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Burnout-Syndrom Burnout-Syndrom: Anstrengende Auszeit

Von Sabine Ernst 31.08.2008, 15:19

Halle/MZ. - Das Phänomen beschreibt nicht nur ein zunehmendes Unvermögen zu entspannen, es liegt auch in der Urlaubsplanung begründet, sagt Psychotherapeut Prof. Dr. Götz Mundle, Ärztlicher Geschäftsführer der Oberbergkliniken, in denen unter anderem Patienten mit Burn-out-Syndrom behandelt werden. "Die Menschen müssen lernen, mit den ihnen gegebenen Möglichkeiten umzugehen", sagt Prof. Mundle mit Blick auf das wachsende Angebot an Urlaubszielen und -aktivitäten. Wer möglichst viel in möglichst kurzer Zeit erleben möchte, könne zu Hause zwar jede Menge erzählen, doch "für den Körper bedeutet das Stress", so Mundle.

Und noch ein andere Entwicklung begünstigt den Ferienstress: Nach Angaben des Deutschen Reiseverbandes (DRV) sind die Urlaubstouren der Deutschen in den vergangenen Jahren immer kürzer geworden. 2007 dauerte eine durchschnittliche Urlaubsreise 10,7 Tage. Vor fünf Jahren war sie noch einen Tag länger (siehe Grafik). Gleichzeitig sterbe laut DRV-Studie die klassische Pauschalreise aus: Demnach kümmern sich heute viele Urlauber um Anreise, Unterkunft und Unterhaltung selbst. Das bedeutet mehr Aufwand für weniger Auszeit.

Dass sich Überlastung nicht nur im beruflichen Kontext beobachten lässt, sondern auch in den Ferien, bezeichnet Mundle als paradox: Statt im Urlaub die Seele baumeln zu lassen, würde sich mancher ein straffes Programm und damit Freizeitstress organisieren. Es drohe das Burnout-Syndrom: das Ausgebranntsein, die totale Erschöpfung - ausgerechnet im Urlaub.

Hohe Leistungsanforderungen und Perfektionismus kennzeichnen den Zustand, den der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger in den 70er Jahren erstmals als Burnout bezeichnete. Vor allem in helfenden Berufen, darunter Ärzte und Lehrer, beobachtete Freudenberger eine äußerliche und innerliche Überlastung als Resultat wachsender Arbeitsaufgaben und hoher eigener Ansprüche. "Heute sind es ganz allgemein leistungsorientierte Berufsgruppen, die von Burnout betroffen sind", sagt Prof. Mundle und nennt Manager, Ärzte, Journalisten, aber auch Politiker und Künstler. Geregelte Arbeitszeiten und damit ein regelmäßiger Tagesablauf seien in ihrem Arbeitsumfeld weniger gewährleistet. Warnsignale des Körpers wie Schlafstörung, Appetitlosigkeit oder auch chronische Unzufriedenheit werden von Betroffenen oft verleugnet. "Dabei ist es besser, die Überforderung offen anzusprechen", rät der Mediziner. Auch Familienmitglieder sollten das Gespräch suchen, wenn sie Veränderungen ihrer Lieben bemerken. Denn, werden Warnzeichen nicht ernst genommen, können Erkrankungen wie Bluthochdruck, Kreislaufkollaps, Depressionen oder Herzinfarkt die Folge sein.

Um sich vor Überlastung zu schützen, sei gerade der Urlaub eine wichtige Phase, in die man hinüber gleiten sollte. Mundle empfiehlt daher: Nach Möglichkeit schon vor Urlaubsantritt einen Tag frei zu nehmen, um etwa das Kofferpacken und die Routen-Planung zu genießen. Das helfe zudem, sich vom Arbeitsalltag zu lösen.

"Niemand ist so unabkömmlich, dass er auch noch vom Strand aus Termine koordinieren muss", sagt Mundle. Dennoch sollten Entspannungswillige nicht verzweifeln, wenn die Gedanken in den ersten Urlaubstagen noch um den Job kreisen. Mundle: "Körper und Seele benötigen ein paar Tage, bevor sie baumeln können."

Bewusste und vor allem regelmäßige Auszeiten sind aber nicht nur im Urlaub wichtig. Auch im Arbeitsalltag sollten bestimmte Schutzmechanismen greifen: Regelmäßige Mahlzeiten, ein arbeitsfreier Tag pro Woche, sportlicher Ausgleich und Zeit mit Familie und Freunden nennt Mundle als wirksame Stress-Bremsen. "Außerdem sollte man versuchen, zweimal in der Woche pünktlich Feierabend zu machen", ergänzt er.

Ist das Burnout-Syndrom erst einmal ausgebrochen, hilft auch das Kürzertreten meist nicht mehr. Damit es nicht so weit kommt, sollten Stressgeplagte die innere Verarbeitung von äußerem Druck unterstützen. Dabei könnten laut Experten meditative Techniken wie autogenes Training, Tai Chi oder Yoga oder kreative Hobbys helfen.

Literatur: Horst Marburger, Dirk Dahm: Krank durch den Beruf. Ansprüche bei Berufskrankheiten erkennen, begründen und durchsetzen, Walhalla Verlag, 2008, 9,95 Euro,

ISBN: 978-3-8029-7413-7