Früh informieren Früh informieren: So klären Eltern Kinder richtig auf

Halle (Saale)/dmn/dpa/tmn - Wenn es um das Sexleben von Jugendlichen geht, sind die Befürchtungen der Eltern oft groß. „Es gibt heute den weit verbreiteten Mythos, Jugendliche hätten immer früher Sex. Die vorliegenden Daten der letzten 30 Jahre bestätigen dies jedoch nicht“, sagt Silja Matthiesen. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, außerdem leitet sie die sexualpädagogische Abteilung von Pro Familia.
Das erste Mal zwischen 15 und 19 Jahren
Nach Untersuchungen zur Jugendsexualität der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) von 2009 haben die meisten Jugendlichen das erste Mal zwischen 15 und 19 Jahren Geschlechtsverkehr. Nur etwa 20 bis 25 Prozent der 15-jährigen Mädchen hatten demnach schon Sex. Bei den Jungen liegt der Anteil noch etwas niedriger. „Den großen Trend zur Vorverlegung des ersten Geschlechtsverkehrs gibt es einfach nicht“, erklärt Matthiesen.
So früh wie möglich aufklären
In dieser Hinsicht können sich Eltern entspannen - beim Thema Aufklärung sind sie aber in der Pflicht. „Aufklärung kann nicht früh genug beginnen“, sagt Heike Kramer, Ärztin und Vorstandsmitglied der Ärztlichen Gesellschaft zur Gesundheitsförderung der Frau (ÄGGF). Wenn die Hormone loslegen und die Jugendlichen von ihren Gefühlen überrollt werden, brauchen sie ein gutes Polster von Informationen, auf das sie zurückgreifen können. An dieser Stelle kommen die Eltern in Spiel, betont Kramer.
Schon wie die Eltern miteinander und mit dem Kind von Geburt an umgehen, sei prägend für die Entwicklung von Sexualität. Dazu gehöre, Fragen, die Kinder stellen, in einer altersgerechten Sprache, aber mit den richtigen Begriffen zu beantworten - ohne dabei über das Gefragte hinauszugehen und gleich alles erklären zu wollen.
Schamgrenzen schützen
Ein ganz wichtiger Aspekt dabei sei, die Schamgrenzen des Kindes zu respektieren und die eigenen Schamgrenzen zu schützen. Weder müssen Eltern intime Details von sich preisgeben, noch ihre Kinder dazu drängen, intime Themen mit den Eltern zu besprechen. „Wenn Kinder von sich aus nicht fragen, kann man auch ein Buch zu Hause liegen haben“, sagt Kramer.
Kinder sollten das Gefühl haben, dass ihre Eltern gesprächsbereit sind. Für Mädchen ist es gut zu wissen, dass sie sich mit Fragen zur Verhütung an eine Frauenärztin wenden können, mit oder ohne die Mutter, und hierfür auch das Vertrauen der Eltern haben. „Ich glaube, dass der Respekt ihrer Gefühle und Bedürfnisse für Jugendliche viel wichtiger ist, als ein lexikonartiges Wissen über sämtliche Verhütungsmittel und Sexualpraktiken“, erläutert Kramer.
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Frühe Aufklärung bedeutet keinen früheren Sex
In der Praxis gehen die Vorstellungen von Eltern und Kindern jedoch häufig auseinander. „Wir erleben immer wieder, dass Eltern eine frühe Verhütung nicht gutheißen und befürchten, dass die Jugendlichen dann früher Geschlechtsverkehr haben“, sagt die Vorstandsvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie in Deutschland, Patricia G. Oppelt.
Vor dem ersten Sex zum Frauenarzt
Einen Grund gibt es für diese Befürchtung allerdings nicht: „Die Verhütung fördert in keiner Weise, dass Jugendliche eher oder häufiger Geschlechtsverkehr haben“, sagt Oppelt. Jugendliche seien mit einer sicheren Verhütung wie der Pille einfach besser vor Teenagerschwangerschaften geschützt. Auch Mädchen, die schon mit 13 Jahren ihren ersten Geschlechtsverkehr haben oder mit diesem Wunsch zu den Eltern kommen, sollten daher auf jeden Fall eine Verhütung erhalten. Laut Oppelt gehen viele Mädchen heute vor dem ersten Geschlechtsverkehr zum Frauenarzt und lassen sich zur Verhütung beraten. Hier greife die gute Aufklärung, zum Beispiel an den Schulen.
Dass Aufklärung in Deutschland insgesamt schon sehr gut funktioniert, beweisen auch die Daten der BZgA-Daten zum Verhütungsverhalten. „Bereits beim ersten Mal wenden demnach 87 Prozent der 14- bis 17-Jährigen sichere Verhütungsmethoden an, das heißt hormonelle Methoden, Kondome oder beides zusammen“, sagt Sexualforscherin Silia Matthiesen. Die deutschen Raten der Teenagerschwangerschaften sind im internationalen Vergleich eher niedrig.
Beim ersten Mal höheres Risiko für Schwangerschaft
Dennoch sei das Risiko, schwanger zu werden, beim ersten Mal grundsätzlich deutlich erhöht. „Und zwar bei jedem ersten Mal mit einem neuen Partner“, erklärt Matthiesen. Denn gerade dann sind viele über das Ereignis überrascht, mit der Verhütung noch ungeübt oder haben noch nicht gemeinsam über das Thema gesprochen.
„Verhütung zu lernen, das ist ein Prozess ? und da passieren auch Pannen“, sagt die Sexualforscherin. Wichtig sei, in einem solchen Fall eine Strategie zur Hand zu haben. Auch an dieser Stelle sind Mutter und Vater wichtig. Wenn mal etwas schiefgehe, sollten Jugendliche wissen, dass sie von den Eltern nicht den Kopf abgerissen bekommen. „Die Eltern sollten vermitteln, dass deshalb zu Hause die Welt nicht untergeht und mit Lösungen zur Seite stehen“, rät Matthiesen.

