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Medizin Medizin: «Von Nikotin kommt man schwerer los als von Heroin»

Von Aliki Nassoufis 23.05.2007, 08:12
Ein Raucher hält in einer Bar seine Zigarette. (Foto: ddp)
Ein Raucher hält in einer Bar seine Zigarette. (Foto: ddp) ddp

Berlin/dpa. - Doch damit soll nun Schlusssein. Die 66-Jährige nimmt am Raucherentwöhnungsprogramm des BerlinerVivantes-Klinikums teil, das von einem Psychologen geleitet wird undauf Verhaltensänderung setzt. Mit Erfolg: Seit etwa drei Wochen istdie Rentnerin nun schon rauchfrei.

In Deutschland rauchen laut Bundesgesundheitsministerium etwa 16,7Millionen Erwachsene, also jeder Fünfte. Hinzu kommen noch rund 20Prozent der Jugendlichen. Zusammen rauchen sie alle jährlich etwa 107Milliarden Zigaretten - das sind mehr als 293 Millionen Glimmstängelpro Tag. An den Folgen des Rauchens stirbt weltweit jeder zehnteErwachsene. Das ist zu viel, findet die Weltgesundheitsorganisationund organisiert am 31. Mai den Weltnichtrauchertag.

Rauchen schädigt allerdings nicht nur die Gesundheit. Es kostetauch den Staat und die nicht-rauchenden Bürger viel Geld. So werdenin Deutschland für die Behandlung von Krankheiten, die wie Herz-Kreislauf-Probleme im direkten Zusammenhang mit Rauchen stehen,schätzungsweise 5,1 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben. Dazu kommendie Kosten durch rauchverursachte Arbeitsausfälle von 13,7 MilliardenEuro. Bundesweit ist deswegen ein Rauchverbot in Bussen, Bahnen,Bundesbehörden sowie Gaststätten geplant.

Auch Barbara Seeck hat durch das Rauchen erheblichegesundheitliche Probleme. Vor allem die Lunge arbeitet nicht mehr sowie sie soll. Das Treppensteigen ist für Seeck eine Qual, und ihreWohnung kann sie nicht saugen, ohne mehrmals Pause zu machen und nachLuft zu japsen.

Deswegen hat sie sich zum Raucherentwöhnungskurs im KlinikumBerlin-Neukölln entschlossen. Zusammen mit neun weiteren Frauenkämpft sie gegen die Sucht an. Das ist nicht leicht. «Nikotin hat einweitaus höheres Suchtpotenzial als Heroin», berichtet der Leiter desProjekts, Psychologe Michael Heidler. «32 Prozent der Menschen, dieeinmal eine Zigarette probieren, werden abhängig.» Beim Heroin sindes immerhin 12 Prozent weniger.

Vor allem aber macht der blaue Dunst auch psychisch abhängig, dennbei den meisten Rauchern gehört die Zigarette fest zum Alltag dazu:beim Kaffee am Morgen oder nach dem Essen am Abend. «Deswegen müssenwir für die Zeit des Ausstiegs bewusst neue Beschäftigungen schaffenund die Tagesabläufe ändern», erklärt Heidler.

Einfach ist das neue Leben ohne Zigaretten nicht. «Ich binrauchfrei, aber nicht glücklich», sagt eine der derzeitigenKursteilnehmerinnen. Immerhin haben die meisten von ihnen 30Zigaretten oder mehr am Tag geraucht. Nun muss der Alltag komplettumgestellt werden. Im Fall einer der Teilnehmerinnen bedeutet das:Anstatt morgens zwei Stunden lang eine Zigarette nach der anderen zurauchen, geht sie nun erst unter die Dusche und dann spazieren.

Dieses Prinzip der Raucherentwöhnung wird auch von derBundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Bonn empfohlen. «Esist am Erfolg versprechendsten, über eine Verhaltensänderung von denZigaretten los zu kommen», sagt Sprecherin Marita Völker-Albert.«Deswegen verfolgen wir mit unseren Aussteigerprogrammen auch dieSchlusspunkt-Methode, bei der man sich auf die letzte Zigarette gutvorbereitet und für die Zeit danach Alternativen sucht.»

Im Berliner Klinikum sind tatsächlich mehr als 80 Prozent derTeilnehmer nach Kursende rauchfrei. Barbara Seeck ist eine von ihnen.Zwischenzeitlich hatte sie zwar einen Rückfall und griff zwei Wochenlang wieder zur Zigarette. Doch auch wenn es im zweiten Anlaufschwerer fiel, ist sich Seeck sicher: «Jetzt schaffe ich es, immerhinfühle ich mich auch schon viel besser und vermisse nichts.»

Ein Kohlenmonoxid-Messgerät mit einem Wert von 3,04 Prozent liegt nach einem Atemtest auf einer Richtwerttabelle zur Einstufung des Rauchertypus. (Foto: dpa)
Ein Kohlenmonoxid-Messgerät mit einem Wert von 3,04 Prozent liegt nach einem Atemtest auf einer Richtwerttabelle zur Einstufung des Rauchertypus. (Foto: dpa)
dpa-Zentralbild