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Für die Schlaganfall-Behandlung - Für die Schlaganfall-Behandlung -: Burgenland Klinik Stroke Unit erneut zertifiziert

29.06.2018, 12:38
Oberärztin Aynur Bahlulova führt eine Duplexsonografie der hirnversorgenden Gefäße durch.
Oberärztin Aynur Bahlulova führt eine Duplexsonografie der hirnversorgenden Gefäße durch. Biel

KLINIKUM BURGENLANDKREIS Stroke Unit erneut zertifiziert. Klinik für Neurologie Naumburg arbeitet nach hohen Qualitätsstandards.

Wenn ein Mensch einen Schlaganfall erlitten hat, zählt für eine erfolgreiche Behandlung jede Minute. Wichtig ist dabei unter anderem die unverzügliche Fahrt mit Notarzt und Rettungsdienst in ein hierfür geeignetes Krankenhaus. Das Naumburger Saale-Unstrut-Klinikum verfügt über eine sogenannte „Stroke-Unit“ (wörtlich: „Schlaganfall-Einheit“) innerhalb der Klinik für Neurologie, zur ganz gezielten Betreuung dieser Patienten. „Wir stehen als multiprofessionelles Team aus Neurologen, speziell auf Schlaganfallereignisse hin ausgebildete Pflegekräften, sogenannten „Stroke-Nurses“, und einer Reihe verschiedener Therapeuten rund um die Uhr zur Verfügung“, erklärt Dr. Sabine Lobenstein, Chefärztin der Klinik für Neurologie. Zur Akutbehandlung kann nur in der Frühphase eines Schlaganfalls, meist binnen der ersten viereinhalb Stunden, die hochwirksame sogenannte „Thrombolyse“ angewendet werden, bei der ein blutgerinnselauflösendes Mittel in die Vene verabreicht wird, um das „verstopfte“ Blutgefäß im Hirn wieder für die Gewebeversorgung „durchgängig“ zu machen. Daher braucht es gerade in dieser Phase eingespielte Abläufe, wo jeder seine Aufgaben kennt und zeitgerecht zum Gelingen beiträgt. Denn mit jeder Minute ohne Blutversorgung sterben mehrere Millionen Nervenzellen ab. „Time is brain“ (Zeit = gerettetes Hirngewebe) lautet also der stille Leitfaden für jedes Teammitglied. Parallel zu diesem Zeitfaktor müssen mögliche Gegenanzeigen vom behandelnden Neurologen ausgeschlossen werden, um den Patienten nicht zu gefährden, denn nicht bei jedem Patienten kommt eine Thrombolyse infrage.


