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Kinder Kinder: Kopfläuse sind auf dem Vormarsch

Von Tobias Wiethoff 12.03.2003, 18:29

Berlin/Köln/dpa. - Eine Kopflaus misst gerade einmal drei Millimeter, und doch kann sie ehrwürdige Institutionen erschüttern. Kaum etwas fürchten Schuldirektoren mehr als «Pediculus capitis», wie der Quälgeist auf Lateinisch heißt. Der gute Ruf der Lehranstalt steht auf dem Spiel, wenn die Nachricht über einen Läuseplage die Runde macht, schließlich gelten die Parasiten als Boten von Schmutz und Verwahrlosung. Unter Kindern und Eltern wird dann nach Schuldigen gesucht, ungehemmt können sich Vorurteile entfalten.

Schmutz und ungewaschene Köpfe sind jedoch nur selten im Spiel. Während Kleiderläuse tatsächlich nur unter schlechten hygienischen Bedingungen gedeihen, ist das bei Kopfläusen nicht der Fall: «Die kann der Sauberste kriegen», weiß Alfred Nassauer vom Robert Koch Institut in Berlin. Am seltenen Kontakt mit Wasser liegt es nicht: «Häufiges Haarewaschen erbringt saubere Kopfläuse», heißt es in einer Informationsbroschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln lapidar.

Die Massenentlausungen der Nachkriegszeit haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegraben. Der volkshygienische Notstand muss aber nicht ausgerufen werden, wenn Kindergärten und Grundschulen in jüngster Zeit wieder vermehrt von Läuseplagen heimgesucht werden. Experten machen für die Zunahme verschiedene Gründe verantwortlich: etwa die wachsende Mobilität der Menschen und Resistenzen auf Seiten der Läuse.

Auch die gesunkenen Kompetenzen der Gesundheitsämter spielen eine Rolle: «Früher gab es regelrechte Läusedoktoren, die alle Schüler auf einen Schlag untersucht haben. Heute liegt das in den Händen der Eltern», sagt Professor Peter Kimmig vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg in Stuttgart.

Die Eltern aber lassen es bei der Behandlung häufig an der nötigen Konsequenz fehlen - mit der Folge, dass sich die Plage auch nach Wochen und Monaten nicht in den Griff bekommen lässt. «Viele glauben, ohne "chemische Keule" auszukommen», sagt Professor Walter Maier vom Institut für Medizinische Parasitologie der Universität Bonn - eine trügerische Hoffnung: «Man will die Tiere töten, und dazu braucht man Gift. Mit rein pflanzlichen Produkten wie Teebaumöl lässt sich nicht viel ausrichten», warnt Maier.

Die Läuse können auch nicht einfach mit einem Spezialshampoo herausgewaschen werden. Die in Apotheken erhältlichen Emulsionen, Gels oder Sprays erfordern durchweg eine längere Einwirkzeit. «Die Spanne reicht von 30 Minuten bis drei Tagen», sagt Jutta Herrmann vom Umweltbundesamt in Berlin. Da sich nach acht bis zehn Tagen in den übrig gebliebenen Eiern der Tiere, den so genannten Nissen, erneut Larven gebildet haben können, muss die Prozedur zu dieser Zeit wiederholt werden. Zusätzlich lassen sich die Eier auf mechanischem Wege mit einem speziellen Nissenkamm entfernen. «Das zieht und ziept natürlich vor allem bei langen Haaren gewaltig», weiß Herrmann.

Immer wieder ist auch der Ratschlag zu lesen, Stofftiere, Polstermöbel und Bettwäsche in die Läusebekämpfung einzubeziehen. Parasitologe Maier hält das aber für übertriebenen Aktionismus, der unnötigen Stress bedeute und von den wichtigeren Maßnahmen ablenke. Schließlich verließen Kopfläuse ihren Wirt in der Regel nur, um sich in einem anderen Haarschopf niederzulassen. «Ohne Mensch ist die Laus dem Tod geweiht», so Maier. Nur bei sehr starkem Befall würden Kopfläuse auch auf Kleidern gesichtet. Den zusätzlichen Einsatz von Gift in der Wohnung lehnt Maier ab.

Eine Läuseplage lässt sich nur eindämmen, wenn Eltern den Kampf nicht aus falscher Scham heimlich austragen. Es besteht eine Rechtspflicht, Schule oder Kindergarten zu informieren. Das Wirken der Kopfläuse führt zwar in der Regel zu heftigem Juckreiz, da die Parasiten beim Blutsaugen winzige Mengen Speichel in die Kopfhaut spritzen. Allergien dagegen entwickeln sich erst mit der Zeit, so dass der Läusebefall nicht sofort bemerkt wird. «Manche Eltern sind ganz perplex, wenn es auf dem Kopf der Kinder von Läusen wimmelt, obwohl sie sich vorher gar nicht gekratzt haben», so Herrmann.

Kopfläuse lassen sich aufspüren, indem man das Haar mit einem Kamm scheitelt und streifenweise die Kopfhaut am besten mit einer Lupe absucht. Die tropfenförmigen Nissen, aus denen die Larven der nächsten Generation schlüpfen, kleben wie kleine Perlen an den Haaren. Sie bleiben dort sogar nach einer erfolgreichen Behandlung oft noch monatelang haften. Manche Ärzte erkennen dann auf Läusebefall, obwohl die Eihüllen längst leer sind. «Parasitologie kommt bei der medizinischen Ausbildung meist zu kurz», kritisiert Universitätsprofessor Maier.

Nach dem Infektionsschutzgesetz müssen Kinder bei Läusebefall vom Besuch der Gemeinschaftseinrichtung ausgeschlossen werden. Die Wiederzulassung wird von den Gesundheitsämtern unterschiedlich gehandhabt. «Die Eltern müssen versichern, dass ein Arzt das Kind untersucht und den Erfolg der Behandlung bestätigt hat», sagt Peter-Joachim Oertel, Amtsarzt in Tübingen.

In Rheinland-Pfalz ist «in der Regel» ein ärztliches Attest erforderlich, wie es beim Sozialministerium in Mainz heißt. Das benötigen Kinder in Hessen erst bei wiederholtem Befall. Vorher reicht es, wenn die Eltern per Unterschrift eine zweimalige Behandlung mit einem Anti-Läusemittel im Abstand von acht bis zehn Tagen bestätigen. Fehlzeiten und die Stigmatisierung als Läuseherd können auf diese Weise vermieden werden.

Informationen: Eine kostenlose Broschüre mit dem Titel «Kopfläuse...was tun?» ist erhältlich bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, 51101 Köln.