Ernährung Ernährung: Verzicht muss nicht sein

Berlin/Potsdam/dpa. - «Schlank über Nacht» oder «Sieben Pfund weniger in sieben Tagen» - das sind leere Versprechungen. Schon kurze Zeit nach Hungerkuren oder Kaloriendiäten bringen viele, die unbedingt abnehmen wollen, mehr Pfunde auf die Waage als zuvor. Viel sinnvoller auf dem Weg zum Wohlfühlgewicht sind Bewegung im Alltag und bewusstes Essen: Sportliches Gehen, Treppensteigen statt Aufzug und Fahrrad statt Bus, dazu fettarme Kost mit viel Obst und Gemüse - so einfach kann überflüssigen Pfunden der Kampf angesagt werden.
Nicht nur zu Weihnachten droht die «Plätzchenfalle», auch während der restlichen Zeit des Jahres wird reichlich gesündigt. Größtes Problem ist nach wie vor die Überversorgung mit Fett, Eiweiß und Alkohol. Zusammen mit wenig Bewegung führt sie zu Übergewicht. Zu diesem Ergebnis kommt der Ernährungssurvey des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin. «In Deutschland haben etwa 67 Prozent der Männer und über 50 Prozent der Frauen zwischen 18 und 80 Jahren einige Pfunde zu viel, und etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind fettsüchtig, sprich adipös», sagt Gert Mensink vom RKI.
«Der Mensch hat in einer einzigen Generation seine Lebensbedingungen so verändert, dass die genetisch programmierte Kontrolle des Körpergewichts bei einem großen Teil der Individuen gestört ist», erläutert Professor Hans-Georg Joost vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam. Gesichertes Wissen sei, dass unter anderem ein erhöhter Fettanteil in der Nahrung der Grund für Übergewicht und die dramatische Zunahme von Adipositas ist.
Eine weitere Ursache, warum die körpereigenen Mechanismen das Gewicht häufig nicht mehr im Zaum halten können, ist laut Joost die fortschreitende Immobilität der Gesellschaft: Muskelkraft ist kaum noch erforderlich, fast alles ist mechanisiert. Im Schnitt werden pro Tag weniger als zwei Kilometer zu Fuß zurückgelegt. «Die geringere körperliche Aktivität wird nicht als geringerer Energiebedarf erkannt und entsprechend kompensiert», so Joost.
Übergewicht ist aber mehr als ein kosmetisches Problem: Zu viele Pfunde machen krank und verkürzen die Lebenserwartung. Ein gesundes Gewicht anzustreben, hat daher nichts mit Schlankheitswahn zu tun. Wer sich jedoch in Kleidergröße 38 dick vorkommt und von Größe 34 träumt, hat kein Gewichtsproblem. Nur wenn der «Body-Mass-Index» (BMI) über 25 liegt, sollte ernsthaft ans Abnehmen gedacht werden.
Um den BMI zu errechnen, wird das Körpergewicht in Kilogramm durch Körpergröße mal Körpergröße in Metern geteilt. Ein Wert bis 24 bedeutet Normalgewicht, bei 25 bis 29 liegt Übergewicht vor. Um Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Arteriosklerose oder Diabetes zu vermeiden, ist Abnehmen dann ratsam. Wer einen BMI von 30 oder mehr hat, muss das Gewicht unbedingt unter ärztlicher Aufsicht reduzieren.
Den lästigen Pfunden sollten allerdings keine Blitzdiäten zu Leibe rücken. «Mit Chrash-Diäten führen wir dem Körper Hungerzeiten vor», erklärt Professor Volker Pudel von der Universität Göttingen: Um in solchen Phasen zu überleben, legt der Körper jede Kalorie, die nicht lebensnotwendig ist, als Reserve an. «Bei Diäten reduziert der Organismus seinen Energiebedarf, baut Muskulatur ab und leert die Fettspeicher.» Nach Ende der Fastenzeit werde das ursprüngliche Gewicht schnell wieder erreicht.
Sich bestimmte Lebensmittel zu verbieten, hält Pudel für eine Sackgasse. Es mache keinen Sinn, auf genussvolle Erlebnisse zu verzichten, so der Ernährungspsychologe. Die von ihm ausgearbeitete «PfundsKur» basiert auf einfachen Regeln: Fett reduzieren, sich mit Kohlenhydraten satt essen, sich nichts verbieten und sich bewegen. «Uneingeschränkt empfehlenswert» lautet das Urteil der Stiftung Warentest in Berlin.
«Rezepte aus der Alltagsküche sind einfach abzuspecken», sagt Ewald Braden, Leiter der Betriebskantine der Allianz Lebensversicherung in Stuttgart und Rezeptentwickler der «PfundsKur». Der Koch verzichtet nicht auf Fett, aber er reduziert es auf gekonnte Weise: Müsli wird zum Beispiel mit Magermilchjoghurt zubereitet. Für die Salatsauce empfiehlt Braden, das Öl nicht zu kippen, sondern mit dem Löffel abzumessen: «Für vier Portionen reicht ein Esslöffel.»
Klare Suppen werden bei Braden entfettet. Gebunden wird mit Mehl und Magermilch. Wird Fleisch, Geflügel oder Fisch gebraten, pinselt der Koch das Gargut mit wenig Öl ein und legt es in die trockene, heiße Pfanne. Rinder- oder Schweinebraten wird in Brühe mit Wurzelgemüse gegart. Dafür darf die Sauce mit Schmand abgeschmeckt werden. «Ich verzichte nie darauf, etwas zu verfeinern», so Braden.
Auch wer auf mehr Bewegung im Alltag achtet, ist auf dem besten Weg, sein Wohlfühlgewicht zu erreichen. Dafür sind keine sportlichen Höchstleistungen nötig: «Eine Station früher aus dem Bus aussteigen und zu Fuß gehen, Treppen statt den Aufzug benutzen oder den Einkaufswagen stehen lassen und den Korb nehmen», empfiehlt Maria Baur von der AOK Baden-Württemberg in Stuttgart. Bewusster durch den Tag zu gehen und fettarmer zu essen, hat somit nichts mit Verzicht auf Genuss zu tun.
Literatur: Volker Pudel, Wolfgang Schlicht: Die PfundsKur. Das Trainingsbuch, Hampp, ISBN 3-930723-51-4, 9,90 Euro; Ewald Braden: Die PfundsKur. Das Kochbuch, Hampp, ISBN 3-930723-52-2 Euro 12,90.