Engmaschig überwacht


Aber auch jenseits der ersten Stunden erhält ein Patient eine umfassende Behandlung auf der Stroke Unit, wo er meist über drei Tage engmaschig überwacht wird: Alle sechs Stunden wird der allgemeinklinische und neurologische Befund erhoben, stündlich werden unter anderem Blutdruck, Puls, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung im Blut am Monitor aufgezeichnet, wichtige Laborwerte wie Blutzucker, Herz-Enzyme oder andere relevante Parameter bestimmt, um die optimalen Voraussetzungen für eine bestmögliche Heilung mit oder ohne Thrombolyse zu schaffen. Hierdurch kann oft bereits in den ersten drei Tagen mit den parallel laufenden apparativen Untersuchungen die individuelle Ursache beziehungsweise Ursachen des Schlaganfalls geklärt und somit gezielt behandelt und erneuten Schlaganfällen oder Komplikationen vorgebeugt werden. Besonderer Fokus liegt unter anderem auf der Ultraschall-Untersuchung der hirnversorgenden Blutgefäße und des Herzens, auch der Rhythmusdiagnostik. Während der täglich stattfindenden Teambesprechungen werden alle Befunde ausgetauscht, notwendige Behandlungen entsprechend eingeleitet, angepasst und das Therapieziel gegebenenfalls neu festgelegt. Diese „Arbeit wie am Schnürchen“ ist nur durch eine enge, standardisierte Zusammenarbeit aller Beteiligten möglich. Dies betrifft den Patienten selbst oder deren Angehörige, den Notarzt und die Rettungsdienste im Burgenlandkreis, das Notfallteam im Klinikum, die Radiologen und Kardiologen/Internisten und in manchen Fällen auch die Gefäßchirurgen. Mit den Rettungsdiensten im Burgenlandkreis wurde eine eigens auf Schlaganfallpatienten abgestimmte Verfahrensweise erarbeitet; diese muss regelmäßig geschult werden. In besonderen Situationen werden externe Kooperationspartner wie die Neurologischen und Neurochirurgischen Kliniken in Jena und Halle bei weiterführenden Behandlungsmaßnahmen kontaktiert. Für alles wurden standardisierte Vorgehensweisen entwickelt, die mindestens jährlich aktualisiert und alle drei Jahre von der Deutschen Schlaganfallgesellschaft rezertifiziert werden müssen. Bereits mit Beginn der Diagnostikphase sind auf der Stroke Unit die verschiedenen Therapeuten „am Patienten dran“: Das frühzeitige Schluckscreening durch die Logopäden in den ersten 24 Stunden und im Verlauf trägt beispielsweise wesentlich zur Vermeidung einer bei Bettlägerigkeit gefürchteten Lungenentzündung und einer verbesserten Heilungschance bei. Die frühe Mobilisierung durch Ergo- und Physiotherapeuten vermeidet Komplikationen wie Beinvenen-Thrombosen und Infektionen und schärft das individuelle Behandlungsziel durch frühzeitige Erfassung vorhandener Lähmungen, Wahrnehmungsstörungen und Ausfälle höherer alltagsrelevanter Hirnleistungen. Auch die psychotherapeutische Intervention bei Depression infolge eines Schlaganfalls gehört neben der gegebenenfalls notwendigen medikamentösen Unterstützung zum Behandlungskonzept.


Weiterbetreuung nahtlos

Nicht zuletzt die zeitnahe Einleitung sich anschließender sozialmedizinischer Maßnahmen, wie Anschlussheilbehandlungen in Rehabilitationseinrichtungen oder die Einbeziehung der Angehörigen und externen Betreuungsstrukturen, führt zu einer nahtlosen Weiterbetreuung im Anschluss an die Akutbehandlung. Schon während dieser überlappenden „Therapie- und Übungsphase“ liegt besonderes Augenmerk auf der Erfassung und gezielten medikamentösen Einstellung der persönlichen Risikofaktoren für weitere Schlaganfälle. Jeder Patient wird über seine individuell erfassten Risikofaktoren aufgeklärt und ein entsprechendes Nachsorge-Konzept mit Hinweisen zur notwendigen Medikation, Selbstmessungen und Lebensführung erarbeitet. Manchmal schließen sich auch operative Interventionen am Herzen oder an ursächlich relevanten verengten Halsschlagadern oder Hirngefäßen in entsprechenden Fachbereichen an. Die im April 2018 erneut rezertifizierte Stroke Unit in Naumburg verfügt über sechs Monitorbetten. Falls alle belegt sind, nimmt die Intensivstation weitere Patienten auf. Das Zertifikat belegt, dass die Stroke Unit nach den Qualitätsstandards der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Deutschen Schlaganfallhilfe arbeitet. Es wird alle drei Jahre neu vergeben – sofern man sich den sich ständig ändernden, höheren Anforderungen anpasst. Zuletzt wurde dieses durch ein Qualitätsaudit im Januar 2018 geprüft und bestanden. Die erste Zertifizierung reicht in das Jahr 2011 zurück. Besondere strukturelle Voraussetzungen bilden die Grundlage. So müssen speziell ausgebildete Pflegekräfte, die bereits erwähnten „Stroke Nurses“, zusätzliche Assistenz- sowie auf die Schlaganfallbehandlung spezialisierte neurologische Fachärzte in ausreichender Anzahl rund um die Uhr vorgehalten werden. Dies setzt sich bei den Therapeuten sowie Konsil- und Kooperationspartnern anderer Fachdisziplinen im Klinikum selbst und extern fort. „So sind wir in den letzten Jahren von einem kleinen Team auf mehr als 50 Mitarbeiter angewachsen“, sagt die Chefärztin für Neurologie. Auch ein „Gerätepark“ mit notfallmäßig durchführbarer CT, einschließlich Angiografie sowie Geräte für MRT, Ultraschall der Hirngefäße und des Herzens, weiteren Hirn- und Kreislauffunktions- sowie Notfall- und Speziallaboruntersuchungen muss stets verfügbar sein.


