Schmerztherapie für Senioren Schmerztherapie für Senioren: Zähne zusammenbeißen gilt nicht immer

Nürnberg/Essen/dpa. - Schmerz gehört zum Alter, sagt der Volksmund. Das ist falsch, sagen Experten. «Schmerz ist im Alter nicht zwingend», erklärt Professor Cornel Sieber, Altersmediziner am Klinikum Nürnberg Nord. Ein weiterer Mythos sei, dass alte Menschen Schmerzen weniger stark empfinden. «Alter ist kein Schmerzmittel», sagt Professor Hans Georg Nehen, Chefarzt am Elisabeth-Krankenhaus in Essen. Im Gegenteil: Die Schmerztoleranz eines Menschen kann mit den Jahren sogar sinken.
Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie in Oberursel (Hessen) plagen vier von fünf Patienten im Alter über 75 schmerzhafte Gelenkerkrankungen. Dennoch sprechen Senioren meist nicht über Beschwerden: «Die 70- bis 90-Jährigen haben gelernt, die Zähne zusammenzubeißen», erläutert Altersmediziner Nehen. «Damals hieß es: Ein anständiger Mensch hält durch und klagt nicht.»
Die Mediziner unterscheiden zwischen akuten und chronischen Schmerzen: Ein akutes Leiden ist genau genommen eine Hilfe, denn es signalisiert dem Körper zum Beispiel eine Verletzung. Wird diese richtig behandelt, verschwindet der akute Schmerz wieder. Ganz anders sieht es bei chronischen Schmerzen aus: Sie treten auf, ohne dass eine konkrete Schädigung vorliegen muss.
In der Regel sind chronische Schmerzen Folge eines Lernprozesses des Nervensystems: Tritt ein Schmerz regelmäßig auf, speichert dieses den Reiz. In der Folge können die Nerven Schmerzinformationen selbst aussenden. Die Mediziner sprechen von einer Chronifizierung. «Wichtig ist deshalb, dass Schmerzen frühzeitig richtig behandelt werden», sagt Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie. Doch selbst wenn sich der Schmerz bereits verselbstständigt hat, können Ärzte noch helfen.
Jeder Schmerztherapie muss eine exakte Analyse vorausgehen. Kann die Ursache nicht behandelt werden, steht die Schmerzlinderung im Mittelpunkt. In einem so genannten Schmerzinterview wird der Patient unter anderem nach Ort und Dauer des Leidens befragt. Auf einer Skala gibt er zudem die Intensität an. «Das ist Voraussetzung für jede Behandlung», sagt Müller-Schwefe. Zur Behandlung gehören neben Medikamenten auch Krankengymnastik und Psychotherapie. Wenn Menschen 20 Jahre lang Schmerzen haben, werde der chronische Schmerz zu einem Teil ihres Lebens, erklärt Sieber. Darüber müsse geredet werden.
Nicht behandelte Leiden können weitere Krankheiten nach sich ziehen. «Der Schmerz führt zu steigender Immobilität. Die Leute bewegen sich nicht mehr, das führt zu einem weiteren Abbau der Muskulatur», sagt Sieber. «Gehen die Leute nicht mehr aus dem Haus, setzt sich ein Teufelskreis in Gang: Sie vereinsamen und bekommen Depressionen.»
Bekommt der Hausarzt die Schmerzen nicht in den Griff, sollten sich Patienten an spezielle Therapeuten wenden. Viele Krankenhäuser verfügen beispielsweise über Schmerzambulanzen. Die Deutsche Schmerzliga in Oberursel kann qualifizierte Ärzte in allen Regionen nennen. «Wichtig ist, den Leuten klar zu machen, dass sie Schmerzen nicht akzeptieren müssen», betont Sieber.
Informationen: Deutsche Schmerzliga (Tel.: 0700/375 37 53 75)