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Immer mehr Studenten sind psychisch krank Immer mehr Studenten sind psychisch krank: Was Sie gegen Angststörungen tun können

Von Jessica Quick 15.03.2018, 12:10

Halle (Saale) - Schneller, besser, effizienter - der erhöhte Leistungsdruck an Schulen und Universitäten zeigt offenbar drastische Folgen. Laut den Zahlen der Krankenkasse Barmer sind die psychischen Erkrankungen bei den 18- bis 25-Jährigen in den vergangenen zehn Jahren um 75 Prozent gestiegen.

Vor allem Studenten seien betroffen. Diplompsychologin Annett Götter kann diese Entwicklung bestätigen. Die 41-jährige Hallenserin hat in ihrer Praxis sehr viele Studenten in Therapie. Medizin, Jura, Kunst - die Vielzahl der Studienrichtungen ihrer Patienten zeigt, dass der Leistungsdruck fachübergreifend gestiegen ist. Über die Ursachen und Möglichkeiten in der Therapie hat Jessica Quick mit der Verhaltenstherapeutin gesprochen.

Welche Diagnosen sind bei Studenten besonders häufig?

Das sogenannte Burn-Out-Syndrom komme häufig vor, erklärt Annett Götter. Das sei aber keine Diagnose im medizinischen Sinn, sondern vielmehr eine Mischung aus Depressivität und Angststörung. „Die Studenten sind häufig überlastet und ziehen sich zurück. Sie haben Panik vor Abgabeterminen oder Prüfungen, was sich in Angststörungen äußert“, so die Psychotherapeutin.

Woher weiß man, dass es eine Erkrankung ist?

Ein Beispiel: Wenn jemand denkt, er muss bestimmte Leistungen abliefern, und er hat Angst davor, kann sich eine Erkrankung in Form von Panikattacken äußern. Er oder sie kann das Haus nicht mehr verlassen, traut sich nicht mehr unter Menschenmassen... „Die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper wird sehr stark“, sagt Götter.

Man bekomme Schweißausbrüche, Atemnot oder beginne zu zittern. „Der Misserfolg ist programmiert: Man schafft nicht das, was man sich vorgenommen hat. Das wiederum verstärkt die Symptome.“ Als sekundäre Erkrankung komme häufig das Depressive hinzu. „Der Abschluss des Studiums rückt ins Unerreichbare.“ Je länger man es in die Länge ziehe, desto schlimmer werde die Angst, dass man das Studium nicht beenden kann. „Ein Teufelskreis“, so Götter.

Wann ist der Punkt erreicht, an dem Hilfe notwendig ist?

„Sobald ich merke, dass ich etwas vermeide - also eigentlich zur Vorlesung gehen möchte, aber aus Angst nicht gehe, antriebslos im Bett liege. Wenn sich die Angst manifestiert, etwas nicht zu schaffen, ist das ein Grund, sich bei einem Experten vorzustellen“, sagt Götter.

Freunde oder Verwandte sollte folgendes Verhalten alarmieren: Der Student oder die Studentin vernachlässigt die sozialen Kontakte oder Studienpflichten, obwohl das für ihn oder sie untypisch ist.

In dem Fall kann es helfen, denjenigen darauf hinzuweisen oder sogar Hilfe zu holen. Also ihn entweder zum ambulanten Psychotherapeuten begleiten oder - wer sich arge Sorgen macht - könne auch den sozialpsychiatrischen Dienst rufen, so Götter. Das sind Fachärzte und -schwestern, die bei Bedarf auch zu Hausbesuchen kommen.

Ein eindeutiges Zeichen für eine psychische Erkrankung sei, wenn sich jemand gar nicht mehr aus dem Haus traut. Annett Götter empfiehlt in dem Fall einen ambulanten Psychotherapeuten. Kommen dazu noch Selbstmordgedanken, sei dringend ein Notarzt anzurufen und die Einweisung in eine Psychiatrie erforderlich, so die Expertin.

Wieso sind so viele junge Menschen betroffen?

Dafür gibt es aus Sicht der Psychologin zwei Gründe. Eine Erklärung sei, dass sich anscheinend der Wechsel vom Diplom- zum Bachelor- und Masterstudium negativ ausgewirkt habe. „Das Studium ist von Beginn an sehr stark durchstrukturiert. Die Studenten haben einen permanenten Leistungsdruck“, sagt Götter. „Schon im ersten Studienjahr gibt es Prüfungen, und es müssen Punkte erbracht werden.“

Dazu komme, dass der Bachelor noch nicht wirklich eine Qualifikation darstelle, sodass die meisten einen Masterabschluss anstreben. Für diesen müsse aber die Abschlussnote im Bachelor entsprechend gut sein, „was den Leistungsdruck um ein weiteres erhöht“, so Götter.

Eine zweite Erklärung ist der gestiegene Medienkonsum. Drei, vier Stunden am Tag vor dem Rechner oder Handy zu verbringen, sei für viele Studenten völlig normal. „Die wenige Freizeit nutzen junge Menschen psychisch ungesund“, erklärt Götter. Facebook, WhatsApp und Co. gelten als Pseudo-Entspannung. „Viele Menschen nehmen das zwar als Entspannung wahr, aber für das Gehirn ist das purer Stress.“

Welche Möglichkeiten zur Vorbeugung gibt es?

Die Balance zwischen Anspannung und Entspannung müsse stimmen, sagt die Expertin. Zweimal die Woche zum Sport gehen, entspannende Aktivitäten, soziale Kontakte nicht vernachlässigen - all das seien Möglichkeiten zum Ausgleich. „Das ist besonders in Prüfungsphasen wichtig“, sagt die Psychotherapeutin. Bei Studenten seien in Sachen Entspannung oder Leistungssteigerung natürlich auch Drogen ein großes Thema. „Was vielleicht kurzfristig hilft, mündet aber häufig in einem Teufelskreis.“ (mz)