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Bulimie und Magersucht Bulimie und Magersucht: Wenn die Mahlzeit zur Qual wird

Von Isabell Steinböck 02.04.2003, 12:11
Keine Zeit für falsche Scham: Wer an einer Essstörung leidet, sollte sich möglichst schnell Hilfe suchen. Die schwedische Kronprinzessin Victoria litt als Jugendliche unter Magersucht und schrieb darüber auch in ihrem Buch. (Foto: dpa)
Keine Zeit für falsche Scham: Wer an einer Essstörung leidet, sollte sich möglichst schnell Hilfe suchen. Die schwedische Kronprinzessin Victoria litt als Jugendliche unter Magersucht und schrieb darüber auch in ihrem Buch. (Foto: dpa) PRESSENS BILD

München/Köln/dpa. - Seit sie 15 war, wollte Birgit ständig abnehmen. «Ich denke nur noch ans Essen, für anderes ist in meinem Kopf kein Platz mehr», sagt die heute 22-Jährige. Erst hat sie Diäten gemacht, dann Abführmittel genommen und sich schließlich den Finger in den Hals gesteckt - immer wieder, immer öfter. Erst als sie ihr Studium nicht mehr bewältigen konnte, wurde ihr bewusst, dass sie an einer Essstörung leidet.

Birgit ist kein Einzelfall: Nach Auskunft der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Köln leiden etwa 600 000 Mädchen und Frauen in Deutschland an Ess-Brech-Sucht, so genannter Bulimie. Dazu kommen 100 000, die als magersüchtig gelten. Zunehmend sind auch Jungen und Männer von Bulimie betroffen - insgesamt rund 70 000. «Es werden jeweils immer mehr, und sie werden immer jünger», sagt Andreas Schnebel, Diplom-Psychologe aus München und Vorstand der Beratungsstelle für Essstörungen «ANAD».

Betroffene Jugendliche sollten sich so schnell wie möglich in Therapie begeben. Je länger sie zögern, weil sie Angst haben oder sich schämen, desto größer die Gefahr, dass die Essstörung chronisch und die Behandlung somit immer schwieriger wird, warnt Thomas Dornacher, Facharzt für psychotherapeutische Medizin aus Köln.

Anzeichen für eine Essstörung sind etwa ständige Angst, zu viel zu essen oder zuzunehmen und der ebenso permanente Schritt auf die Waage. Auch wer schon bei der geringsten Gewichtszunahme bewusst weniger isst oder Enttäuschungen durch «Frustessen» kompensiert, könnte gefährdet sein.

Ein Teil der Ursache für Essstörungen sei das allgemeine Schönheitsideal. «Aber als alleinige Begründung würde man es sich damit zu einfach machen», sagt Facharzt Dornacher. Nach Schnebels Worten können auch Eltern die Ursache sein, die selbst essgestört sind und dem Nachwuchs ihre Sucht quasi anerzogen haben. Kommen zu der Essstörung auch Probleme mit den Eltern hinzu, kann es sinnvoll sein, Abstand von der Familie zu gewinnen.

Doch längst nicht alle Jugendlichen, die an Bulimie leiden, wollen sich helfen lassen oder gestehen sich rechtzeitig ein, dass sie krank sind: «Viele haben schon jahrelange Essstörungen hinter sich, wenn sie zu uns kommen», sagt Katharina Vogel von der «Dick&Dünn-Beratung» in Berlin. «Viele denken jeden Tag, sie kriegen es in den Griff und schaffen es nicht. Das macht sie zusätzlich krank.»

Dieselbe Erfahrung macht auch Dornacher immer wieder: «Die Angst kommt oft erst mit Folgeerkrankungen der Sucht.» Diese können tatsächlich fatal sein: Nach Erkenntnissen der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik in Aachen reichen sie von Karies und Darmschädigungen über Osteoporose - Knochenschwund - bis zur Schädigung der Nieren und Herzstillstand. Und laut BZgA-Statistik hungern sich 15 Prozent der Magersüchtigen zu Tode.

So weit soll es bei Birgit nicht kommen. Sie möchte ihr Leben wieder in den Griff bekommen und vor allem ihr Studium bewältigen. Daher hat sie sich ihren Eltern anvertraut und sich über Therapien informiert. «Ohne Hilfe schaffe ich es nicht», ist sie sich jetzt sicher.