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Cannabis auf Rezept Cannabis auf Rezept: Kiffen als Kassenleistung - wer bekommt das und wie?

27.01.2017, 13:43
Das Gesetz zur medizinischen Verwendung von Cannabis in begründeten Einzelfällen wurde einstimmig im Bundestag beschlossen.
Das Gesetz zur medizinischen Verwendung von Cannabis in begründeten Einzelfällen wurde einstimmig im Bundestag beschlossen. dpa

Haschisch ist eine in Deutschland illegale Droge und gleichzeitig ein Heilmittel. Wer die Droge konsumiert, kann unter Übelkeit, Erbrechen und im schlimmsten Fall Psychosen leiden. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Beispiele, die belegen, dass THC, der Wirkstoff von Marihuana, die gesundheitlichen Beschwerden schwerkranker Patienten lindern kann. Das bestätigen gerade Kranke, bei denen kein anderes Mittel anschlägt.

Nicht allen Patienten hilft Cannabis

„Cannabis ist kein Wundermedikament“, sagt dagegen Psychiaterin Kirsten Müller-Vahl. Sie forscht an der der Medizinischen Hochschule Hannover zum Thema. Einigen Patienten helfe es nicht, sie berichteten von Nebenwirkungen wie Müdigkeit und Antriebslosigkeit. 

Der Bundestag verabschiedete nun einstimmig ein Gesetz zur medizinischen Verwendung von Cannabis in begründeten Einzelfällen. „Cannabis auf Rezept“ jubelten danach viele. Doch was heißt das eigentlich genau? Wir beantworten nahe liegende Fragen. 

Kann jetzt jeder Cannabis auf Rezept bekommen?

Nein, nur Schwerkranke. Aber eine exakte Definition der Krankheitsbilder gibt es im Gesetz nicht. Cannabis kann etwa helfen gegen Spastiken bei Multipler Sklerose, gegen chronische Schmerzen bei Neuropathie, Rheuma oder Krebs. Wirksam ist es auch bei Appetitlosigkeit wegen AIDS, Krebs oder Alzheimer, bei Übelkeit infolge von Chemotherapien oder beim Tourette-Syndrom, einer Nervenkrankheit.

Wie kommen Patienten an Cannabis?

Ein Arzt kann es auf Kosten der Krankenkassen verschreiben, wenn eine – laut Gesetz – „nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf eine positive Wirkung besteht. Er muss – anders als ursprünglich vorgesehen – zuvor nicht alles andere probiert haben. Der Medizinische Dienst der Kassen muss die Therapie genehmigen, hat dafür aber nur drei Tage Zeit. Die Patienten müssen – anonym – ihre Therapiedaten zur weiteren Erforschung der Cannabiswirkung zur Verfügung stellen.

Wie war das bisher?

Bereits 1020 Patienten haben eine Sondergenehmigung für Cannabis vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Bislang mussten sie die Kosten aber selbst tragen. Zwei Patienten wurde zudem die Erlaubnis für den Eigenanbau von Cannabis erteilt.

In Deutschland ist Sativex das einzige zugelassene Präparat auf Cannabis-Basis. Sativex, ist ein Spray, das unter die Zunge gesprüht wird. Wirkstoffe sind THC und CBD. Eingesetzt wird es zur Behandlung von Spasmen bei Multipler Sklerose und Schmerzen bei einer Krebserkrankung.

Dürfen Patienten künftig Hanf etwa auf dem Balkon anbauen?

Nein. Den Anbau soll eine beim BfArM angesiedelte Cannabis-Agentur regeln, sie soll Cannabis kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben. Zuerst wird auf Importe zurückgegriffen. Ein BfArM-Sprecher sagte aber, die Einrichtung der Agentur werde schon vorbereitet. „Ziel ist es, dass die Agentur ohne Verzögerung ihre Arbeit aufnehmen kann, wenn das Gesetz in Kraft tritt.“ Das soll im März sein. Das bedeutet: Der Eigenanbau – auch zu medizinischen Zwecken – bleibt verboten. Die einzigen Ausnahmen bilden Einzelfallentscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes.

Cannabis ist künftig in Deutschland als Arzneimittel zugelassen, aus der Droge wird ein anerkanntes Arzneimittel. Ein Gegenbeispiel dafür ist das Opiat Heroin. 1898 brachte der Leverkusener Konzern Bayer es als Hustensaft und Schmerzmittel auf den Markt. 1904 stellen erste Ärzte fest, dass das Opiat abhängig macht, und 1931 stellte Bayer die Produktion ein. Seit 1971 ist Heroin in Deutschland verboten. 

Wird Cannabis nun massenhaft verbreitet?

Nein, Mediziner schätzen, dass die Patientenzahlen zwar nach oben gehen werden, aber es im Ganzen eher Einzelfälle bleiben. Am Verbot von Hanf als Rauschmittel für den Freizeitkonsum rüttelt der Gesetzgeber nicht.

In welcher Form bekommen Patienten Cannabis?

Als getrocknete Cannabisblüten oder Cannabisextrakt. Öl aus Hanfpflanzen kann über eine Vorrichtung inhaliert werden. Mediziner berichten, dass manche Patienten angeben, Cannabis helfe ihnen am besten, wenn sie es rauchen. Bereits auf Rezept verfügbar sind Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis.

Ist Cannabis ohne Risiko für die Patienten?

Nein, genauso wenig wie herkömmliche Therapien. Es kann abhängig machen, in seltenen Fällen zu einer Psychose führen. Außerdem können trockener Mund, Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit auftreten. Vieles über die medizinischen Wirkungen ist noch nicht erforscht. 

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

In vielen Ländern wie den USA oder Israel ist Cannabis als Medizin schon etabliert. Es wird zur Linderung der Nebenwirkungen von Chemotherapien, zur Appetitsteigerung bei HIV/Aids oder bei chronischen Schmerzen eingesetzt. (sar/mit Material der dpa)