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Gesundheit Gesundheit: Es geht auch ohne

Von Andreas Heimann 06.06.2003, 16:22

Bonn/Frankfurt/Main/dpa. - Es geht auch ohne: Wer Bier trinken will, kann auf Alkohol längst verzichten. Es ist zwar noch nicht einmal 20 Jahre her, dass mit Clausthaler das erste deutschlandweit erhältliche Alkoholfreie auf den Markt kam. Doch inzwischen bieten fast alle größeren Brauereien von Warsteiner bis Erdinger, Gilde bis Becks und von Holsten bis Jever auch «Biere ohne Umdrehungen» an. Die Vorzüge liegen auf der Hand: Autofahrer dürfen auch nach drei alkoholfreien Pils noch ans Steuer. Der Kaloriengehalt ist in der Regel deutlich niedriger - und wer an heißen Tagen damit seinen Durst löscht, muss nicht befürchten, ins Torkeln zu geraten.

Selbst Öko-Bier oder Hefeweizen sind alkoholfrei zu bekommen. «Das gibt es inzwischen in allen Varianten, auch als Kölsch oder Alt», sagt Erich Dederichs, Sprecher des Deutschen Brauer-Bundes in Bonn. «Nur Bockbier ohne Alkohol ist noch nicht erfunden.» Allerdings ist der Anteil an der gesamten Bierproduktion eher bescheiden: «Um die zwei Prozent», schätzt Dederichs. Wichtigste Sorte ist - wie sonst auch - Pils.

Alkoholfrei heißt jedoch nicht garantiert ohne Alkohol: «Erlaubt sind 0,5 Prozent», erklärt der Fachmann. Je nach Brauverfahren kann also bis zu einem Zehntel Alkohol eines normalen Pils enthalten sein. Davon betrunken werden könne man allerdings kaum, betont Dederichs: «Da müsste man schon riesige Mengen trinken.» In Kefir etwa oder in vielen Fruchtsäften sei der Alkoholgehalt höher.

«Marktführer ist immer noch Clausthaler», sagt Stefan Leppin, Sprecher der zur Radeberger Gruppe gehörenden Binding Brauerei in Frankfurt, die das alkoholfreie Pils seit 1979 anbietet. «In der Regel wird alkoholfreies Bier hergestellt, indem der Alkohol nachträglich entzogen wird.» Binding dagegen setzt auf ein patentiertes Verfahren, den Gärungsprozess beim Brauen so zu stoppen, dass gar nicht erst Alkohol entsteht.

Ähnlich sieht das beim «Lammsbräu alkoholfrei» aus, einem ökologisch produzierten Bier einer kleinen Brauerei in Neumarkt in der Oberpfalz: «Statt Hefe wird der Malzsäure rechtsdrehende Edelmilchsäure beigesetzt», erklärt Marketingleiter Berthold Winkler. «So bildet sich kein Alkohol, das Bier hat tatsächlich 0,0 Prozent.» Weil nur Hopfen und Gerste aus biologischem Anbau verwendet werden, sei das Produkt außerdem «absolut naturbelassen».

«Ob man den Unterschied zwischen Bier mit und ohne Alkohol schmecken kann, da bin ich mir nicht sicher», sagt Erich Dederichs vom Brauer-Bund diplomatisch. «Einen Unterschied gibt es schon», räumt dagegen Carsten Eger, Leiter Qualitätswesen bei Beck & Co in Bremen, ein. «Der Alkohol transportiert auch Aromastoffe und verstärkt das Bieraroma. Bei einer Blindverkostung mit alkoholhaltigem Bier merkt man das.» Das alkoholfreie Beck's sei allerdings «sehr nah am Bier».

Und nicht nur das: Das alkoholfreie Bier sei ein optimaler Durstlöscher. «Es hat viele Ionen und Vitamine und einen hohen Gehalt an Magnesium», sagt Eger. «Auch für Ausdauersportler ist es deshalb genau richtig.» Das sieht auch Stefan Leppin so: «Ich bin selbst Marathonläufer. Wenn ich dann nach Hause komme, trinke ich ein "Clausthaler Radler"». Leppin weist auch die häufig zu hörende Kritik zurück, Bier sei ein Dickmacher: Das stimme schon in der allgemeinen Form nicht und für alkoholfreies Bier noch viel weniger. «Das Alkoholfreie hat nur die Hälfte an Kalorien.»

Dem Loblied auf das alkoholfreie Bier können sich aber nicht alle anschließen: «Mit mindestens 280 Kalorien pro Liter ist das immer noch stattlich», sagt die Ernährungswissenschaftlerin Andrea Schauff von der Verbraucherzentrale Hessen in Frankfurt. Zwar sei es richtig, dass alkoholfreies Bier kalorienärmer ist als zum Beispiel Fruchtsaft. Im Vergleich zu Apfelschorle aber, die ebenfalls mit Kohlenhydraten und hohem Kaliumgehalt aufwartet, sei der Kaloriengehalt noch sehr hoch. «Für Sportler ist Schorle die bessere Alternative», so die Expertin.

Dass alkoholfreies Bier offiziell so heißen darf, auch wenn bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol drin sind, empfindet Schauff als ausgesprochen unbefriedigend. «Für Kinder und Jugendliche ist das nichts, schon wegen der Gewöhnung an den Biergeschmack.» Auch trockene Alkoholiker sollten die Finger von dem vermeintlich alkoholfreiem Bier lassen. Zumindest in einer Hinsicht kann auch die Ernährungswissenschaftlerin alkoholfreies Bier aber durchaus empfehlen: als Alternative zum Pils «mit Umdrehungen».