Einzige im Landessüden

Die Stroke Unit Naumburg ist die einzige zertifizierte ihrer Art im südlichen Sachsen-Anhalt. Die nächst gelegenen befinden sich in Halle oder im angrenzenden Thüringen in Jena, Gera und in Altenburg. Das jetzige Domizil der Klinik für Neurologie entstand als Erweiterungsbau der früheren Klinik als Modulbau binnen sechs Monaten, um sich dem gestiegenen Versorgungsbedarf rasch anpassen zu können und wurde im Sommer 2015 fertiggestellt. In die einstigen Räume der Neurologie ist die Abteilung für Interdisziplinäre Schmerztherapie eingezogen, mit der es ebenfalls eine enge Zusammenarbeit gibt. Die Klinik für Neurologie besteht in Naumburg seit 1999; diese behandelt inzwischen jährlich rund 2000 stationäre Patienten mit verschiedensten neurologischen Erkrankungen, davon etwa 500 mit der Diagnose Schlaganfall. Was die Einrichtung einer spezialisierten Einheit, wie einer Stroke Unit zur wohnortnahen Versorgung der Schlaganfall-Patienten mehr als rechtfertigt, so Dr. med. Sabine Lobenstein. Besonders wichtig ist die zwingend notwendige Mitarbeit der Betroffenen beziehungsweise deren Angehöriger sowohl im Vorfeld als auch in der Nachsorge.


Sofort Notruf wählen


So sollten erste Anzeichen für einen Schlaganfall, wie plötzlich auftretende Halbseitenlähmung oder -gefühlsstörungen, Schwindelzustände, Gleichgewichtsstörungen, Doppelbilder, Sprach- oder Sprechstörungen, heftige, nie gekannte, plötzlich einsetzende Kopfschmerzen oder akute Sehstörungen als mögliches Anzeichen eines Schlaganfalls wahr- oder ernstgenommen werden. In einem solchen Fall sollte sofort der Notruf 112 gewählt und die nächstgelegene Stroke Unit angefahren werden. „Wir erleben es immer wieder, dass sich Patienten zunächst ins Bett legen und auf Besserung warten. Hier können wir oft nur ’Schadensbegrenzung’ betreiben“, weil wertvolle Zeit verstrichen ist“, so Chefärztin Dr. med. Sabine Lobenstein. Auch den Hausarzt aufzusuchen kostet zu viel Zeit. „Insbesondere bei der Entscheidung zur Thrombolyse sind wir auf die aktuelle Medikamentenliste und den Zeitpunkt des Symptombeginns angewiesen, um entscheiden zu können, ob jene überhaupt infrage kommt.“ Eine Telefon-Nummer der nächsten Angehörigen oder Betreuungspersonen für Rückfragen wie auch vorliegende Patientenverfügungen sind ebenso hilfreich für eine reibungslose Therapieeinleitung.

Kontakt

Klinik für Neurologie Naumburg
Telefon: 03445/72 15 60 (Stroke Unit: 03445/72 15 62)
E-Mail: [email protected]
Weitere Informationen: www.klinikum-burgenlandkreis.de