinnen wie Maren Weidner steht hinter der Pillenmüdigkeithäufig noch etwas anderes. Zum einen wollen manche nicht längerallein für die Verhütung zuständig sein. Sie wünschen sichpartnerschaftliche Lösungen. Anderen widerstrebt es, immer in derLage zu sein, Sex haben zu können. Laut Gisela Gille, Vorsitzende der«Ärztlichen Gesellschaft für Gesundheitsförderung der Frau» ausLüneburg, fehlt Frauen unter Pilleneinnahme das, was alle Lust erhöht- der Aufschub.

«Die Erwartung der Frauen vom Sex schwankt von Lebensphase zuLebensphase sehr viel stärker als bei Männern», sagt Gille. «ZuBeginn der Verhütungsphase wird die Pille von jungen Mädchen nichthinterfragt. Sie ist ähnlich wie die Zigarette einErwachsenensymbol», erklärt die Lüneburger Expertin. Pillenmüdigkeitbeginne erst nach dem 20. Geburtstag - aus vielerlei Gründen. Sobestehe ein eindeutiger Zusammenhang zwischen «lauwarmem Sexgefühl»und Unzufriedenheit mit der Pille. «Manche denken: Für diese Nummerschlucke ich jeden Tag die Pille.» Die Pille schenke zwar Freiheitvor Schwangerschaft, aber das allein bringe noch keine Lust. «Dazugehört der richtige Partner», so Gille.

Auch der Wunsch, mit seiner Fruchtbarkeit geliebt zu werden undden eigenen Zyklus wahrzunehmen, schüre die Ablehnung gegenüber derständigen Hormoneinnahme. «Frauen, die bewusst mit ihrem Körperleben, vermissen, dass sie unter der Pille ihren Zyklus nicht mehrspüren», sagt Gille. Pro-Familia-Mitarbeiterin Maren Weidnerbestätigt, dass viele Frauen das neue Körpergefühl nach dem Absetzender Pille als Gewinn erlebten.

Bewusste Lebens- und Familienplanung ist ein gesellschaftlichesund individuelles Ideal. Die Realität sieht jedoch anders aus. Oftist der Wunsch, ein Kind zu haben, nur «halbbewusst». Er drückt sichdann indirekt aus im angeblichen Verdruss an der Pille. «Bisweilenwird die Pille immer wieder vergessen», sagt die Hamburger BeraterinWeidner. Es sei nicht einfach, sich einzugestehen, dass die Zeit derproblemlosen Pilleneinnahme möglicherweise vorbei sei.

«Meinem Kinderwunsch gegenüber war ich sehr zwiespältig, und meinFreund stand ihm eher ablehnend gegenüber. Als sich meine biologischeUhr bemerkbar machte, mochte ich die Pille nicht mehr nehmen»,erklärt eine 42-Jährige aus Heidelberg nachträglich ihre Beweggründe,sich mit 35 Jahren von der täglichen Hormongabe zu verabschieden.