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Tierisch gute Heilung - Maden reinigen Wunden

Von Wenke Böhm 06.04.2009, 12:01

Bietigheim-Bissingen/dpa. - Maden in einer offenen Wunde? Für viele klingt das nach Horror. Aber längst nicht für alle. Rund 3000 Menschen haben die Prozedur einer Behandlung mit Maden im Krankenhaus Bietigheim über sich ergehen lassen. Freiwillig.

Viele von ihnen schwören heute auf die Maden-Therapie, die 1996 in der Stadt nördlich von Stuttgart ihren Siegeszug durch Deutschland gestartet hat. «Die Akzeptanz bei den Patienten ist riesig», betont Wim Fleischmann, früherer Chefarzt und deutscher Vater der Maden-Therapie.

Er weiß, dass die kleinen weißen Krabbler Wunderbares bei Wunden bewirken können. Sie futtern abgestorbene Hautstellen weg und geben ein Sekret ab, das die Heilung beschleunigt. Besonders effektiv sind sie bei chronischen Erkrankungen, wie etwa Diabetes. «Wir machen uns da ein 420 Millionen Jahre altes, evolutionäres Prinzip zunutze», sagt der Mann der ersten Stunde. Schon seit Urzeiten behaupten sich die Fliegen-Babys gegen Bakterien - hier zum Nutzen der Menschen.

Die tierische Putzkolonne ist blitzeblank und keimfrei, wenn sie zu Werke geht. Die Eier der grünschimmernden Goldfliege (Lucilia sericata) werden zuvor von der Vertriebsfirma in Schleswig-Holstein penibel desinfiziert, unter strengen Kontrollen. «Das kranke Bein einfach in eine Biotonne zu halten geht auf keinen Fall», sagt Fleischmann und lacht. Auf der Wunde bleiben die Maden vier Tage lang, bevor sie ausgetauscht werden. Regelmäßig müssen sie befeuchtet werden, damit sie nicht vertrocknen. Wenn sie etwa einen Zentimeter messen, verpuppen sie sich und werden unbrauchbar.

Der Arzt betont, dass er die Therapie nicht erfunden hat. Schon vor Jahrhunderten hätten Naturvölker um die Wirkung der Fliegen-Babys gewusst, sagt der 65-jährige Vater dreier Kinder. Mediziner in den USA haben das Verfahren in den 80er Jahren wieder ins Gedächtnis gerufen. Ein Brite brachte es dann 1995 nach Europa, und nur ein Jahr später holte Fleischmann die Maden-Therapie nach Deutschland. Initialzünder war ein Feuerwehrmann mit einer gefährlichen Entzündung am Bein. In der Wunde befanden sich zufällig Fliegenmaden. Nachdem sie entfernt worden waren, verschlimmerte sich der Zustand. «Wir standen kurz vor einer Amputation», sagt Fleischmann. Um das Bein zu retten, suchte er nach neuen Methoden, und stieß in Großbritannien auf die Maden. «Wäre die Behandlung nicht so ein Erfolg gewesen, gäbe es heute bei uns wohl keine Maden-Therapie.»

Schwester Birke Thöner macht rund 1000 Madenverbände pro Jahr und denkt gern an die Anfänge zurück. Die ersten Maden hätten sie sich damals aus England schicken lassen, berichtet sie. Eine Zeit lang habe dann die Uni Hohenheim welche für das Krankenhaus gezüchtet, bevor irgendwann Spezialfirmen die Goldfliegen-Babys anboten. Auch heute noch werde die Maden-Therapie oft als «Humbug» oder «olle Kamelle» abgetan, beklagt Fleischmann. Er kämpfe auch für die Anerkennung durch die Krankenkassen. «Die meisten Patienten zahlen die Behandlung noch selbst.» Dabei bieten inzwischen viele Krankenhäuser die Therapie an. Deutschlandweit seien seit 2001 rund 40 000 Menschen behandelt worden.

Die Patienten sind zum Teil Feuer und Flamme. «Ich kann die Maden-Behandlung nur empfehlen», sagt Heini Lechner. Der 67-Jährige hatte Sepsis. Limit. In den fünf Monaten im Krankenhaus hätten die Maden an verschiedenen Wunden genagt. Vor allem am Fuß sei der Erfolg enorm gewesen. «Das Krabbeln der Tiere habe ich nicht gespürt», betont er. Edith Schulz (84) wurde mit einem Maden-Kissen - ähnlich einer Wundauflage - behandelt. «Wegen meiner trockenen Haut hat es leider auf der Wunde gerieben.» Aber bei ihrem Mann hätten die Tierchen viel Gutes bewirkt.

Manchmal entsteht eine Bindung zwischen Mensch und Maden. Fleischmann spricht sogar von einer Art «Sucht» bei einigen Patienten, und Thöner berichtet: «Sie sagen oft, dass sie den Tieren zu Trinken geben, wenn sie das Kissen anfeuchten.» Zu gut sollte das Verhältnis allerdings nicht werden, denn nach vier Tagen gibt es neue Maden und die alten werden «entsorgt». Meist vertrocknen sie. «Wir könnten sie auch freilassen, weil sie sich beim Verpuppen selbst desinfizieren. Aber hunderttausende Fliegen, die ums Krankenhaus kreisen, wären wohl ziemlich unpassend.»

Kliniken Ludwigsburg-Bietigheim: www.kliniken-lubi.de