1. MZ.de
  2. >
  3. Leben
  4. >
  5. Gesundheit
  6. >
  7. Nabelschnur: Stammzellen können Krankheiten heilen

Nabelschnur: Stammzellen können Krankheiten heilen

Von Bettina Levecke 22.04.2009, 07:35

Bochum/dpa. - Fast 2000 Babys erblicken in Deutschland jeden Tag das Licht der Welt. Die Nabelschnur landet in den meisten Fällen im klinischen Abfall. Dabei stecken in ihr wertvolle Zellen.

Sie können anderen Menschen oder auch dem Kind selbst im Krankheitsfall das Leben retten. «Diese Zellen sind in der Lage, Heilfunktionen im Körper zu übernehmen», erklärt Prof. Arne Jensen von der Universitätsfrauenklinik in Bochum. «Im Nabelschnurblut ist die Anzahl mononukleärer Stammzellen, die besonders vielseitig wirken, 200 bis 300 Mal höher als im normalen Blut.»

Eltern haben zwei Möglichkeiten, das Nabelschnurblut des frisch geborenen Kindes zu konservieren: entweder gegen Gebühr oder als kostenlose Spende. Bei letzterem werden die Stammzellen in einer Datenbank erfasst und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt. «Menschen, die zum Beispiel an Leukämie, schwerer Blutarmut oder einer Immunschwäche leiden, kann mit einer Transplantation des passenden Nabelschnurblutes geholfen werden», sagt Jensen.

Vorteil des Nabelschnurblutes ist die im Allgemeinen besonders gute Verträglichkeit beim Empfänger - und die sofortige Verfügbarkeit, ergänzt Marlena Robin-Winn, Gründerin und Leiterin des Norddeutschen Knochenmark- und Stammzellspender-Registers (NKR) in Hannover. «Das kindliche Blut wird in Stickstoff eingefroren und ist nach derzeitigem Kenntnisstand über Jahrzehnte haltbar.» Doch in Deutschland bieten noch längst nicht alle Kliniken diese Möglichkeit an. «Eltern müssen sich vorab informieren, ob ihr Krankenhaus vor Ort die Nabelschnurblutspende ermöglicht», sagt sie.

Als Spende für die Allgemeinheit - und dessen müssen Eltern sich bewusst sein - verfällt der eigene Anspruch auf das Nabelschnurblut: «Sollte irgendwann der Fall eintreten, dass das Kind sein eigenes Nabelschnurblut benötigt, kann es bereits von einem anderen Empfänger aufgebraucht worden sein», sagt Prof. Ursula Creutzig, wissenschaftliche Geschäftsführerin der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie in Frankfurt/Main. Dieses extrem geringe Risiko sei kein aber Grund, den Spendenweg zu umgehen.

Doch es gibt diese Einzelfälle: «Wir haben erst vor kurzem ein zweijähriges Kind, das durch einen Herzstillstand einen Hirnschaden erlitten hatte, mit seinem eigenen Nabelschnurblut behandelt», sagt Jensen. Tatsächlich ist das Kind mittlerweile auf dem Weg der Besserung. «Inwieweit das Nabelschnurblut zum Heilungsprozess beigetragen hat, muss natürlich noch in klinischen Studien bestätigt werden», räumt er ein. Er ist sich aber sicher: Hätten die Eltern das Blut nicht eingelagert, hätte es diese Entwicklung nicht gegeben. Er rät Eltern deshalb, zumindest über die private Einlagerung nachzudenken. «Man kann es als eine Art Risikolebensversicherung betrachten.» Etwa 2300 Euro kostet die Konservierung.

Ursula Creutzig ist dagegen skeptisch: «Bis jetzt profitieren hauptsächlich die Firmen, die die private Einlagerung von Nabelschnurblut anbieten.» Denn bis dato ist das eigene Nabelschnurblut nur für sehr seltene Erkrankungen, zum Beispiel ein Neuroblastom, eingesetzt worden. «Und für die Behandlung einer Leukämie eignet sich das eigene Blut auch eher nicht, weil Krebszellen dort schon angelegt sein können.» Bei älteren Kindern oder Erwachsenen ist die Menge des privat konservierten Blutes zudem oft nicht ausreichend: In der Regel brauchen Erwachsene zwei bis drei Nabelschnurblutspenden für eine optimale Behandlung.

Um sich nicht für ein Modell entscheiden zu müssen, können Eltern auch kombinieren. Das Nabelschnurblut wird dann privat und kostenpflichtig eingelagert, aber gleichzeitig in ein Spendenregister aufgenommen. Bei einer Spendenanfrage können Eltern dann entscheiden, ob sie das Blut abgeben und damit die vollen Kosten zurückerstattet bekommen oder ob sie es weiterhin behalten. «So geht man auf Nummer sicher und verliert den Anspruch auf das eigene Blut nicht», sagt Marlena Robin-Winn vom Norddeutschen Knochenmark- und Stammzellspender-Register in Hannover.