Psychologie Psychologie: «Dampf ablassen» ist auf die Dauer ungesund

Trier/Oberhausen/dpa. - Ein berühmter Verfechter des Gedankens, seine Wut heraus zu lassensei gut, war Sigmund Freud, der Begründer der Triebtheorie. Derösterreichische Arzt und Vater der Psychoanalyse ging dabei von einemangeborenen Aggressionstrieb aus. Wenn dieser immer wiederunterdrückt wird, seien seelische Störungen die Folge. «Unsinn», sagtder Psychologe Karl Landscheidt aus Oberhausen. «Natürlich ist Wuteine emotionale Reaktion auf bestimmte Umstände. Aber dieVorstellung, es sei ungesund, Wut zu unterdrücken, ist schlicht falsch.»
Grundsätzlich gilt: «Ob man auf etwas wütend reagiert, hängt davonab, wie die Sache bewertet wird», erläutert die Psychologin undUnternehmensberaterin Peri Kholghi aus Bensheim (Hessen). UndPsychologe Landscheidt ergänzt: Bei Wut wird dem Gegenüber häufigeine böse Absicht unterstellt. Und daher kann Wut sofortverschwinden, wenn dieser Grund plötzlich nicht mehr greift. «StellenSie sich vor, Ihnen fährt auf der Autobahn ein Sechser-BMW dicht auf.Das macht Sie wütend. Plötzlich sehen Sie, dass das ein Arzt imEinsatz ist und der BMW es aus diesem Grund eilig hat: Die Wut istdann von der einen zur anderen Sekunde weg.»
Wut ist also auch Einstellungssache. «Wenig aggressive Personenempfinden seltener Situationen als ärgerlich.» Zwar spielten die Genemit eine Rolle, so der Psychologe, das Verhalten werde aber auchdurch Lernen beeinflusst. Einige werden daher häufiger und heftigerwütend. «Wer viele egoistische Ansprüche hat, sieht sie eher alsverletzt an als jemand, der seine eigenen Ansprüche mit denberechtigten Anliegen anderer abgleicht», erläutert Prof. Montada.
Dabei gehen Männer und Frauen mit ihrer Wut unterschiedlich um.«Männer sind eher wettbewerbsorientiert und sehen die Wut auch als Möglichkeit an, sich mit jemanden auseinander zu setzen undmöglicherweise als Sieger aus der Situation hervorzugehen», erklärtPsychologin Kholghi. Dagegen seien Frauen eher nach innen gerichtetund stellten sich Fragen wie: «Warum regst du dich auf, bleib doch gelassen.»
Weder das eine noch das andere Extrem ist laut Kholgi richtig:«Wir brauchen beides. Wenn man die Wut immer nur auf sich selberzurückführt, dann vermeidet man die Auseinandersetzung und damit eineLösung des Konflikts.» Richtig wäre es, zunächst die Wut zuakzeptieren, um dann mit dem Betreffenden in Ruhe darüber zu reden.«Denn das wird immer schwieriger, je länger man wartet, da sich danndie Aggression immer mehr aufstaut.» Ob einem das die Sache dann wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. «Manmuss nicht alles problematisieren und ausfechten», sagt Kholghi.
Wer nicht gleich rot sieht, kann sogar Positives aus seiner Wutziehen. «Wut wird immer nur als etwas Schlechtes dargestellt, dochsie kann auch durchaus Gutes bewirken und zu Leistungen anspornen,die man sonst nicht zustande gebracht hätte», erklärt Kholghi. Solasse sich aus der Wut Energie ableiten, um die Situation beimnächsten Mal besser zu meistern.