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Essstörungen Essstörungen: Freunde sollten Betroffenen helfen

Von Thorsten Wiese 21.10.2005, 13:04

München/Regensburg/dpa. - Die Herausgeberin des Buches «Bodytalk» weiß, dass Fettpölsterchen besonders unter jungen Mädchen eines der häufigsten Diskussionsthemen sind. Schon im Alter von zehn Jahren erscheinen Patientinnen in den Beratungsstellen, sagt Monika Weiderer, Professorin für Psychologie an der Fachhochschule Regensburg. Auch Jungen seien von Essstörungen betroffen.

Einer der Hauptgründe dafür seien Körperkult und Schlankheitswahn in der Gesellschaft. Dazu komme, dass gerade die Mädchen bei den Jungs Erfolg hätten, die sich wie Popstars aus Zeitschriften oder Musikfernsehen stylen, sagt Reichart. Problematisch ist den Experten zufolge ein kritikloser Umgang mit den Vorlagen makelloser Körper, die Zeitschriften und Fernsehen verbreiten. «Keines dieser Bilder zeigt den Menschen ja so, wie er in Wirklichkeit ist. Da wird sehr viel manipuliert und wegretuschiert», sagt Reichart. Trotzdem gingen manche Jugendliche naiv und unbedarft mit solchen Bildern um.

Wenig aufgeklärt sei auch der Umgang mit Essstörungen in den Cliquen. Während Schlanksein als «cool» gelte, wird eine Magersucht in der Regel totgeschwiegen, so die Erfahrung von Reichart und Weiderer. Alarmsignale sind, wenn sich ein Jugendlicher zurückzieht, nicht mehr an Treffen mit Freunden teilnimmt oder nach dem Essen immer sehr schnell auf dem Klo verschwindet, heißt es bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln.

Bei Jungen äußere sich das Problem auch in «exzessivem Sporttreiben» bei gleichzeitig starker Gewichtsabnahme, sagt Andreas Schnebel, Vorsitzender des Bundesfachverbands Essstörungen (BFE) in München, der auch therapeutischer Leiter des Behandlungs-Netzwerkes Anad-Pathways ist. Betroffene entschieden sich selten aus freien Stücken, Hilfe in einer Beratungsstelle oder beim Arzt zu suchen.

Hilfe müsse daher mit einem offenen Gespräch beginnen, sagt Weiderer. Eltern und Lehrer kommen aber oft gar nicht an die Betroffenen heran. Gerade Freunde und Freundinnen seien daher gefordert. Der richtige Ton sei dann nicht der einer direkten Konfrontation. «Ich habe den Eindruck, bei Dir ist etwas nicht in Ordnung» sei besser als «Warum isst Du denn nichts mehr?», sagt Weiderer. Unbedingt zu vermeiden seien Bloßstellungen wie «Ich habe gesehen, wie Du erbrochen hast», mahnt Schnebel.

Ist das Gesprächsangebot erfolgreich, können Freunde gemeinsam mit dem Betroffenen im Internet nach einer Beratungsstelle suchen. «Ist die Reaktion zurückhaltend, aber nicht ablehnend, sollte ich es wenig später einfach noch einmal versuchen», rät Reichart. Trifft das Hilfsangebot auf barsche Zurückweisung, «dann kann man es nur laufen lassen», so Reichart. Dann bleibt zu hoffen, dass der Jugendliche allein den Weg in eine Beratungsstelle oder Klinik findet.

Literatur: Andrea Hauner und Elke Reichart: «Bodytalk. Der riskante Kult um Körper und Schönheit», Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 3-423-62203-2, 10 Euro.